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Andreas Speit Der rechte RandWie die AfD Mitglieder verliert

Jungsfoto: dpa

Andreas Speitarbeitet als freier Jour­nalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.

Die AfD hat in Norddeutschland mächtig Mitglieder eingebüßt. Allein in Bremen verlor die rechte Partei 32,1 Prozent, in Schleswig-Holstein 25 Prozent und in Hamburg 24,7 Prozent, wie Martin Schmidt vom ARD-Hauptstadtstudio aufschlüsselte.

Das ist weit mehr als im Bundesdurchschnitt, wo die Mitgliedszahl von 33.850 auf 28.631 zurückging –ein Verlust von 15,4 Prozent. Selbst in Sachsen und Brandenburg traten Mit­glie­der aus: 15,7 Prozent und 15,2 Prozent. In Thüringen verließen aber bloß 2,1 Prozent die Partei. Lediglich in Sachsen-Anhalt gewann sie 1,1 Prozent neue Anhänger.

Der Verlust in den alten Bundesländern verstärkt die Dominanz der ostdeutschen Landesverbände. Dabei ist deren politische Ausstrahlung innerhalb und auch außerhalb der Partei schon heute dominant, obwohl sie mit 7.871 Mitgliedern zahlenmäßig deutlich weniger stark sind als die westdeutschen Landesverbände mit 20.588 Mitgliedern.

Die Co-Vorsitzende der Bundestagsfraktion und der -partei, Alice Weidel, gab sich über den Schwund wenig beunruhigt: Aus der Mitgliedsentwicklung könne nicht abgeleitet werden, dass die ehemaligen Mit­glie­der mit der Politik der Partei unzufrieden seien, sagte sie der „Tagesschau“.

Mehrere Faktoren dürften die Mitgliedsentwicklung beeinflusst haben. In einer Stellungnahme zum gescheiterten Wiedereinzug in den schleswig-holsteinischen Landtag hat der Hamburger Bürgerschaftsfraktionsvize Alexander Wolf eingräumt, dass „mache Positionierungen aus der AfD so verstanden werden können, dass wir zu nah bei Putin sind“. Dabei sind nicht nur die Positionen zu Russland, sondern auch die Positionen zur sozialpolitischen Ausrichtung in der Partei – oft zwischen Ost und West – sehr umstritten.

Dazu kommt, dass die Beobachtung durch den Verfassungsschutz (VS) den Druck auf die AfD-Mitglieder erhöht hat. Die möglichen beruflichen Folgen einer Beobachtung schrecken insbesondere Be­am­t:in­nen und Angestellte im öffentlichen Dienst von einer Mitgliedschaft ab. In der neu-rechten Jungen Freiheit hat Karlheinz Weißmann immer wieder vor einer möglichen Beobachtung gewarnt. Der neu-rechte Theoretiker und Mitgründer des Instituts für Staatspolitik (IfS) äußerte früh die Befürchtung, dass ein zu radikaler Kurs den Geheimdienst auf den Plan rufen könnte – ein Kurs, wie er ihn dem Vorsitzenden der thüringischen AfD-Landtagsfraktion, Björn Höcke, und einem weiteren Mitgründer des IfS, Götz Kubitschek, zuschrieb.

Die Beobachtung durch den Verfassungsschutz hat den Druck erhöht

Durch eine VS-Bobachtung könnte zwar ein „Opferstatus“ die Partei fester zusammenschließen, vermutet Weißmann, aber die Mehrzahl der Mitglieder und Anhänger befürchte eher eine „Stigmatisierung“. Die Partei könnte dann „ihre Unterstützer aus dem öffentlichen Dienst“ und den Zuspruch der „größeren und kleineren Unternehmer“ verlieren. Diese Entwicklung traf auch die Partei „Die Republikaner“ mit der Beobachtung durch den VS in den 90er- und Nullerjahren.

Weißmann, ehemaliger Oberstudienrat aus Northeim, lässt indes unerwähnt, dass auch der zivilgesellschaftliche Druck gestiegen ist. Denn inzwischen ist klar: Wer heute noch der AfD angehört, ist nicht bloß mehr oder weniger harmlos rechts –sondern wesentlich mehr.

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