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Fed erhöht LeitzinsEs kann gefährlich werden

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Dass die US-Notenbank Fed den Leitzins angehoben hat, ist riskant. Eine Rezession in den USA kann gravierende Folgen haben – auch für Deutschland.

Diese Entscheidung kann die ganze Welt verändern Foto: Jacquelyn Martin/ap/dpa

W ie lässt sich die Inflation am besten bekämpfen? Diese Frage stellt sich derzeit in allen westlichen Industrieländern, denn der Preisanstieg ist historisch beispiellos. Noch nie kamen gleich mehrere „externe Schocks“ zusammen, auf die die einzelnen Regierungen keinen Einfluss haben. Die Coronakrise, der Ukrai­ne­krieg und die Lockdowns in China haben die weltweiten Lieferketten schwer gestört, so dass nun überall Energie und Vorprodukte knapp sind, was die Preise rasant steigen lässt.

In den USA liegt die Inflationsrate derzeit bei 8,6 Prozent, in Deutschland waren es zuletzt 7,9 Prozent. Die US-Notenbank Fed hat sich nun zu einem radikalen Schritt entschlossen: Die Leitzinsen wurden drastisch nach oben gesetzt. Sie stiegen gleich um 0,75 Prozentpunkte und liegen jetzt zwischen 1,5 und 1,75 Prozent. Weitere Zinsschritte sollen folgen, so dass fürs Jahresende ein Niveau von 3 bis 3,5 Prozent angepeilt wird. Zum Vergleich: In der Eurozone liegen die Leitzinsen derzeit noch bei null und sollen im Juli nur um 0,25 Prozentpunkte zulegen.

Steigende Zinsen sind immer gefährlich, weil sie das Wirtschaftswachstum abwürgen. Diese Delle ist sogar gewollt: Nur wenn der Konsum einbricht, sind Energie und Vorprodukte nicht mehr knapp, so dass dann auch die Preise nicht weiter steigen. Fed-Chef Jerome Powell verspricht eine „weiche Landung“. Er will die Zinsschritte exakt so justieren, dass die hohe Inflation endet, ohne dass die Wirtschaft allzu sehr leidet. Leider ist jedoch extrem unwahrscheinlich, dass diese weiche Landung gelingt. Denn im Detail ist gar nicht vorherzusehen, wie sich die Geldpolitik auswirkt.

Klar ist nur, dass Darlehen teurer werden. Dieser Effekt ist in den USA bereits zu beobachten: Die Zinsen für Hypotheken und Konsumkredite steigen. Da viele Amerikaner keine Ersparnisse haben und auf Pump leben, können sie sich neue Anschaffungen nicht mehr leisten. Zugleich kommen Millionen Menschen in Bedrängnis, die bereits Kredite aufgenommen haben und deren Darlehen teurer werden, wenn die Zinsbindung ausläuft.

Auf den ersten Blick mag es erstaunlich wirken, dass die neuen Leitzinsen von 1,5 bis 1,75 Prozent gefährlich sein könnten, denn früher lagen sie oft weit höher. Aber diese historischen Vergleiche hinken, weil es noch nie so viele externe Schocks gleichzeitig gab. Dadurch sind die Preise abrupt gestiegen, während die Gehälter zurückblieben. Die durchschnittlichen US-Stundenlöhne haben im vergangenen Jahr um 6,2 Prozent zugenommen.

Deutschlands wichtigster Exportpartner

Da die Inflationsrate bei 8,6 Prozent lag, ist die reale Kaufkraft um 2,4 Prozent gesunken. Wenn jetzt zudem die Kreditzinsen steigen, bleibt den verschuldeten Amerikanern noch weniger Geld übrig, um ihre Ausgaben zu bestreiten. Die USA könnten also demnächst in eine Rezession abgleiten, weil viele BürgerInnen plötzlich eisern sparen müssen.

Die Börsen preisen jedenfalls ein, dass es zu einer Wirtschaftskrise kommen könnte: Am Freitag fielen die Aktienkurse weiter, nachdem die Fed ihren Zinsentscheid bekannt gegeben hatte. Seit Beginn des Ukrainekriegs hat der US-Börsenindex Dow Jones bereits um 15 Prozent nachgegeben.

Für Deutschland kann es gravierende Folgen haben, dass die Fed die Zinsen hoch setzt und damit eine Wirtschaftskrise riskiert. Denn die USA sind der wichtigste Kunde im Ausland. Waren im Wert von 122 Milliarden Euro haben deutsche Firmen 2021 nach Amerika exportiert. Eine Flaute in den USA würde die hiesige Konjunktur sofort belasten.

Noch bedrohlicher könnten die weltpolitischen Konsequenzen sein: Im November wird in den USA gewählt, und US-Präsident Joe Biden könnte seine Mehrheiten im Kongress verlieren, wenn die Wirtschaft allzu stark abkühlt. Die Ukraine hat aber nur eine Chance, sich gegen den russischen Angriff zu verteidigen, wenn die USA verlässlich Waffen liefern. Bisher war der Kongress sehr großzügig, aber das könnte sich nach den Wahlen ändern.

Es klingt wie eine harmlose Nachricht, dass die Leitzinsen in den USA auf 1,5 Prozent steigen sollen. Aber diese Entscheidung kann die ganze Welt verändern.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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8 Kommentare

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  • In einer Welt hoher Schulden sind steigende Zinsen Gift. Die nun bestehenden Staatsschulden müssen dann nach und nach durch neue Schulden mit deutlich höheren Zinsen refinanziert werden (roll-over). Das ist etwas, wovor viele Menschen in den letzten Jahren gewarnt haben, wenn gewisse Journalisten und Journalistinnen argumentierten: Die niedrigen Zinsen sollten wir nutzen, um uns zu verschulden. Die Geschichte zeigt aber, dass Niedrigzinsphasen zuvor existierten und diese nie ewig anhielten.



    Wenn jedoch die Zentralbanken nicht einschreiten und ihre Aufkaufprogramme stoppen (und ggf. die Zinsen erhöhen), setzen sich hohe Inflationserwartungen und damit hohe Inflationsraten durch... . Was ist Ihre Lösung, Frau Herrmann?

    • @Schildbürger:

      Artikel oder fast möchte man sagen: Berichte von Ulrike Hermann sind immer brauchbar. Sie schrieb auch "Der Sieg des Kapitals. Wie Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Kriesen. Ich las es zwar nicht, finde es aber passend zur Wirtschaftskrise, zur Inflation sowie zum Krieg zwischen Russland und der Ukraine (besser gesagt zwischen den Kriegsgegnern Putin und Selenski.) Der Drehpunkt um die Kriegs-Macht-Spirale und ohne "hätte doch" oder "wenn aber"; die Geschichte wiederholt sich als Burleske oder Tragödie: Fait votre jeu...... Fast leid tun mir Scholz und Habek,, sie sind keine Spieler und müssen das trotzdem. Die Tragödie ist das Geld. es gibt keine Lösung, denn wir leben davon

  • Die FED riskiert keine Krise - der Wirtschaftsboom in den USA ist derart stark, es kommt maximal zu einem leichten Rückgang auf ein Niveau das in Europa immer nicht sehr gut wäre. Wenn Arbeitnehmer in den USA heute den Job wechseln sind Gehaltssteigerungen von 30-50% drin. Es ist verrückt geworden.

  • In diesem Kontext könnte man die Milliardengewinne erwähnen, die sich für alle Mineralölkonzerne in den letzten Jahren ergeben haben.



    Enreignet und verteilt das Geld!



    Diese Wirtschaft ist ein Witz und der Artikel zahnlos.

    • @Orwell1984:

      Was können die Konzerne bei einem schwächelnden € noch mit der Kohle anfangen ? Genauso die Handelsriesen, die uns inzwischen komplett im Griff haben: Schnell noch einmal zulangen.... , besser wird es nicht mehr.

  • Jo, alles schön und gut, aber kommen wir einmal zu Lage in der Eu, wo die Schuldenmenge von der EZB verwaltet wird und es keinen Staat gibt, der nicht verschuldet ist. Auch in Deutschland die ganzen Notprogramme nach dem Motto: Ein bisschen geht vielleicht noch, aber dann müssen wir wieder sparen und auch das bei sinkender Kaufkraft und Inflation. In Europa knallt es regional noch heftiger und macht den € kaputt. Und ein kleines bisschen dürfen wir ja noch CO² emittieren, da haben wir ja einen verständvollen Industrieminister, der sogar bis in die Emirate fliegt, um den Unternehmen die benötigten Rohstoffe besorgt (solange sie da noch etwas mit anfangen können, weil wir ja noch öffentliche Mammutprojekte am Laufen haben, die 'wir' demnächst nicht mehr gebrauchen können) . Und Habeck bittet ja auch die Verbraucher, entsprechend GGas und Oil zu sparen, damit für das viel lukrativere Geschäft von EON, RWE mit der Industrie noch genügend Rohstoffe übrig bleiben bis zum Crash. Die Probleme der EZB sind ungleich dramatischer als die der Fed , der $ hat bessere Überlebenschancen.

    • @Dietmar Rauter:

      Hoch verschuldeten Staaten dürfte die Inflation doch eigentlich ganz gelegen kommen.



      Die Schuldenquote der USA beträgt übrigens rund rund 132% des BIP, die der EU-Staaten im Mittel 88%.

      • @Ingo Bernable:

        Naja, aber nur, wenn man Wohlstandsverlust akzeptiert. Prinzipiell ist Ihre Vermutung aber genauso zweifelhaft bis trivial, wie Frau Herrmanns Vorhersage, dass steigende Zinsen die Wirtschaft abwürgen. Die Geschichte finanzpolitischer Entscheidungen verlief noch nie in einem planbaren Flussbett, auch wenn uns das in einer Weise versichert wird, wie es unsere Modellierer während einer Pandemie taten (abgesehen vom sowieso Offensichtlichen glich es eher Horoskopen) . Ob Frau Lagarde, die weiterhin sträflich das Mandat der Zentralbank ignoriert, die Zukunft der EU orakeln lässt weiß ich nicht, aber Pandemie und Krieg als Grund für die "schädliche Fragmentierung" der EU zu benennen, ist höflich formuliert ein Märchen. Dass die Zinsen für italienische Staatsanleihen allein schon durch die bloß Ansage einer homöopathischen Erhöhung der Leitzinsen, in desaströse Höhen schießen lässt, zeigt wie schonungslos die politischen Fehler der letzten Jahrzehnte offengelegt werden. Aber nicht die Offenbarung ist das Problem.



        Apropos 88% Schuldenquote in Relation zum BIP in der EU: de.statista.com/st...toinlandsprodukts/