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Leipzig gewinnt den DFB-PokalZwischenziel abgehakt

Erst im Elfmeterschießen holt sich RB Leipzig gegen den SC Freiburg den DFB-Pokal. Beim Konzernklub bewirkt das Anspannung ob der künftigen Ziele.

Leipziger Ausgelassenheit: RB-Trainer Domenico Tedesco und Sportdirektor Oliver Mitzlaff Foto: imago/Sportfoto Rudel

Berlin taz | Gerade als die Leipziger dabei waren, das lang ersehnte Gefühl der Leichtigkeit auszukosten, kam die jähe Ernüchterung. Willi Orban hatte nach dem gewonnen Elftmeterschießen im Freudentaumel seinen fliegengewichtigen Trainer Domenico Tedesco noch in die Höhe gehoben, als wolle er schon mal für die Pokalübergabe üben. Und während die knapp geschlagenen Freiburger sich noch von ihren Fans feiern ließen, schienen die neuen Pokalsieger die Siegerehrung gar nicht mehr abwarten zu können und versammelten sich in der Nähe des dafür vorgesehenen Podests.

Am liebsten würde ich nur Pokal­endspiele spielen.

Christian Streich

Doch plötzlich wurde es still im Stadion. Man hörte nur einen Hubschrauber am Himmel. Ein Fotograf am Seitenrand war kollabiert und musste notärztlich behandelt werden. Die Ehrung wurde verschoben, bis der Notleidende stabilisiert werden konnte, und zahlreiche Handylichter signalisierten, dass es Wichtigeres gibt als einen DFB-Pokalsieg.

Wie wichtig ein Fußballspiel im Profigeschäft werden kann und was die dort entstehenden Druckverhältnisse so mit den Beteiligten machen, das konnte man an diesem Samstag im Berliner Olympiastadion wie unter einem Vergrößerungsglas studieren. Christian Streich, der Trainer des so knapp vor der Überraschung stehenden Außenseiters, hatte einen federleichten Umgang mit der Niederlage. „Ich schaffe es nicht mal mehr, mich zu ärgern“, erklärte er und versicherte dann: „Morgen schon und übermorgen, weil wir ja verloren haben.“ Bei jedem Bundesligaspiel sei er doppelt so angespannt. Er müsse dann daran denken, sich wegen des enormen Drucks „immer wieder runterzuholen“. Nur der Blick auf die nächste Saison schien seine Stimmung an diesem Abend zu trüben. „Dann kommen wieder die wahnsinnsanstrengenden Bundesligaspiele. Am liebsten würde ich die ganze Zeit nur Pokalendspiele spielen.“

Sein Gegenüber Domenico Tedesco, der RB Leipzig nach zwei gescheiterten Finalversuchen in Berlin zum ersten Vereinstitel in der noch jungen Geschichte des Konzernvereins coachte, wirkte dagegen selbst im bekundeten Höhenflug seiner Gefühle („Ich bin überglücklich“) noch bleiern schwer. Während Streich die drei Aluminiumtreffer der Freiburger in der Verlängerung von der Metaebene aus betrachtete („Deshalb rennt die ganze Welt in die Stadien. Fußball ist unberechenbarer als andere Sportarten“), machten Tedesco die Details der Partie noch mächtig zu schaffen, die ihn „auf 180 gebracht hätten“. Schiedsrichter Sascha Stegemann, beklagte er, habe viele Fifty-Fifty-Entscheidungen gegen Leipzig entschieden.

Geschäftspläne des Brausekonzerns

Der Druck schien von Tedesco nur langsam abfallen zu wollen. Die Konzernerwartungen von RB, die nur einen Sieger an diesem Abend vorsahen, lasteten sichtbar schwer auf dem ganzen Team. Vom sonst so typischen frühen Pressing der Leipziger war in der ersten Hälfte wenig zu sehen. Chancen ergaben sich vornehmlich aus Freiburger Patzern. Erst als die Favoriten durch Rückstand (19. Minute) und Unterzahl (57.) in die Außenseiterrolle schlüpften, löste sich die Verkrampfung, während die Freiburger wiederum mit der Situation nicht klarkamen, plötzlich Vorteile ausspielen zu können. Diese Kombination bescherte den Zuschauern ein hochdramatisches Fußballspiel.

Die Lamettafäden, die am Ende auf den erwarteten Sieger herunterflatterten, verbreiteten dagegen nur begrenzten Glanz. Der Traum der Fußballromantiker, dass ein weiteres Mal in dieser Saison nach den Erfolgen etwa von Eintracht Frankfurt die Minderbemittelten triumphierten, war ausgeträumt. Es war ja auch ein wenig ein Kampf der Fußballkulturen, der in Berlin ausgetragen wurde. Das machte sich wenige Kilometer vor dem Olympiastadion schon bemerkbar, als ein Großteil der 30.000 Freiburger Anhänger bei ihrem selbst organisierten Fanmarsch, am von RB Leipzig organisierten Fanfest vorbeizog. Dort wurde das Publikum mit einer Motocross-Stunt-Show unterhalten. Formidable Fußball-Shows mit Trophäenübergaben wird RB, so steht es zumindest in den Geschäftsplänen des Brausekonzerns, künftig vermehrt veranstalten.

Die Glückserwartungen werden immer höher veranschlagt. Nachdem auf der Meisterfeier des FC Bayern die Unzufriedenheit kaum kaschiert wurde, Borussia Dortmund sein Unbehagen mit dem zweiten Platz durch eine Trainerentlassung dokumentierte, ist die Genussspanne über den ersten Titel bei RB Leipzig auch recht begrenzt. Der erschöpfte Domenico Tedesco sah am Samstag nicht so aus, als ob ihn die Vorstellung, die ganze Zeit nur Pokalendspiele zu spielen, beglücken könnte. Schließlich müsste er sie möglichst alle gewinnen.

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1 Kommentar

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  • 6G
    655170 (Profil gelöscht)

    Mintzlaff und Tedesco haben sich maximal daneben benommen.



    Mintzlaff, als er im Vorfeld des Finales gegen Freiburg in toto unverhältnismäßig vom Leder zog..



    Und Tedesco, der nach dem Spiel Schiedsrichter Stegemann unterstellte, der habe strittige Entscheidungen nahezu ausschließlich gegen Leipzig gefällt.



    (Richtig ist auch, dass Tedescos mit seinem Coaching sicher großen Anteil am Engagement der Leipziger Spieler hatte - aber das ist weder Entschuldigung, noch Erklärung.)



    Freiburg hatte in der Republik (Leipzig und Umgebung ausgenommen) unter den Fußballfans nahezu ausschließlich die Sympathien auf seiner Seite.



    Das ist wahr - und das ist insofern "ungerecht", als sich die Kritik am "Brauseclub" mit nahezu gleichen "Argumenten" gegen die meisten anderen "Clubs" richten könnte, die auch von Unternehmen, Diktaturen, und Milliardären finanziell gepampert werden.



    Aber mit Ausfällen a la Mintzlaff gegen einen "Verein", der die Millionen/Milliarden nicht hat, holt man sich diese Sympathien auch nicht, vertieft vielmehr noch die Abneigung der Kritiker, indem man sie (die Natifans) bestätigt.



    Und Tedescos steile These gegen Stegemann, der neben Schlotterbeck der beste Mann auf dem Platz war, ist shon garnicht zu verstehen.



    Alle seine Entscheidungen waren korrekt - bis auf ein Foul in der ersten Hälfte vor dem Strafraum, das er nicht als solches wertete, das aber (sic) von einem "Leipziger" begangen wurde.



    Beim Platzverweis hatte Stegemann keine andere Wahl - obwohl in solchen Situationen etwas mehr Spielraum für den Schiedsrichter schon nützlich wäre.



    Man kann während des Spiels aufgewühlt sein und auch gelegtlich "intervenieren", das ist verständlich.



    Aber mit einigem Abstand sollte man nicht den Schiedsrichter diskreditieren und sich als Profi beherrschen können.