WAS MACHT EIGENTLICH ... der Senat?: Deutschland ein Klo schenken
Ein gutes Jahrfünft nach der Eröffnung des Reichstagsgebäudes und angesichts der Massen, die immer noch täglich hinauf in die gläserne Foster-Kuppel strömen, hat sich der Senat ihrer erbarmt und macht ihnen ein richtig praktisches Geschenk: einen 600 Quadratmeter großen Pavillon aus Naturstein und Glas, der einen Bundestagsshop, Gastronomie und öffentliche Toiletten vereint.
Dass sich die Reisebusbesatzungen aus Cloppenburg, Völklingen oder Pirna hier mit Bundesbuddybären und Grundgesetz-Sonderdrucken proviantieren können – geschenkt. Dass sich dieselbe Klientel vor dem langen Anstehen bei „Le Buffet“ etwas Reelles aufs Tablett laden kann und nicht oben bei Feinkost-Käfer „Berliner Luft mit Himbeersoße im Weckglas serviert“ für 8,50 Euro verzehren muss – je nun. Die wahre Heldentat, das sind die neuen Besuchertoiletten: Noch muss der gemeine Schlangensteher sein Wasser in geruchsintensiven Dixi-Klos, hinter Büschen oder gar am Fuße der Nationalflagge abschlagen. Nur Wenigtrinker schaffen es an touristenreichen Tagen, ohne nervöses Hüpfen durchzuhalten – was nebenbei beweist, dass es sich bei dem Zusammenhang von Andrang und Harndrang um einen nicht nur sprachlichen handelt.
Der Zuschlag für Bau und Unterhalt des Pavillons ging mit der „Bundestag-Shop Service- und Betriebs GmbH“ an einen privaten Investor – was hoffen lässt, dass der angestrebte, WM-kompatible Eröffnungstermin (1. Mai 2006) eingehalten wird. Dass das „Projekt Reichstagsklo“ ohne öffentliche Zuschüsse auskommt, wäre dagegen noch zu beweisen. Aber Geld stinkt ja bekanntlich nicht. CLP FOTO: AP
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