Presse in Kolumbien: Wiege indigener Berichterstattung
Diana Jembuel steht für den medialen Aufbruch in Cauca. Dort fördern Journalist:innen Kolumbiens Nachwuchs im eigenen Radio-Netzwerk.
Jembuel trägt den charakteristischen Hut, den himmelblauen Umhang mit dem roten Rand und den schwarzen bestickten Rock der Misak, einer von zehn indigenen Bevölkerungsgruppen im Verwaltungsbezirk Cauca. Der liegt unterhalb der Millionenmetropole Cali, rund ein Drittel der Bevölkerung ist indigener Herkunft und die Misak gehören mit rund 28.000 Menschen zu den kleineren indigenen Bevölkerungsgruppen. In der Region rund im die Provinzstadt Silvia sind sie angesiedelt und dort befindet sich auch die Radiostation, wo Diana Jembuel ihre erste journalistischen Erfahrungen gemacht hat: Namuy Wam Estéreo.
„Meine Mutter und meine Großmutter haben dafür gesorgt, dass ich und meine jüngere Schwester hier reinschnuppern konnten. Für mich war das die Initialzündung“, erinnert sich Jembuel. In Gambiano, ihrer eigenen Sprache, auf Sendung zu gehen, die Leute in der Region aus der eigenen soziokulturellen Perspektive zu informieren, das fesselt sie bis heute. Nicht nicht nur Diana Jembuel weiß, welche zentrale Rolle Radio, Fernsehen und zunehmend soziale Medien für den Erhalt der eigenen Identität spielen können. Auch diejenigen, die entscheiden, sind sich dessen bewusst. Sie haben in Technik, Ausbildung und den Aufbau zusätzlicher Studios investiert.
„2010, als hier im Cauca der 1. Kontinentale Gipfel der Indigenen Kommunikation stattfand, war ein Wendepunkt. Da haben unsere Repräsentanten begriffen, wie wichtig eigene Radio- und Fernsehstationen, Homepages und Pressestellen sind, um uns und unsere Geschichte sichtbar zu machen“, meint Jembuel, die selbst bei der Konferenz dabei war. Sie leitete damals mit gerade 25 Jahren sowohl die Radiostation als auch die Kommunikation der Misak nach außen. Da hatte sie längst begonnen, zu netzwerken und sich fortzubilden.
Damoklesschwert der Gewalt
Jembuel hat Kurse belegt in Popayán, der Hauptstadt des Cauca. Dort befindet sich die Zentrale des CRIC, des Rates der indigenen Völker des Cauca, der seit 2010 Kommunikationskurse anbietet, teilweise in Kooperation mit der Deutschen Welle. „Wir haben uns internationale Unterstützung gesucht, weil wir eigene mediale Strukturen aufbauen wollen und von der kolumbianischen Regierung nichts zu erwarten haben“, sagt Jembuel wenig diplomatisch.
Die Zahlen geben ihr recht. Allein zwischen Januar und Ende März 2022 hat es laut dem CRIC 15 Morde an indigenen Anführer:innen gegeben. Auch die indigenen Berichterstatter:innen arbeiten unter dem Damoklesschwert der Gewalt. Laut der kolumbianischen Stiftung für die Pressefreiheit (FLIP) starben drei Journalist:innen indigener Herkunft zwischen 2017 und 2020 im Cauca. Auf der Rangliste der Pressefreiheit 2022 von Reporter ohne Grenzen kommt Kolumbien gerade mal auf Platz 145 von 180.
Es fehlen Sicherheitsgarantien, monieren Berichterstatter:innen wie Jembuel oder Eldemir Dagua, der gemeinsam mit seiner Kollegin Dora Muñoz das hypermoderne Radiostudio des ACIN in Santander de Quilichao aufgebaut hat. Im ACIN sind die 22 autonomen Gebiete der indigenen Bevölkerungsgruppen der Nasa organisiert. Sie unterhalten vier Radiostationen. Pionierin dahinter ist Dora Muñoz, die genauso wie Diana Jembuel Journalismus studiert hat und danach in ihre Herkunftsregion zurückging, um Strukturen aufzubauen. Erfolgreich. Daher folgt Diana Jembuel, die als indigene Medienanalystin für mehrere Universitäten arbeitet und 2020 als beste indigene Journalistin ausgezeichnet wurde, ihrem Beispiel.
Der enorm hohe Frauenanteil beim medialen Aufbruch im Cauca ist auffällig. Diana Jembuel führt ihn darauf zurück, dass die patriarchalen Strukturen nicht nur bei den Misak, sondern bei vielen der 115 indigenen Bevölkerungsgruppen Kolumbiens schon aufgebrochen wurden. Für sie muss dieser Prozess aber noch weitergehen.
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