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Auf dem Weg zur WärmewendeTauchsieder für Hamburg

In Wedel wird eine Anlage gebaut, die überschüssigen Windstrom in Fernwärme verwandeln kann. So kann erneuerbare Energie besser genutzt werden.

Statt des Kohlekraftwerks soll hier bald ein Wärmespeicher stehen: Wedel bei Hamburg Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Hamburg taz | Hamburgs Wärmewende kommt voran. Am Dienstag ist auf dem Gelände des Heizkraftwerks Wedel das Richtfest für eine Power-to-Heat-Anlage gefeiert worden. Sie soll überschüssigen Windstrom abschöpfen, speichern und in das Fernwärmenetz einspeisen.

„Der Norden produziert Windenergie im Überfluss – statt sie abzuregeln, nutzen wir den Überschuss zum Heizen“, sagt Umweltstaatsrat Michael Pollmann (Grüne). Mit dem Ausbau der Windenergie dürfte der Bedarf an solchen Speichern in nächster Zeit noch steigen.

Die Anlage nach dem Prinzip des Tauchsieders wird eine der größten Europas sein. Sie soll helfen, die Hamburger Klimaschutzziele zu erreichen: die Treibhausgasemissionen der Stadt sollen bis 2030 um 55 Prozent verringert werden, 2050 muss die Stadt klimaneutral sein. Einer Volksinitiative ist das noch zu wenig: Sie fordert 90 Prozent bis 2030 und Klimaneutralität bis 2035.

Die Power-to-Heat-Anlage wird von dem Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz für 31,5 Millionen Euro errichtet und gemeinsam mit dem städtischen Versorger Hamburger Energiewerke genutzt. Sie soll in der Heizperiode 2022/23 in Betrieb gehen. Ab 2023 können nach Angaben der Betreiber pro Jahr bis zu 100.000 Tonnen CO2 gespart werden. Hamburg hat 2020 13,5 Millionen CO2 verursacht.

Hilfe angesichts steigender Energiekosten

Mit Hilfe der Power-to-Heat-Anlage kann der Kohleverbrauch des Heizkraftwerks Wedel um 50.000 Tonnen pro Jahr verringert werden. „Wir leisten auch einen Beitrag dazu, Energie so effizient wie möglich zu nutzen“, sagt Frank Golletz, der technische Geschäftsführer von 50Hertz. Das sei vor dem Hintergrund stark steigender Energiekosten und drohender Versorgungsengpässe umso wichtiger.

Aus Wedel kommt der größere Teil von Hamburgs Fernwärme. Das Heizkraftwerk hat dafür im vergangenen Jahr knapp 440.000 Tonnen Steinkohle verbrannt. Damit ist das alte und wenig effiziente Kraftwerk ein Dorn im Auge der rot-grünen Hamburger Energiepolitik – zusammen mit dem Kohlekraftwerk Tiefstack, das 2030 vom Netz gehen soll, und nur unwesentlich weniger Kohle verbrennt. Das große Kohlekraftwerk Moorburg ist bereits abgeschaltet worden – nach nur fünf Jahren Betriebszeit.

Ersetzt werden sollen die Kohlekraftwerke durch ein ganzes Bündel von Projekten. Dazu gehören ein effizientes Gas- und Dampfturbinenkraftwerk, große Flusswärmepumpen, Müllheizkraftwerke, industrielle Abwärme und Tiefengeothermie.

Wärme aus den Tiefen von Wilhelmsburg

Eine Erkundungsbohrung im Stadtteil Wilhelmsburg haben die Energiewerke gerade „erfolgreich“ abgeschlossen. Die Planer hoffen, in bis zu 3,5 Kilometern Tiefe 130 Grad warmes Wasser zu fördern. Damit sollen zehn bis 14 Megawatt Wärmeleistung bereitgestellt und bis zu 5.000 Wohnungen versorgt werden können. Das Ergebnis soll am Donnerstag vorgestellt werden.

Neben Wedel sind in dem Konzept weitere Power-to-Heat- Anlagen vorgesehen, denn als Puffer eignen sie sich besonders, Anbieter und Verbraucher von Fernwärme zusammen zu bringen. Auch der frühere Betreiber des Fernwärmenetzes, Vattenfall, hatte für Wedel einen Riesen-Tauchsieder vorgeschlagen.

In Berlin betreibt der schwedische Konzern die nach eigenen größte Anlage Europas mit drei Kesseln, in denen je 22.000 Liter auf bis zu 130 Grad geheizt werden können. Sie soll 120 Megawatt leisten und bis zu 37.000 Haushalte versorgen. Zum Vergleich: Die Wedeler Anlage arbeitet mit zwei 23.000-Liter-Kesseln. Mit einer Leistung von insgesamt 80 Megawatt soll sie rund 27.000 Wohnungen versorgen.

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1 Kommentar

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  • und warum werden nicht gleich von Anfang an "große Flusswärmepumpen" statt "Tauchsieder"-Anlagen gebaut um den Überschussstrom in Wärme zu verwandeln?



    Das wäre doch wenigstens um den Faktor 3 besser als ein Tauchsieder.



    Wenn es ums Regeln der Stromenergie geht, sollten wir uns an die Lösungen der US-Fachleute halten. Die betreiben bereits erfolgreich große Redox-Stromspeicher.



    Und warum noch immer ein Gaskraftwerk?