piwik no script img

Reformbewegungen bei den KatholikenLasst Frauen sprechen von der Kanzel

Wird Deutschlands katholische Kirche nun von synodaler Aufbruchstimmung ergriffen? Die Beharrungskräfte sind groß, doch der Druck der Basis steigt.

Pink und laut: Aktivistinnen von Maria 2.0 protestieren in Köln gegen einen problematischen Mann: Erzbischof Woelki Foto: Christoph Hardt/picture alliance

Berlin taz | „Frauen an die Macht – Männer in die zweite Reihe“, „Frauen in Leitung in Kirche“, „Macht.Frau.Religion“, „Die Päpstin“. Und: „Lebensort Regenbogenfamilie“, „‚OutInChurch‘ – Für eine Kirche ohne Angst“, „Jesus liebt Trans“: So lesen sich die Titel einiger Diskussionen und Veranstaltungen beim Katholikentag in Stuttgart 2022. Moment mal: Frauen an die Macht und Kirche ohne Angst? Was ist da los bei den Katholiken?

In der katholischen Kirche tut sich etwas, eben ausweislich des Programms des 102. Katholikentags vom 25. bis 29. Mai 2022. Zwar sehr viel weniger und sehr viel langsamer, als sich das Re­form­ka­tho­li­k:in­nen wünschen. Aber im 21. Jahrhundert soll die Kirche nicht mehr so erstarrt, so männerlastig, so ausgrenzend bleiben wie bisher.

Erst recht nicht, wenn sich um sie herum die Welt verändert und die Gesellschaft nach mehr Gleichstellung ruft: Frauen in Führungspositionen, Väter an die Wickeltische, gleiche Bezahlung für gleiche Jobs, Anerkennung von queeren Personen, gleiche Rechte für Familien, die nicht aus Vater, Mutter, Kind(ern) bestehen.

Allein 2020 über 200.000 Austritte

Nun könnten der katholischen Kirche die Forderungen der Gesellschaft weitgehend egal sein, schließlich hat die Institution ihren eigenen Kosmos mit eigenen Regeln und eigenem Tempo, erwachsen aus über 2000-jähriger Geschichte. Aber wenn immer mehr Gläubige die Kirche verlassen – allein 2020 über 221.000 Menschen – und das mit verkarsteten Strukturen, Menschenverachtung und Ausgrenzung Andersseiender begründen, bleibt der Kirche wohl nichts anderes übrig, als sich zu bewegen.

Den Anstoß zur Veränderung gab 2010 ein Skandal, der die katholische Kirche seitdem nicht mehr loslässt: Tausendfache sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen in der Obhut katholischer Einrichtungen wurde ruchbar, öffentlich und endlich Thema.

Seit Pater Klaus Mertes (siehe unser Interview hier), damals Rektor des Berliner Canisius-Kollegs, die Missbrauchsfälle an seiner Schule öffentlich gemacht hatte und damit den Stein zur Veränderung ins Rollen brachte, ist die Kirche nicht nur in der Pflicht, die Fälle aufzuarbeiten, sondern auch, sich so zu verändern, dass Machtmissbrauch in der Kirche keine Chance mehr hat.

An dieser Stelle kommt die Kirche jedoch an den Frauen nicht vorbei. Es sind vor allem Frauen, die den kirchlichen Modernisierungsprozess ankurbeln, kirchliche Strukturen leben mehrheitlich von weiblichen Mitarbeiterinnen und ehrenamtlichen Kräften: in Kitas, Gemeinden, Beratungsstellen, karitativen Einrichtungen. Die Kirche ist einer der größten Arbeitgeber des Landes. Allerdings sind Frauen vor allem an der Basis beschäftigt und tätig, also jenseits der institutionellen Macht. Genau das dulden Frauen nicht länger, sie wollen Einfluss und Entscheidungsteilhabe.

Gegensatz zur dienenden und schweigenden Frau

Es war eine Frage der Zeit, bis sich eine Initiative wie Maria 2.0 gründete. Vor genau drei Jahren gingen mit einer Aktionswoche in Münster Katholikinnen auf die Straße und forderten, sexualisierte Gewalt aufzuarbeiten, Frauen ins Priesteramt zu berufen, homosexuelle Lebensentwürfe anzuerkennen. 2.0 ist der Gegensatz zu Maria 1.0 als Idealbild der dienenden und schweigenden Frau und steht für Neuanfang: Alles auf null stellen! So zumindest formulierte es Lisa Kotter, die Initiatorin von Maria 2.0.

Vor einem Jahr haben 150 Katholikinnen ihren Wunsch, Priesterin zu werden, in einem Buch festgehalten, Überschrift: „Schweigen war gestern: Maria 2.0 – Der Aufstand der Frauen in der katholischen Kirche“. Ein lebendiges Plädoyer für einen Aufbruch.

Die Frauen drängen darauf, dass das Priesteramt sich endlich für Frauen öffnen möge, eine schreibt sogar dem Papst. Das unterstützen einige Männer, darunter Johannes Eckert, Benediktinerabt von Sankt Bonifaz in München. Im Deutschlandfunk plädierte er im vorigen Sommer klar für die Priesterweihe von Frauen, diese sei „absolut wünschenswert“. Und wann kommt die? Eckert sagt: „Vielleicht in näherer Zeit.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Ich denke, das "Sprechen von der Kanzel" ist nicht das Problem, sondern das Zelebrieren am Altar. Abgesehen davon, dass in der römisch-katholischen Kirche seit den Liturgiereformen des 20. Jahrhunderts nur noch selten von der Kanzel, sondern meist eher vom Ambo gepredigt wird, ist die maßgebliche Hürde die Öffnung sakramentaler Tätigkeiten, z.B. die Konsekration des Abendmahls (wozu für die römischen Katholiken nach deren Transsubstantiationslehre auch ein Wandlungs-Ritual gehört). So etwas sind Tätigkeiten, die Priestern vorbehalten sind. Das Predigen an sich dagegen ist kein Sakrament, sondern eine Lehrtätigkeit, weshalb es mich wundern würde, wenn das nicht bereits hier und da von mitunter weiblichen Hilfskräften aus dem Laien-Stand, z.B. Pastoralreferentinnen, übernommen würde.

    Priesterinnen zu fordern, heißt somit nicht, einfach nur ein "Rederecht" oder ein "Predigtrecht" für Frauen zu öffnen, sondern zentrale liturgische Tätigkeiten. Das ist es, worum liberale Kräfte in der römisch-katholischen Kirche kämpfen.

    Der wesentliche Grund, warum das schwierig ist, ist die Organisationsstruktur. Man hat eine zusammenhängende, weltweite Organisation, deren Zentrum in Rom irgendwie versuchen muss, den Laden zusammen zu halten. Wenn liberale Kräfte in Mitteleuropa viel Gewicht haben, heißt das nicht, dass sie auf der Ganzen Welt viel Gewicht hätten. Und wenn man dann eine Spaltung vermeiden will, dann ist man vielleicht nicht gleich Feuer und Flamme, wenn es um Reformen geht, unabhängig davon, ob man sie prinzipiell gut oder schlecht findet.

    In der Evangelischen Kirche hat man's da viel leichter. Da gibt's zwar überregionale Dachverbände, innerhalb welcher die regionalen Landeskirchen aber weitgehend autonom agieren können. Da lassen sich Reformen vor Ort leichter durchführen als bei den Katholiken, die erstmal um einen weltweiten Konsens streiten müssen.

  • Für mich ist das so, also ob Menschen etwas sanftere Foltermethoden fordern.



    Das ganze System Kirche ist falsch.



    Solange auch nur der Verdacht besteht, dass Priester sich an Kinder vergehen, muss man diese Einrichtung schließen. Diesen massenhaften Missbrauch darf man nicht ignorieren. Was sind das für Eltern, die ihre Kinder als Ministranten zu diesen Typen schicken?

    • @cuba libre:

      Wollen Sie auch Familien verbieten, weil es darin manchmal Missbrauch gibt? Wollen Sie auch Sportvereine verbieten, weil es darin manchmal Missbrauch gibt? Wollen Sie die Film-Industrie dichtmachen, nachdem Täter wie Roman Polański und Harvey Weinstein aufgeflogen sind?

      Missbrauch gibt in jedem Milieu, aber es ist keine Lösung, pauschal das gesamte Umfeld zu verfolgen. Sondern speziell die Täter und diejenigen, die sie decken, sollten von der Polizei angegangen werden. Hass und Maßnahmen speziell gegen Täter sind berechtigt, gegen ganze Religionsgemeinschaften nicht.

      Was das für Eltern sind, "die ihre Kinder als Ministranten zu diesen Typen schicken"? In vielen Fällen dürfte es sich um Eltern handeln, die selbst als Kinder Ministranten waren und die mit dem ganzen "System Kirche" gute Erfahrungen gemacht haben.

      Stellen Sie sich vor, es gibt nämlich auch massenhaft Priester, die keine Kinder missbrauchen. Und es gibt massenhaft Leute, die sich in der Kirche wohlfühlen. Es gibt massenhaft Leute, die beim Stichwort "Kirche" nicht als erstes an Verbrecher denken, sondern an die großen Erzählungen der Bibel, an die Liturgie, an das Miteinander. Auch wenn das nicht in Ihr kirchenfeindliches Weltbild passt.

      "Das ganze System Kirche" ist glücklicherweise von unserer Verfassung geschützt, Stichwort Religionsfreiheit. Und ebendiese Verfassung räumt uns auch ein Recht auf Widerstand ein "Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen [...] wenn andere Abhilfe nicht möglich ist."

  • Frauen in Kirchenämter? Ich würde sagen: lieber raus aus der Kirche und den Homo- und Frauenfeinden die direkte finanzielle Unterstützung entziehen. Haben Sie Mut sich Ihres eigenen Verstandes zu bedienen! Haben Sie Mut zu Apostasie! Arrr! Warum sich auch mit patriarchalen Strukturen herumplagen? Warum nicht morgen lieber - auch als feministische Gruppe - Monsters Himmelfall feiern? ;-)

  • Reform der Kirche mit Hilfe des Synodalen Weges? Bischoff Bätzing scheute sich im Rahmen des Synodalen Weges klar Stellung gegen den umstrittenen Bischoff Woelki zu beziehen, der in einen Missbrauchsskandal verwickelt ist. Denn: Als der Journalist Lassiwe Bätzing auf der Pressekonferenz zum Synodalen Weg fragte „Halten Sie es für wünschenswert, dass Bischof Wölki seine Arbeit am Aschermittwoch wieder aufnimmt ?...“ wich Bätzing einer klaren Stellungnahme aus und sagte: „Die erste Frage ist nicht Teil des Synodalen Wegs.“



    Warum war es so schwer für Bätzing, sofort klar Stellung gegen Woelki und für die Opfer von Missbrauch in der Kirche zu beziehen und den Synodalen Weg halbwegs ernst zu nehmen?



    Bätzing weiß, dass nicht seine Position, sondern die Position des Papstes bei dieser Frage zählt. Auch wenn Bätzing mittlerweile indirekt auf die Entlassung von Woelki durch den Papst drängt, hat er sich mit seinem Ausweichen zu einer klaren Stellungnahme zum Rücktritt von Woelki keinen Gefallen getan. Er verrät damit die Missbrauchsopfer zugunsten einer Frage von Macht durch den Papst.

    150 reformwillige deutsche Frauen sind ein Tropfen auf dem heißen Stein und wohlmöglich kirchliche Folklore aus Sicht einer globalen, verkrusteten und hyperkonservativen von Männern beherrschten uralten Institution.

    Warum sollte sich die katholische Kirche in Punkto Frauen demokratisch bewegen, gewinnt sie doch global mit ihrem Ausschluss von Frauen an Mitgliedern?

    Maria 2.0 sollte wie Luther darüber nachdenken, sofort eine neue deutsche katholische Kirche zu gründen, die den Hundertausenden, die die deutsche katholische Kirche bereits verließen, eine neue Heimat geben könnte.

    Denn die Hoffnung, dass Bischoff Bätzing Frauen als Priesterinnen weiht und sich damit offen gegen die Kirche in Rom stellt, ist vergebens.

    www.youtube.com/watch?v=YYA4k_YJvVM

    www.synodalerweg.de/video

  • Wird nicht besser, wenn Frauen predigen. Der Fehler liegt in der Religion, in jeder Religion.



    Aber - Frauen nicht Quatsch predigen lassen ist ein Verbrechen.

  • Richtig muss es heissen: "Lasst Frauen von der Kanzel sprechen." Das Verb kommt ans Ende! Wenn es mit der Grammatik stimmt, wird es vielleicht auch etwas.