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„Uber Files“ und MedienGekaufte Meinung?

Die „Uber Files“ thematisieren auch einen Gastkommentar in der „FAZ“. Brisant: Der Autor soll dafür vom Fahrdienstleister Geld erhalten haben.

Berlin 2021: Ta­xi­fah­re­r:in­nen protestieren gegen die Änderung des Personenbeförderungsgesetzes Foto: Volker Hohlfeld/imago

Berlin taz | Hat sich der Fahrdienstleister Uber einen positiven Text in den Medien gekauft? Diesen Verdacht legt die Recherche „Uber Files“ von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR nahe, die Anfang der Woche veröffentlicht wurde. Gemeinsam mit vielen internationalen Medien wie Le Monde und Washington Post haben sie mehr als 124.000 Dokumente wie Mails und Chat-Nachrichten aus den Jahren 2013 bis 2017 ausgewertet, die dem britischen Guardian zugespielt worden waren. 180 Jour­na­li­st*in­nen setzten sich mit ihnen auseinander und legten dann die moralisch fragwürdigen bis aggressiven Geschäftspraktiken Ubers dar. Eine davon führt in die deutschsprachige Medienlandschaft.

Uber soll demnach versucht haben, Kontakt zu Justus Haucap, einem Wirtschaftswissenschaftler und Professor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf aufzubauen. Dieser entwarf daraufhin nicht nur eine Studie für Uber, sondern bot ihnen laut den Berichten auch an, für 4.000 Euro einen Text in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu platzieren. Gegenüber der taz hieß es vonseiten der FAZ: „Sollte es Vereinbarungen zwischen Justus Haucap und Uber gegeben haben, hatte die F.A.Z. zu keinem Zeitpunkt Kenntnis darüber.“ Tatsächlich erschien am 6. Dezember 2014 ein Gastkommentar in der Zeitung. Darin lässt Haucap sich aus über den urbanen Personennahverkehr und Taxipreise und die Regulierung des Taximarkts, die nicht „zeitgemäß“ sei. Sein Vorschlag für eine Lösung für Transportprobleme: Uber.

Vor allem für die FAZIT-Stiftung ein Problem

Ob es sich um den angebotenen Text von Haucap handelt und ob Uber auf diesen Einfluss hat, ist bisher unklar. Der Wissenschaftler war für die taz bis zum Redaktionsschluss nicht erreichbar. Gegenüber der „Tagesschau“ sagte eine Mitarbeiterin der DICe Consult GmbH, deren Partner Haucap ist, es entspräche nicht Haucaps Praxis „Auftragsartikel zu erstellen“. Dennoch stellte die GmbH Uber laut der „Tagesschau“ eine Rechnung über 4.000 Euro für einen „newsletter article“.

Sollten die Vorwürfe nicht entkräftet werden können, wäre das vor allem für die FAZIT-Stiftung ein Problem, in deren Kuratorium Haucap einen Platz belegt. Gegründet wurde diese explizit deswegen, um die redaktionelle Unabhängigkeit der FAZ zu sichern. So sei die Hauptaufgabe der Kuratoriumsmitglieder „die Sicherung der Unabhängigkeit der bei den Tochtergesellschaften der FAZIT-Stiftung erscheinenden Zeitungen.“

Ergänzung: nach taz-Redaktionsschluss veröffentliche die „FAZ“ einen Artikel, in dem Haucap bestreitet, dass der Meinungstext vom 6. Dezember 2014 der abgerechnete „newsletter article“ war. Die „FAZ“ zitiert Haucaps Stellungnahme: „Wir können heute nicht mehr rekonstruieren, um welchen Beitrag es sich dabei gehandelt haben soll. Doch der F.A.Z.-Beitrag war es definitiv nicht“

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3 Kommentare

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  • Bitte wozu die ganze Aufregung?



    In Berlin fahren tausende sogenannte „Mietwagen“ rum, deren Fahrer aus anderen Ländern und größtenteils sozioökonomischen Gründen hergekommen sind. Es wird genutzt von unglaublich vielen Bürgern und immer mehr kommen dazu. Manchmal günstig wenn eh nix los ist, und manchmal richtig teuer.



    Dass das Taximeter und regulierte Taxibusiness eine Erfindung ist, die den Verbraucher vor Preiswillkür und den Fahrer vor Lohndumping schützt, hab ich bisher in keiner journalistischen Analyse oder einem Pressebericht gelesen. Eigentlich nicht mal über andere digitale Plattformbetreiber wie Essens- oder Lebensmittellieferdienste.



    Man könnte behaupten dass fast jeder Verlag irgendwie mit Geldern infiltriert wurde und deswegen kritische Berichte über genau diese gar nicht zu lesen sind.

    Das Paradoxe an der Sachebist, das jeden Junge Leute für Klimarettung auf die Straße gehen, und nach ihren Aktionen sich ein Uber bestellen und in diesem ihre Aktion im Social Network Posten.



    Weniger Verkehr und Nachhaltigkeit geht anders.

    Der „Skandal“ jetzt mit Uber ist nur ein Tropfen auf dem heissen Stein und es wird keine Konsequenzen geben. Auch weil unsere Kräfteverteilung schon längst nicht mehr verteilt ist. Ansonsten wäre das von deutschen Gerichten ausgesprochene „Uberverbot“ schon längst durchgesetzt worden.

    Wer sich aber hier groß schämen darf?! Unsere Politiker, allen voran unsere Kommunalpolitiker, die das Tag für Tag mit ansehen wie auf den Straßen der Mist wächst und wächst.

  • Wenn ein ausgewählter Tester des bedingungslosen Grundeinkommens in einer bekannten Zeitung davon berichtet, dass er es nicht braucht und eher für einen kostenlosen Nahverkehr als Alternative plädiert, fragt man sich auch, welche Lobby diesen Artikel wohl finanziert haben könnte.

  • Das kann nicht sein. Ein Mietschreiberling in der deutschen Qualitätspresse. Da war doch mal was in der „Anstalt“.