Folgen steigender Lebensmittelpreise: Das Brot ist aus
Die Sozialküche „La Cantina“ ist auch wegen der Lebensmittelpreise in ihrer Existenz bedroht. Sie fordert eine direkte Finanzierung der Stadt Hamburg.
Als Betriebsstättenleiter bei „La Cantina“ in Hamburg erlebt Albert Hovers seit 13 Jahren, wie sich soziale Krisen auf den armen Teil der Bevölkerung auswirken. Dass er kein selbstgemachtes Brot mehr anbieten kann, schmerzt ihn: „Ich finde, alle Menschen verdienen gutes Essen.“ Hovers trägt eine weiße Schürze und hat müde Augen. Sein Arbeitstag begann um fünf Uhr. Zusätzlich entkräften ihn die Folgen der Krisenzeit: Corona, Krieg, nun Inflation. Sie bedrohen nicht nur die Existenz seiner Gäste, sondern auch die seiner Küche.
La Cantina ist ein soziales Projekt, im doppelten Sinne. Einerseits soll es Langzeitarbeitslose wieder auf eine Erwerbstätigkeit vorbereiten. Andererseits versorgt die Suppenküche im Stadtteil Altona Menschen ohne Einkommen mit einer ordentlichen Mahlzeit. Teilweise finanziert sich La Cantina mit einem Mittagstisch, teilweise aus öffentlicher Hand. Aufgrund des Anspruches, den Mittagstisch günstig anzubieten, ist der Umsatz gering. Deswegen vertraut Albert Hovers auf Nahrungsspenden der Tafel und von Gemüsegroßhändlern.
Doch die Lieferungen der Tafel werden knapper. „Die Tafel basiert auf dem Überschuss im Lebensmittelhandel“, sagt Hovers. Infolge der Pandemie und der steigenden Preise kalkulieren Händler:innen deutlich enger. Am Ende bleibt also weniger Essen, das in die Regale der Tafel wandert. Gleichzeitig benötigen mehr Menschen deren Unterstützung. Wie Tafel-Sprecherin Julia Bauer der taz gegenüber erklärte, habe dies sogar zum Aufnahmestopp in 22 von 29 Ausgabestellen in Hamburg geführt.
Ein Essen kostet 30 Cent mehr
Um die Suppenküche weiterhin finanzieren zu können, musste La Cantina die Preise des Mittagstisches erhöhen. „Das ging nicht anders“, sagt Hovers. Der reduzierte Preis stieg um 30 Cent auf 2,80 Euro. Normalverdienende zahlen nun 5,80 Euro, also 80 Cent mehr. Anders als Brot, seien manche Utensilien für die Sozialküche unabdingbar. Öl verteuerte sich im Vergleich zum Vorjahr um das Dreifache.
„Es fängt beim Brot an und hört beim Sitzen im warmen Restaurant auf“, sagt die Geschäftsführerin des Vereins Koala, Nicola Pantelias, dem La Cantina angehört. Nicht nur die Preise für Nahrung, sondern auch für Strom und Gas bereiteten ihr Sorgen. Endgültig gefährde La Cantina jedoch eine neue Arbeitsmarktpolitik der Stadt.
Durch die Förderung sogenannter Arbeitsgelegenheiten finanzierte das Jobcenter bis Februar einen großen Teil des Küchenteams. In dessen Augen fehlt der Sozialküche jedoch die Wettbewerbsneutralität – Arbeitsgelegenheiten sollten keine regulären Arbeitsplätze verdrängen. So lehnte das Amt eine erneute Bewilligung der Stellen ab, berichtet Pantelias.
Stattdessen seien nun neue Förderstellen geschaffen worden. Im Gegensatz zu den Arbeitsgelegenheiten ordne sie das Amt nicht an, besser bezahlt seien sie auch, sagt Pantelias. Nach zwei Jahren sinke jedoch die Förderung, jährlich um zehn Prozent. Mittelfristig sind diese Jobs für La Cantina finanziell nicht tragbar. Deswegen fordert Pantelias, dass die Suppenküche komplett von der Stadt gestützt wird.
Jobcenter sucht Alternativen
Vom Jobcenter ist zu hören, dass man sich dafür stark machen wolle, dass die Beschäftigten bleiben können: „Gemeinsam mit der Sozialbehörde suchen wir nach Alternativen, um das Angebot aufrechtzuerhalten“, sagte Geschäftsführer Dirk Heyden dem Straßenmagazin Hinz&Kunzt.
Groß ist das Küchenteam derzeit nicht. Wie fast überall in der Gastronomie herrscht Personalmangel. Teilweise verrichteten vier Mitarbeiter:innen die Arbeit, die sonst von zehn gestemmt wurde. Ohne Freiwillige wie Kai Winter hätte La Cantina schließen müssen. Er klopft seinem Chef Hovers auf die Schulter. Wie die Arbeit unter einem solchen Druck klappe? „Es muss so gehen“, antwortet er.
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