Kinotipp der Woche: Virtuelle Bildspiralen
Im Fokus einer Filmreihe im Kino Arsenal stehen Naturphänomene und die Spuren, die Menschen in der Natur hinterlassen.
Gebäude, Bäume, Röhren. Blau, das Himmel zu sein scheint. Die fotografischen Bilder in Lydia Nsiahs „vs“ drehen sich anfangs gemächlich. Zwei bis drei Umdrehungen, dann wechselt das Bild. Das „vs“ des Titels steht für virtuelle Spirale.
Die Bewegung der Bilder entstammt mit einer eigens geschaffenen Kameraapparatur, die Bilder selbst zeigen Serverfarmen. Durch die spiralförmige Bewegung wandert das Zentrum des Bildstrudels. Als die Bilder schneller werden, entstehen abstrakte Strukturen, Farbflächen wandern strahlenförmig durchs Bild. Helle und dunkle Teile verdichten sich auf dem Bildschirm.
„vs“ war Teil des diesjährigen Programms von Forum Expanded und ist nun Teil des „Sommerfest“ von Forum und Forum Expanded im Streamingangebot des Arsenals. Fünf Filme aus dem Programm des Forums und ein Programm zum Forum Expanded präsentiert das Kino Arsenal. Im Fokus stehen Naturphänomene und die Spuren, die Menschen in der Natur hinterlassen.
Auch „Sonne unter Tage“ von Mareike Bernien und Alex Gerbaulet lief im Forum Expanded. Giftgrün und blau reflektiert oxidierendes Uraninit das Licht einer Lampe mit ultraviolettem Licht. Nach der Entdeckung der Pechblende entsteht um die Jahrhundertwende in Sachsen eine Bäderindustrie, die auf therapeutische Anwendungen des radioaktiven Radon setzen.
Sommerfest: Wiedersehen mit Berlinale Forum und Forum Expanded, Kino Arsenal, als Stream und im Kino: 15. bis 23. 7., Programm und Streams: www.arsenal-berlin.de
Nach 1945 macht sich die Sowjetunion den Uranbergbau für das Atombombenprogramm nutzbar. In gerade mal einer guten halben Stunde schlägt „Sonne unter Tage“ einen Bogen vom Uranbergbau über Tschernobyl und den Anfang der Umweltpolitik in der DDR bis zur Repression gegen die Umweltbewegung.
Bernien und Gerbaulet kombinieren in ihrem Film Gespräche, Archivmaterialien und performative Elementen zu einer vielschichtigen Erzählung. Im Mai wurde „Sonne unter Tage“ bei den Kurzfilmtagen in Oberhausen mit dem Hauptpreis des deutschen online Wettbewerbs ausgezeichnet.
US-Dokumentarfilmer Travis Wilkerson folgt in „Nuclear Family“ (20. 7., 20 Uhr im Arsenal 1) einer Familientradition und macht eine Rundreise zu Raketensilos. Doch statt sich wie seine Eltern an der Vernichtungskraft der Raketen zu berauschen, geht es Wilkerson um die Verbindung zwischen dem Landraub durch weiße Siedler in den USA und dem Atomprogramm des Kalten Kriegs, für das die Raketensilos auf dem geraubten Land errichtet wurden.
„Nimm das Land mit der Waffe in der Hand, mach das Land zur Waffe, halte die Waffe allen an den Kopf.“ „Nuclear Family“ realisierte Wilkerson gemeinsam mit seiner Frau Erin, einer Biologin. Erin Wilkerson fügt dem Film die Ebene der Naturbeobachtung hinzu.
In der Nähe eines Raketensilos in Montana entdeckt sie eine Sonnenblume mit drei Köpfen. Eine durch Radioaktivität ausgelöste Mutation als weiterer Akt in einer endlosen Linie von Verwüstungen, die für Wilkerson im Landraub ihren Ausgangspunkt hat.
Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.
Mit dem „Sommerfest“ gibt das Arsenal per Streaming unkompliziert Gelegenheit, versäumte Filme aus dem Forum nachzuholen oder aufzufrischen. Oder sich von virtuellen Bildspiralen das Hirn ins Wochenende zu strudeln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!