Special Olympics Landesspiele in Kiel: Konzentration und Feingefühl
In Kiel haben die Landesspiele von Special Olympics Schleswig-Holstein stattgefunden. Die taz war mit der Golferin Stefanie Lutz unterwegs.
Zügig legt sie den Golfball vor sich zurecht und platziert sich seitlich zur Schlagrichtung. Lutz ist Teilnehmerin der diesjährigen Landesspiele von Special Olympics Schleswig-Holstein in Kiel, einem Sportturnier für Menschen mit geistiger Behinderung.
Mit den Händen umfasst Lutz den Schläger. Ihr Blick ruht auf dem Ball. Sie dreht ihren rechten Fuß leicht nach außen, hebt ihre Ferse an und schlägt. „Der war jetzt gar nichts“, schimpft sie. Zwei Probeschläge hat sie, bevor die nächsten fünf bewertet werden. Mit dem Ergebnis ihrer Weitschläge ist sie dann aber zufrieden.
Die Athletin aus Bad Schwartau nimmt seit 2010 an den Special Olympics-Wettkämpfen teil. Begonnen hat sie mit Schwimmen, um anschließend zum Roller Skaten zu wechseln. Damit war sie 2019 bei den Special Olympics Weltspielen in Abu Dhabi dabei. Erst vor einem Jahr entdeckte die 41-Jährige ihre Leidenschaft fürs Golfen. „Ich dachte immer, Golfen ist nichts für mich und dann habe ich es einfach mal ausprobiert“, sagt sie. Nun ist sie fast jedes Wochenende zusammen mit ihren Eltern auf einem Golfplatz zu finden. Seit März trainiert sie zudem einmal wöchentlich in der ersten inklusiven Golfgruppe Deutschlands, nördlich von Bad Schwartau.
Die Landesspiele sollten bereits im letzten Jahr stattfinden. Pandemiebedingt wurden sie jedoch verschoben und die ursprünglich vier geplanten Tage auf zwei reduziert – zum Schutz der Teilnehmenden. Die einzige Ausnahme galt für das Golfen, das bereits am Donnerstag startete.
Mehr als 200 Sportler:innen traten am vergangenen Wochenende im Basketball, Tischtennis, Schwimmen, Leichtathletik, Boccia und im Golfen an. Mit dem traditionellen Fackellauf am Freitag startete die Veranstaltung offiziell. Fünf Athlet:innen, darunter auch Lutz, liefen mit der Fackel durch die Kieler Innenstadt bis vors Rathaus und übergaben sie dort an die Ausrichterstadt.
In diesem Jahr seien alle – egal ob Sportler:innen oder Organisator:innen – wegen der Pause doppelt aufgeregt, sagt Joachim Lehmann, Präsident von Special Olympics Schleswig-Holstein. Lange hätten die Sportler:innen nicht trainieren können, da die Einrichtungen in denen sie arbeiteten oder wohnten strenge Coronaauflagen hatten. So konnten sich auch deutlich weniger Menschen anmelden.
Der Vorstand habe sich daher dafür entschieden, dass bei den diesjährigen Spielen alle Teilnehmenden automatisch für die nationalen Spiele qualifiziert seien, sagt Lehmann. Diese finden in drei Wochen in Berlin statt. „Wichtig ist nur, dass sie in diesem Jahr endlich wieder zusammen Sport machen können“, sagt Lehmann.
In einer Randsportart wie dem Golf ist es nicht einfach, genügend Teilnehmende mit geistiger Behinderung für ein Turnier zu gewinnen. Zu diesen Landesspielen sind daher 22 Athlet:innen aus ganz Deutschland angereist. Seit neun Uhr spielen sie sich für den Geschicklichkeitswettbewerb ein. Darin müssen die Athlet:innen an sechs Stationen Punkte sammeln. Sie haben immer fünf Schläge, um im besten Fall das Loch zu treffen. Dafür gibt es vier Punkte. Um das Loch herum sind jeweils zwei Kreise gezogen. Landet der Ball im Inneren des kleineren Kreises, gibt es drei Punkte. Für den äußeren Kreis zwei Punkte und für jeden getroffenen Ball einen.
Alle kennen sich
Bevor es losgeht, stärken sich die Athlet:innen und Helfer:innen im Restaurant des Golfclubs. Kein einziger Stuhl ist mehr frei. Es ist warm und die Teilnehmenden unterhalten sich miteinander – alle sind per du. „Wir sind wie eine große Familie“, sagt Dieter Lutz. Er ist Vizepräsident von Special Olympics Schleswig-Holstein, Initiator der inklusiven Golfgruppe und „zufällig“ Stefanies Vater.
Als das Essen serviert wird, bleibt nur noch eine halbe Stunde bis zum Start. Stefanie Lutz spießt die letzte Nudel auf, trinkt ihre Cola aus und geht eiligen Schrittes nach draußen. Den Weg zu den Stationen gibt sie vor. Ihren „Bag“ mit den verschiedenen Schlägern zieht sie hinter sich her.
An der letzten Station, dem „short putt“, einem Loch, das zwei Meter von der Grundlinie entfernt liegt, sind Konzentration und Feingefühl gefragt. Lutz’ Unterstützer:innen stehen im Halbkreis hinter ihr. Einen Versuch hat sie noch. Sachte stößt sie den Ball an – und trifft.
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