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Zulassung der Abtreibungspille in JapanNur mit Einverständnis des Mannes

Frauenrechtlerinnen in Japan protestieren gegen geplante gesetzliche Regelungen, die mit der Einführung der Abtreibungspille einher gehen.

Frauenrechte sind Menschenrechte, Proteste am Frauentag 2022 in Tokio Foto: Kim Kyung-Hoon/reuters

Tokio taz | 23 Jahre später als Deutschland will nun auch Japan eine Abtreibungspille zulassen, doch mit einer hohen Hürde: Frauen brauchen die Zustimmung ihres Partners für die Verschreibung. Diese Einschränkung zeichnete sich bei einer Anhörung im Parlament ab. Laut Mutterschutzgesetz von 1948 benötigt eine Frau für eine chirurgische Abtreibung das Einverständnis von Ehemann oder Partner. Dieses Prinzip soll bei der oralen Medikation weiter gelten, sagte der hohe Gesundheitsbeamte Yasuhiro Hashimoto bei der Anhörung.

Der Gynäkologenverband unterstützt diese Position. Die Tandem-Medikation aus Mifepristone und Misoprostol des britischen Herstellers Linepharma wird voraussichtlich bis Dezember zugelassen.

Frauenrechtlerinnen, die seit Jahren für die Einführung dieser Pille kämpfen, raufen sich die Haare. Japan ist eins von nur elf Ländern, wo die Männer bei einer Abtreibung eine Art Vetorecht haben. Die Weltgesundheitsorganisation und das UN-Komitee für die Beseitigung der Diskriminierung von Frauen verlangen längst ein Ende dieser Praxis.

„Warum sollte eine Frau die Zustimmung ihres Partners brauchen? Es ist ihr Körper. Frauen sind nicht das Eigentum der Männer“, empörte sich Mizuho Fukushima, Abgeordnete und frühere Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei.

Zügige Zulassung nur bei Viagra

Kumi Tsukahara, Gründungsmitglied der Action for Safe Abortion Japan, kritisierte: „Eine Frau zu einer Schwangerschaft zwingen, die sie nicht will, ist Gewalt und eine Form von Folter.“

Ein weiterer Streitpunkt sind die voraussichtlichen hohen Kosten der Pille von umgerechnet 730 Euro sowie für einen womöglich vorgeschriebenen Aufenthalt im Krankenhaus. „Empfängnisverhütung und Abtreibungen muss der Staat bezahlen“, verlangte die Sozialwissenschaftlerin Chiaki Shirai von der Universität Shizuoka.

Bereits das jetzige Gesetz belastet Frauen enorm. Im vergangenen Jahr setzte eine 21-Jährige ihr Neugeborenes in einem Park aus und erhielt dafür eine Gefängnisstrafe auf Bewährung. Ihr Partner war verschwunden, sodass sie seine Unterschrift nicht bekommen konnte, erklärte sie vor Gericht. Daher musste sie das Kind gegen ihren Willen austragen.

Laut japanischen Magazinberichten verweigerten einige Ärzte sogar vergewaltigten Frauen eine Abtreibung, obwohl das Gesetz in diesem Fall kein Einverständnis des beteiligten Mannes vorsieht.

Die konservative Regierungspartei LDP, die Japan fast die gesamte Nachkriegszeit führt, wird von alten Männern dominiert, die für patriarchalische Werte eintreten. Von den 263 LDP-Abgeordneten im Unterhaus sind nur 20 weiblich, das Durchschnittsalter der LDP-Fraktion beträgt 57 Jahre.

Die Zulassung der Antibabypille dauerte in Japan 34 Jahre und erfolgte erst 1999. Die „Pille danach“ ist in Japan verschreibungspflichtig, nur bei wenigen Ärzten zu bekommen und kostet bis zu 150 Euro. Dagegen haben die Behörden die blaue Erektionspille Viagra bereits Anfang 1999 nach nur sechs Monaten zugelassen.

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1 Kommentar

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  • A) „Warum sollte eine Frau die Zustimmung ihres Partners brauchen? Es ist ihr Körper. Frauen sind nicht das Eigentum der Männer“, empörte sich Mizuho Fukushima, Abgeordnete und frühere Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei."



    B) "Im vergangenen Jahr setzte eine 21-Jährige ihr Neugeborenes in einem Park aus und erhielt dafür eine Gefängnisstrafe auf Bewährung. Ihr Partner war verschwunden, sodass sie seine Unterschrift nicht bekommen konnte, erklärte sie vor Gericht. Daher musste sie das Kind gegen ihren Willen austragen."

    In Bezug auf A) kann man durchaus argumentieren, dass auch ein potenzieller Vater bzw. Erzeuger Mitspracherecht haben sollte, wenn ein Kind gezeugt wurde, denn dazu gehören eben zwei Leute. Das kann man durchaus als Form von Gleichberechtigung lesen. Dass eine Frau das Kind austragen muss, lässt sich nicht ändern, die Beteiligung an der Zeugung kann man aber nicht einfach beiseite wischen. Dies reproduziert eben eine grundlegende, biologistische Asymmetrie zwischen den Partnern. Wenn man auf Gleichheit aus ist, wäre das ein Problem.



    In Bezug auf B) muss natürlich klar sein, dass, wenn es keinen angebbaren Erzeuger gibt, es sich um eine einmalige Sache ohne Verhütung, Vergewaltigung etc. handelt, diese Unterschrift auch nicht notwendig sein muss. Auch hier entsteht allerdings die Frage, wie mit solchen Fällen umzugehen sei, die einerseits das Selbstbestimmungsrecht von Frauen achten, andererseits aber auch Mitspracherechte von Erzeugern achten wollen.

    Es ist die notwendige Bedingung der Verbindung von zwei Personen und deren Verhältnis zueinander, welches entsprechend herausfordernde Fragen aufwirft. Sich nur auf ein körperliches Selbstbestimmungsrecht allein zu berufen, greift hier insgesamt zu kurz und wird der Komplexität - gerade in feministischer Perspektive - mMn. nicht gerecht.