piwik no script img

Afghanisch kochenDie köstliche Auberginen-Achse

Seit die Taliban wieder über Afghanistan herrschen, sorgt sich Maschal um ihre Verwandten. Aus Solidarität mit ihnen kocht sie ein besonderes Gericht.

Zum Gemisch aus Aubergine, Minze, Koriander, Paprika und Joghurt wird Fladenbrot gereicht Foto: Doro Zinn

Das Gespräch sei „die einzige Brücke zwischen den Menschen“, schrieb der Philosoph Albert Camus. Meine gute Freundin Maschal lernte als Kind eine zweite kennen: „Die erste kulturelle Brücke, die ich zu meinen Verwandten hatte, war das Essen.“ Wir kennen uns aus der Schule, aus Darmstadt. Sind beide ganz in der Nähe aufgewachsen. Auch ihre Eltern lernten sich in der Stadt kennen. Heute steht Maschal mit einer Sonnenbrille auf dem Haar in ihrer Küche in Berlin-Pankow. Es ist ein sonniger Nachmittag. Behutsam legt sich die noch dünne Wärmedecke des Frühsommers über die Stadt. In Kabul, wo ihr Vater herkommt, wird es jetzt schon langsam Abend.

Ihre afghanischen Verwandten leben in England, Holland und den USA. Wenn Maschal sie als Kind besuchte, hat sie bei Unterhaltungen kaum etwas verstanden. Die afghanische Kultur habe sie vor allem über das Essen kennengelernt.

Maschal halbiert drei große Auberginen. Heute will sie selbst etwas Afghanisches kochen. Zum ersten Mal. Mit 31. Ich erinnere mich nicht daran, dass Maschal und ich überhaupt mal zusammen gekocht haben. „Ich hole mir meistens irgendwas von unterwegs“, sagt sie und lacht.

Doch es wird sich zeigen, dass das afghanische Essen auch bei Maschal in Berlin-Pankow mehr ist als irgendein Essen. Wieder eine Brücke: Ein Anlass für sie, um von ihrer Beziehung zu Afghanistan zu erzählen. Ein Land, in dem sie noch nie war. Aber wo sie gerne mal hin würde, das sei ein „life goal“.

Niemand soll mit knurrendem Magen warten

Auf einem kleinen Tisch vor dem Fenster stehen Schalen mit Mandeln, Rosinen, Maulbeeren, Pistazien, Granatapfelkernen und Wassermelone. „Ich dachte, dann kannst du wenigstens irgendetwas essen, wenn es gar nicht schmeckt“, sagt sie und lacht. Maschal lacht viel und laut. Die Vorspeisen seien typisch. „In der afghanischen Küche lässt man keinen hungrig warten, während man kocht.“

Sie verweist auf den schwarzen Tee in einer Kanne auf dem Tisch. Die ebenfalls typischen kleinen Gläser hat sie sich geliehen. „Von meinem Falafel-Laden unten.“ Wieder Lachen.

Bourani Banjan

Zutaten für 3–4 Personen:

3 Auberginen

2 Paprika

Öl zum Frittieren und Anbraten

300 g Joghurt

3 EL Tomatenmark

3 Knoblauchzehen (2 für die Tomaten, eine für den Jogurt)

2 TL trockene Minze

1-2 TL Koriander

1-2 TL Kurkuma

1 TL Cayenne-Pfeffer

1 TL Chilipulver

2 TL Paprikapulver

Chilischoten/Peperoni

1 Prise gelbes Currypulver

Salz und Pfeffer nach Belieben

Fladenbrot als Beilage

Als wir uns zum Kochen treffen, berichten die Medien darüber, dass Frauen in Afghanistan das Haus nur noch mit Burka verlassen dürfen. Ich frage Maschal, ob sie davon gehört hat. Hat sie. Kopfschütteln.

Ihre Verwandten wollen ein „freies Leben, ohne unterdrückt zu werden“, sagt Maschal. Ihr Vater ist 1982 aus Kabul geflohen, zusammen mit ihrer Tante, die heute in den USA lebt – „vor den Russen“. Während der sowjetischen Intervention zwischen 1979 und 1989 sind mehr als eine Million Menschen in Afghanistan ums Leben gekommen, je­de:r zweite hat das Land verlassen.

Eine andere Tante aus England habe das Gericht, das Maschal heute kocht, öfter zubereitet. Es heißt Bourani Banjan. Eigentlich wollte Maschal es nach ihrem Rezept kochen. Aber „die war busy“. Also hat sie sich an eine ihrer Cousinen gewandt, die ihr dann gleich eine ganze Reihe Rezepte für Auberginen schickte.

Noch lieber esse Maschal eigentlich Kabuli, ein typisches Kabuler Gericht. „Das ist mit Reis, Rosinen, Karotten, meistens macht man das mit Lamm.“ Es sei aufwändig. Ihr Vater habe gesagt, dass sie das auf keinen Fall hinbekäme. „Ich kann nicht mal Reis kochen.“ Maschal lacht. Also wieder zurück zu den Auberginen, die muss man, nachdem man sie quer halbiert hat, in Scheiben schneiden.

„Bei manchen Rezepten stand, dass man die Auberginen schälen soll“, sagt Maschal. „Ich kann das nicht. Wir haben keinen Linkshänderschäler.“ Die Sachen in der Küche kämen zu 90 Prozent von ihrer Mitbewohnerin.

Maschal sticht mit einer Gabel Löcher in die Auberginenscheiben. „Sieht bisschen grob aus“, sagt sie, erklärt: „Da muss Salz rein.“ Bei ihrer Tante gäbe es zu den Auberginen: Fladenbrot, kleine Nudelgerichte, Suppen, Eintöpfe. Bei ihr: Fladenbrot, zwei Sorten, „ein dickes und ein dünneres“.

In Pankow sitzen, nichts tun können

Ein Teil der Familie ist noch in Afghanistan. Maschal erzählt von entfernten Angehörigen, die in zivilgesellschaftlichen Organisationen gearbeitet haben, bevor die Taliban wieder die Macht übernahmen. „Die haben Angst, dass die Taliban ihnen etwas antun, kommen aber nicht raus.“ Sie haben versucht, Maschal zu erreichen. Wüssten, dass sie im politischen Bereich arbeite. „Ich habe die ganze Zeit überlegt, was ich machen kann.“

Maschal kippt Salz auf die Auberginen, lässt es einziehen. Anschließend legt sie sie in eine Schüssel mit Wasser. Schneidet Paprika in Scheiben, wäscht und viertelt große, grüne Chilis. „Das sind sehr milde Chilis, eigentlich macht man das mit schärferen.“ Die drei Tomaten schälen? Keine Lust. „Das ist optional“, sagt Maschal mit einem Augenzwinkern und viertelt auch die bloß.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Gerade beschäftige sie vor allem die Lage in der Ukraine. Die sei näher, präsenter. „Auch durch die Medien, da hörst du ja gerade kaum etwas aus Afghanistan.“ Maschal schneidet den Knoblauch klein, drei Zehen. „Eine davon kommt in den Joghurt.“

Man könne entweder Quark oder Joghurt nehmen. „Ich habe mich für Joghurt entschieden. Der ist ein bisschen cremiger.“ Maschal holt Minztee aus dem Schrank. „Eigentlich muss man trockene Minze nehmen. Aber ich habe in den fünf Läden, in denen ich war, keine gefunden.“ Sie macht einen Teebeutel kaputt, bröselt den Tee in den Joghurt. Geht auch. Dazu kommt der Knoblauch und Salz. Sie probiert: „Mhm.“ Der Teil ist schon mal gut geworden.

An ihre afghanischen Wurzeln wird Maschal im Alltag vor allem durch Diskriminierung erinnert. „In der Schule haben immer alle gesagt: Oh, Taliban!“, erzählt sie. Andere hätten sie wegen der schwarzen Haare für eine Iranerin gehalten und gesagt: „Dein Vater ist Terrorist.“ Das war kurz nach 9/11. Während Maschal erzählt, vergisst sie fast das Öl.

Es zischt, als Maschal die erste Auberginenscheibe aus dem Wasser fischt und in den Topf fallen lässt. „Mit dem Wasser und dem Öl musst du aufpassen, dass es keine Flamme gibt“, schreitet die Fotografin ein, die inzwischen eingetroffen ist. Sie rät, die Auberginen abzutupfen. Maschal bedankt sich, tupft die anderen Auberginenscheiben mit einer Küchenrolle ab. Alles gut gegangen. Nun kommt die Sonnenbrille zum Einsatz. Die schiebt Maschal sich gegen das spritzende Öl auf die Nase.

Das Öl blubbert, der Minztee erfrischt

Sie probiert eine Aubergine. „Ganz okay, ich hab’s mir schlimmer vorgestellt.“ Holt auch die letzten Scheiben aus dem Topf. Dann wirft sie die Paprika in das blubbernde Öl. Maschal stellt eine Pfanne auf den Herd, brät den übrigen Knoblauch an. „Und dann kommen die Tomaten.“ Außerdem: Tomatenmark. Stolz präsentiert sie ihre neu erworbenen Gewürze: Koriander, Kurkuma, Cayenne-Pfeffer, Curry, Paprika- und Chilipulver. Jetzt fehlt nur noch eine Prise Zucker. Sie nimmt die Zuckerwürfel, die auf dem Tisch neben der Teekanne stehen, zerkleinert sie. „Ich weiß nicht, wo hier sonst Zucker ist.“ Alles kommt in die Pfanne. Außerdem: wieder der Minztee.

Dann legt Maschal das Gemüse in die Tomatensoße. Sie probiert. Genug gewürzt. Maschal schichtet das Gemüse zusammen mit dem Joghurt auf eine weiße Porzellanplatte. Das Essen schmeckt für den ersten Versuch prima. Fast wie bei der Tante, sagt sie stolz. „Hast du den Herd ausgemacht?“, frage ich. Maschal schaut nochmal. Er ist aus.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Ein irgendwie typischer Sonntags-Brunch-Text. Bereits die Verschlagwortung sagt viel und nichts: Afghanistankrieg, Kochen, Genuss, Gemüse, vegetarisch, Familie

    Kein Tiefgang, keine Höhepunkte, kein "Nährwert".