: Geflüchteter im Hungerstreik
In Glückstadt protestiert ein Mann gegen seine Abschiebehaft
Von Esther Geißlinger
Hossein N.s Stimme klingt schwach. Es gehe ihm nicht gut, sagt der 52-Jährige am Telefon, der zurzeit in der Abschiebehaft in Glückstadt untergebracht ist. Seit Dienstag ist der Iraner mit kurdischen Wurzeln im Hungerstreik. Aus Solidarität mit N. und gegen die Abschiebehaft demonstrierten am Samstag rund 100 Menschen vor der Haftanstalt.
Vor Ort hat sich eine Besuchsgruppe gegründet, die sich auch um Hossein N. kümmert. „Wir machen das auch aus politischen Gründen“, sagt Miriam, die N. als „Person des Vertrauens“ rechtlich vertritt. „Denn viele Verfahren sind rechtswidrig.“ Die ehrenamtlichen Helfer*innen gehen auch gegen finanzielle Folgen der Abschiebehaft vor. Denn die Kosten werden den Einsitzenden aufgebürdet.
Bei Hossein N. steht die Sorge um die Gesundheit im Vordergrund. „Der Untergebrachte ist unter engmaschiger ärztlicher Kontrolle, er wird daneben auch psychologisch sowie seelsorgerisch betreut“, teilt das Landesamt für Zuwanderung und Flüchtlinge mit, unter dessen Aufsicht die Abschiebehaft steht. N. soll am 27. Mai nach Griechenland abgeschoben werden, wo er erstmals einen Asylantrag gestellt hatte.
Doch dorthin will N. nicht mehr zurück: „Entweder ich sterbe hier oder bei der Abschiebung.“ Seine Familie kämpfe seit 1979 gegen das islamische Chomeini-Regime, berichtet er. Er floh 1999 in die Türkei, 2003 nach Griechenland, wo er von der Grenzpolizei festgenommen wurde. Einen Asylantrag habe er anfangs nicht stellen dürfen, stattdessen sei er monatelang eingesperrt gewesen. „Ich habe Unbeschreibliches erlebt“, sagt er. Schließlich sei er – krank an Körper und Psyche – von der Polizei nach Athen gebracht worden. Erneut gab es Repression. Er floh über die Schweiz schließlich nach Deutschland. „Am Anfang war alles positiv.“ Er lernte Deutsch, war ehrenamtlich als Dolmetscher für Kirchengemeinden tätig.
Aber er erhielt kein dauerhaftes Bleiberecht, nur befristete Duldungen. „Ich will in Deutschland leben, arbeiten und Steuern zahlen“, sagt N. Mehrfach hatte er Arbeitsverträge in Aussicht, immer blockierte die Ausländerbehörde. Sie verlangte, dass er einen iranischen Pass vorlegte: „Unmöglich für mich als politisch Verfolgten“, sagt N. Aus Angst um die Familienmitglieder, die noch im Iran seien, könne er sich nicht bei der Botschaft melden. „Meine Familie wurde von dem Regime vernichtet, ich werde die nicht um einen Pass bitten.“
Am Morgen des 11. Mai wollte er sich auf den Weg zur Behörde machen, da stand die Polizei vor seiner Tür. N. habe sich der Abschiebung widersetzt und sei seiner „Pflicht zur Passbeschaffung nicht nachgekommen“, teilt die Ausländerbehörde mit. „Der Asylantrag wurde abgelehnt, der Rechtsweg ausgeschöpft.“
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