US-Untersuchungsausschuss zum 6. Januar: Zeugen sehen Schuld bei Trump
In den USA sprechen Zeugen vor dem Sonderausschuss zur Aufarbeitung des Sturms auf das Kapitol. Sie gehen von einer bewussten Strategie Trumps aus.
Angeführt von bewaffneten rechten Milizionären zertrümmerten sie Fenster und Mobiliar, schlugen Polizisten zusammen, stellten einen Galgen auf und skandierten den Slogan „Hängt (Vizepräsident) Mike Pence!“. Ziel der Aktion war es, den Sieg Joe Bidens, dessen Wahl an dem Tag im Kongress feierlich bestätigt werden sollte, umzukehren. Fünf Menschen kamen ums Leben. Dutzende wurden verletzt.
Eineinhalb Jahre danach weist Trump jede Verantwortung für die Gewalt von sich. Aber die Mitglieder des Sonderausschusses des US-Kongresses, der das Geschehen des 6. Januar seit Monaten untersucht, sind überzeugt, dass der damalige Präsident den Angriff gewollt und langfristig geplant hat.
Sie halten es für erwiesen, dass Trump mit seinem Aufruf gewaltbereite rechte Milizionäre wie die Oath Keepers und die Proud Boys nach Washington holen wollte und dass er genau wusste, was er tat, als er sie am 6. Januar trotz zahlreicher Warnungen stundenlang im Kapitol wüten ließ, bevor er zu einem Ende der Aktion aufrief.
Ex-Trump-Mitarbeiter sprechen mit Ausschuss
Bei ihrem siebten öffentlichen Hearing lieferten die Ausschussmitglieder am Dienstag in Washington neue Vorwürfe gegen den Ex-Präsidenten. Dazu verhalfen ihnen Gespräche mit Spitzenrepräsentanten der Trump-Regierung, die sich erst jüngst zur Kooperation mit dem Ausschuss entschlossen haben.
Sowohl Ex-Justizminister William Barr als auch Trumps ehemaliger Rechtsberater im Weißen Haus, Pat Cipollone, als auch Mitglieder seines Wahlkampfteams bestätigten in Video-Aussagen übereinstimmend, Trump habe ihren Rat, seine Wahlniederlage einzugestehen, in den Wind geschlagen und sich stattdessen mit radikaleren Kräften umgeben.
Nachdem das Wahlleute-College am 14. Dezember für Biden gestimmt und nachdem Richter quer durch die USA 60 der 61 von Trump veranlassten juristischen Anfechtungen des Wahlergebnisses abgelehnt hatten, erklärten ihm die Berater, er habe keinen legalen Weg mehr zu einer zweiten Amtszeit.
Trump sah das anders. Zwei Tage nach der Entscheidung im Wahlleute-College empfing er externe Vertraute zu einem abendlichen Treffen im Oval Office – darunter Ex-General Michael Flynn, die Anwältin Sidney Powell und den damaligen Chef des Möbelunternehmens Overstock.
China und Venezuela waren als Sündenböcke im Gespräch
Sie berieten sich mit dem Präsidenten über Möglichkeiten, im Amt zu bleiben. Unter anderem erwogen sie, „chinesische und venezolanische Einmischungen“ für das Wahlergebnis verantwortlich zu machen und Wahlmaschinen in den USA vom Militär beschlagnahmen zu lassen.
Hochrangige Weiße-Haus-Mitarbeiter, die zu dem Treffen stießen, reagierten entsetzt. „Wo sind die Beweise?“, fragte Cipollone. Es kam zu Geschrei und Beleidigungen. Der Präsident beschimpfte Mitarbeiter „als Weicheicher“ und „Feiglinge“. Nachdem sich das Weiße Haus geleert hatte, twitterte er seinen Aufruf zu dem „wilden“ 6. Januar.
Am Dienstag wartete der Ausschuss zusätzlich mit zwei Zeugen auf, die für die verschiedenen Gruppen von Akteuren stehen, die am 6. Januar im Kapitol waren. Der einstige Sprecher der Oath Keepers, Jason Van Tatenhove, beschrieb die Bürgerkriegsvorbereitungen der Miliz. „Wir können froh sein, dass wir nur wenige Leben verloren haben“, sagte Van Tatenhove.
Er hat sich inzwischen von der rechten Miliz abgewandt und sprach auch von seiner Angst vor einem Wahlerfolg Trumps im Jahr 2024: „Die Milizen haben eine Vision von Amerika mit Gewalt und Einschüchterung und Lügen“.
Für Trump-Anhänger brach eine Welt zusammen
Der zweite Mann im Zeugenstand gehörte nie einer Miliz an. Stephen Ayres aus Ohio war ein Wähler von Trump und gläubiger Konsument von dessen Tweets und Reden. Am 6. Januar 2021 kam er ohne Gewaltabsicht nach Washington.
„Ich glaubte, dass die Wahlen gestohlen waren“, sagte er. Er glaubte auch, dass Trump selbst bei dem Marsch auf das Kapitol dabei sein würde. Nach dem Sturm auf das Kapitol hat Ayres „alles“ verloren: seinen Job, sein Haus und sein Vertrauen in Trump. Im Herbst droht ihm eine Verurteilung wegen Ordnungswidrigkeiten.
Die Mehrheit von Trumps Partei lehnt den Sonderausschuss ab. Die beiden einzigen Republikaner in dem Ausschuss werden in ihrer eigenen Partei wie Aussätzige behandelt.
Eine von ihnen ist Liz Cheney. Am Ende des siebten öffentlichen Hearings wartete sie mit einer neuen Enthüllung über den Ex-Präsidenten auf. Er habe versucht, eine Person, die der Ausschuss als Zeuge geladen, aber noch nicht gehört habe, anzurufen, sagte sie. Wegen möglicher Zeugenbeeinflussung liegt der Vorgang jetzt bei der Justiz.
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