Interna an Porsche-Chef: FDP-Chef soll komplett aufklären

Die NGO Lobbycontrol ist empört, dass FDP-Chef Christian Lindner an Porsche-Chef Blume Koalitionsinterna weitergab. Der wird jetzt auch noch VW-Boss.

Oliver Blume spricht auf einer Bühne

Ziemlich nah dran an FDP-Chef Christian Lindner: der künftige VW-Chef Oliver Blume Foto: Sven Hoppe/dpa

BERLIN taz | Der Druck auf Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) wegen Weitergabe vertraulicher Informationen aus den Ampel-Koalitionsverhandlungen an Porsche-Chef Oliver Blume nimmt zu. Die Organisation LobbyControl fordert eine vollständige Aufklärung. „Alle Fakten müssen auf den Tisch“, sagte LobbyControl-Sprecher Timo Lange. Bestätige sich der Vorfall, sei das ein „hochproblematischer“ Vorgang. „Die FDP und Herr Lindner verstärken den Eindruck, als verlängerter Arm der Autoindustrie zu agieren.“

Lindners Plauderfreude hat an Brisanz gewonnen, weil Blume überraschend befördert worden ist. Am Freitagabend hatte der Aufsichtsrat von Volkswagen mitgeteilt, dass der bisherige VW-Chef Herbert Diess geschasst wird. Sein Nachfolger wird ausgerechnet Blume, der künftig sowohl den Sportwagenhersteller Porsche als auch den VW-Konzern führen soll.

Blume war in den Tagen davor in die Schlagzeilen geraten. Nach Recherchen des ZDF-Satire-Magazin „Die Anstalt“ soll er sich bei einer Betriebsversammlung von Porsche damit gebrüstet haben, dass FDP-Chef Lindner ihn bei den Ampelverhandlungen fast stündlich über die Gespräche über E-Fuels informiert habe. E-Fuels sind synthetische Kraftstoffe. Vor Kurzem hatte die Regierung heftig darüber gestritten, ob es Ausnahmen für Autos geben soll, die nur mit E-Fuels fahren, wenn die Neuzulassung von Verbrennern auf EU-Ebene verboten wird. Die FDP setzte eine erneute Prüfung der EU durch. Mittlerweile behauptet Blume, dass er sich bei der Betriebsversammlung falsch ausgedrückt habe. Auch die FDP weist die Vorwürfe zurück.

Das sei nicht glaubwürdig, sagt LobbyControl-Sprecher Lange. Es müsse transparent gemacht werden, welche Gespräche stattgefunden haben, welche Handynachrichten ausgetauscht wurden, welchen Einfluss Blume genommen und ob er Formulierungsvorschläge gemacht habe. „Wir brauchen dringend strengere Lobbyregeln“, sagte Lange.

Grüne und SPD sollen sich positionieren

Für Gesetzesvorhaben sieht die Ampelkoalition die Einführung eines sogenannten Lobbyfußabdrucks vor. Er soll zeigen, welchen Einfluss Lobbyorganisationen auf ein Gesetz genommen haben. Es sei bedauerlich, dass es diese Regelung noch nicht gebe. „Auch Koalitionsverhandlungen dürfen keine Lobbyveranstaltung sein“, betonte Lange. Er fordert, dass sich Grüne und SPD zu der Affäre positionieren. Immerhin hatten die Ampel-Parteien Vertraulichkeit vereinbart. Außerdem drängt LobbyControl darauf, dass das Land Niedersachen als Anteilseigner die Angelegenheit im Aufsichtsrat von VW zur Sprache bringt.

Die Nachricht vom Austausch des Vorstandsvorsitzenden platzte am Freitag mitten in die Werksferien in Wolfsburg, die noch bis Anfang August dauern. Der Vertrag von Diess läuft bis 2025, laut Handelsblatt kann er mit einer Abfindung von 20 bis 30 Millionen Euro rechnen. Diess hat den Konzern aus der Krise um den Betrug bei Dieselabgasvorrichtungen geführt, der VW mehr als 30 Milliarden Euro gekostet hat, und er hat Volkswagen konsequent auf E-Mobilität ausgerichtet. Zugleich gilt er aber als kommunikationsschwach und das Gegenteil eines Teamplayers. Schon mehrfach war über seine Ablösung spekuliert worden, doch bislang hatte die Eigentümerfamilie Porsche ihn gestützt. Die hatte jetzt im Streit über anhaltende Softwareprobleme, die Diess nicht in den Griff bekommen hat, die Geduld verloren.

Bei der Linkspartei stößt Blumes Berufung auf Kritik. „Mit Herrn Blumes Wechsel an die VW-Spitze steigt Lindners Lieblingsfreund in der Automobilindustrie auf“, sagte Linkspartei-Bundesgeschäftsführer Tobias Bank. „Ich bin schon gespannt auf die künftigen staatlichen Subventionen bei der E-Fuel-Produktion.“

Diess suchte Streit

In der VW-Belegschaft dagegen wird der Wechsel von Diess zu Blume mit Zuversicht betrachtet, sagt ein Insider, der nicht genannt werden will. Diess wurde von den Beschäftigten anders als etliche seiner Vorgänger nie als „ihr“ Vorstandsvorsitzender angesehen. Er galt als unnahbar. Immer wieder hat er Streit mit dem mächtigen Betriebsrat gesucht, zuletzt im vergangenen Jahr, als er die Streichung von 30.000 Stellen ins Spiel brachte.

Nachfolger Blume kennt den Konzern gut und hatte bereits in den jährlichen Planungsrunden, wo es um die mittelfristige Strategie des Unternehmens geht, großen Einfluss. Dass ihm die in den sozialen Medien #porschegate genannte Affäre lange anhängen wird, gilt in Wolfsburg als unwahrscheinlich. Blume setzt als einer der wenigen Automanager auf E-Fuels, weil die für den Sportwagencharakter von Porsche-Modellen wichtig sind. Erst vor Kurzem hat Porsche eine Beteiligung an einer Produktionsanlage für E-Fuels erworben. Bei der Betriebsversammlung im September wird sich Blume erstmals den Beschäftigten stellen.

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