Tesla fliegt aus Nachhaltigkeitsindex: Musk-Konzern in der Kritik
Punktabzug für den Autobauer Tesla wegen schlechter Arbeitsbedingungen und mangelhafter CO2-Reduktion. Elon Musk versteht die Welt nicht mehr.
Am Mittwoch verkündete die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) in einem Blogpost, dass der einstige Branchenprimus Tesla trotz seines Ziels, den Übergang zu nachhaltiger Mobilität zu beschleunigen, aus dem Nachhaltigkeitsindex S&P 500 ESG, den fünfhundert größten als nachhaltig eingestuften Dow-Jones-Unternehmen gestrichen wurde. Elon Musk bezeichnete daraufhin die Anlagekategorie als Schwindel und warf dem Indexanbieter vor, seine Integrität verloren zu haben.
ESG steht für Environmental, Social und Governance. Der Index umfasst die fünfhundert wertvollsten Unternehmen, die in den Augen der Ratingagentur nachhaltig und sozial wirtschaften und eine gute Unternehmensführung haben. Die Ursache für das Ausscheiden Teslas ist ein zu niedriger ESG-Score im Vergleich zur Konkurrenz. Teslas Ergebnis rutschte ins untere Viertel der Kategorie Automobile und Autoteile. Der ESG-Score umfasst Hunderte Kriterien, an denen abgelesen werden kann, wie ein Unternehmen Umwelt, Mitarbeiter:innen und Aktionär:innen behandelt.
Klage gegen Tesla
Gründe für den Absturz gibt es laut S&P viele. Zum einen fehle eine Unternehmensstrategie zur Reduktion des eigenen CO2-Fußabdrucks. Zum anderen sieht sich Tesla mit Vorwürfen und Klagen wegen Diskriminierung und schlechter Arbeitsbedingungen im Werk in Fremont konfrontiert. Eine kalifornische Zivilrechtsorganisation verklagte Tesla wegen Hunderter Fälle von Rassismus, wonach Schwarzen Mitarbeiter:innen angeblich routinemäßig der Aufstieg im Unternehmen verwehrt wurde.
Hinzu kommt die mangelhafte Aufarbeitung teils tödlicher Unfälle des Fahrassistenten „Autopilot“. Während der ESG-Score von Tesla über die letzten Jahre trotzdem relativ stabil blieb, stieg der Durchschnittswert vergleichbarer Unternehmen, weshalb Tesla nach unten durchgereicht wurde.
Elon Musks Wut entzündete sich auch am Umstand, dass der Energiekonzern ExxonMobil unter den zehn bestbewerteten Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit rangiert, während Tesla es nicht einmal in den Index schaffte. „Was Musk nicht versteht, ist, dass Ratingagenturen nicht nur das Produkt bewerten, sondern auch die Unternehmensführung und Sozialverträglichkeit“, gibt Christian Klein, Professor für Finanzwirtschaft an der Uni Kassel, zu bedenken.
Kritik an ESG-Indizes
Prinzipiell sei die Kritik von Musk aber nachvollziehbar, so Klein: „Es gibt Tausende ESG-Fonds weltweit. Der Begriff Nachhaltigkeit ist jedoch nicht genau definiert, weswegen eine Bewertung immer im Auge der Ratingagentur liegt.“ Er plädiert deshalb für einheitliche Regeln und Verfahren, nach denen die Unternehmen bewertet werden. Aufgrund der Leitwirkung des S&P-Index sei es möglich, dass Tesla aus weiteren Listen gestrichen wird, meint Klein.
Kritik an ESG-Finanzprodukten gibt es schon länger. Immer wieder wird den Fonds Greenwashing vorgeworfen „Diese Vorwürfe sind durchaus berechtigt,“ sagt Gregor Weiß, Finanzwirtschaftler an der Uni Leipzig: „Die schlechte Messbarkeit der Nachhaltigkeit von Finanzprodukten trägt maßgeblich dazu bei, dass dort viel Greenwashing betrieben wird.“
Das Verbraucherportal Faire Fonds berichtete am Donnerstag, dass laut einer von ihnen durgeführten Studie nur 10 Prozent der untersuchten ESG-Fonds frei von Kontroversen seien. Insgesamt hat das Portal 1.081 vermeintlich nachhaltige Fonds untersucht. Davon hatten beispielsweise über 40 Prozent in Rüstungsunternehmen investiert.
Obwohl Tesla aus dem S&P-Nachhaltigkeitsindex geflogen ist, lässt sich seine Vorreiterrolle in der Branche kaum bestreiten. „Es war berechtigt, dass Tesla so lange in den ESG-Fonds geführt wurde und das bei Tausenden anderen Fonds auch noch wird. Immerhin hat das Unternehmen einen wichtigen Beitrag zur Popularität von Elektroautos geleistet“, findet Gregor Weiß. „Genauso berechtigt ist es aber auch, dass Tesla jetzt aufgrund von Kontroversen in der Unternehmensführung und bei den Arbeitsbedingungen gestrichen wurde.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“