Reformbewegungen bei den Katholiken: Lasst Frauen sprechen von der Kanzel
Wird Deutschlands katholische Kirche nun von synodaler Aufbruchstimmung ergriffen? Die Beharrungskräfte sind groß, doch der Druck der Basis steigt.
In der katholischen Kirche tut sich etwas, eben ausweislich des Programms des 102. Katholikentags vom 25. bis 29. Mai 2022. Zwar sehr viel weniger und sehr viel langsamer, als sich das Reformkatholik:innen wünschen. Aber im 21. Jahrhundert soll die Kirche nicht mehr so erstarrt, so männerlastig, so ausgrenzend bleiben wie bisher.
Erst recht nicht, wenn sich um sie herum die Welt verändert und die Gesellschaft nach mehr Gleichstellung ruft: Frauen in Führungspositionen, Väter an die Wickeltische, gleiche Bezahlung für gleiche Jobs, Anerkennung von queeren Personen, gleiche Rechte für Familien, die nicht aus Vater, Mutter, Kind(ern) bestehen.
Allein 2020 über 200.000 Austritte
Nun könnten der katholischen Kirche die Forderungen der Gesellschaft weitgehend egal sein, schließlich hat die Institution ihren eigenen Kosmos mit eigenen Regeln und eigenem Tempo, erwachsen aus über 2000-jähriger Geschichte. Aber wenn immer mehr Gläubige die Kirche verlassen – allein 2020 über 221.000 Menschen – und das mit verkarsteten Strukturen, Menschenverachtung und Ausgrenzung Andersseiender begründen, bleibt der Kirche wohl nichts anderes übrig, als sich zu bewegen.
Den Anstoß zur Veränderung gab 2010 ein Skandal, der die katholische Kirche seitdem nicht mehr loslässt: Tausendfache sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen in der Obhut katholischer Einrichtungen wurde ruchbar, öffentlich und endlich Thema.
Seit Pater Klaus Mertes (siehe unser Interview hier), damals Rektor des Berliner Canisius-Kollegs, die Missbrauchsfälle an seiner Schule öffentlich gemacht hatte und damit den Stein zur Veränderung ins Rollen brachte, ist die Kirche nicht nur in der Pflicht, die Fälle aufzuarbeiten, sondern auch, sich so zu verändern, dass Machtmissbrauch in der Kirche keine Chance mehr hat.
An dieser Stelle kommt die Kirche jedoch an den Frauen nicht vorbei. Es sind vor allem Frauen, die den kirchlichen Modernisierungsprozess ankurbeln, kirchliche Strukturen leben mehrheitlich von weiblichen Mitarbeiterinnen und ehrenamtlichen Kräften: in Kitas, Gemeinden, Beratungsstellen, karitativen Einrichtungen. Die Kirche ist einer der größten Arbeitgeber des Landes. Allerdings sind Frauen vor allem an der Basis beschäftigt und tätig, also jenseits der institutionellen Macht. Genau das dulden Frauen nicht länger, sie wollen Einfluss und Entscheidungsteilhabe.
Gegensatz zur dienenden und schweigenden Frau
Es war eine Frage der Zeit, bis sich eine Initiative wie Maria 2.0 gründete. Vor genau drei Jahren gingen mit einer Aktionswoche in Münster Katholikinnen auf die Straße und forderten, sexualisierte Gewalt aufzuarbeiten, Frauen ins Priesteramt zu berufen, homosexuelle Lebensentwürfe anzuerkennen. 2.0 ist der Gegensatz zu Maria 1.0 als Idealbild der dienenden und schweigenden Frau und steht für Neuanfang: Alles auf null stellen! So zumindest formulierte es Lisa Kotter, die Initiatorin von Maria 2.0.
Vor einem Jahr haben 150 Katholikinnen ihren Wunsch, Priesterin zu werden, in einem Buch festgehalten, Überschrift: „Schweigen war gestern: Maria 2.0 – Der Aufstand der Frauen in der katholischen Kirche“. Ein lebendiges Plädoyer für einen Aufbruch.
Die Frauen drängen darauf, dass das Priesteramt sich endlich für Frauen öffnen möge, eine schreibt sogar dem Papst. Das unterstützen einige Männer, darunter Johannes Eckert, Benediktinerabt von Sankt Bonifaz in München. Im Deutschlandfunk plädierte er im vorigen Sommer klar für die Priesterweihe von Frauen, diese sei „absolut wünschenswert“. Und wann kommt die? Eckert sagt: „Vielleicht in näherer Zeit.“
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