Putins Krieg gegen die freie Presse: Es gibt noch kritische Stimmen

Putin führt auch einen Krieg gegen die eigene Presse. Jour­na­lis­t*in­nen haben schon vor Jahren die Realität im Land schonungslos analysiert.

Eine Zeitung in russischer Schift

Seit Kurzem erscheint die europäische Version der kremlkritischen russischen Zeitung „Nowaja Gaseta“ Foto: Alexander Welscher / dpa

Man muss die Feste feiern, wie sie fallen. Wirklich? Auch an diesem 9. Mai wird Russlands Staatsführung den Sieg der Sowjetunion über Nazideutschland gebührend würdigen. Und doch ist alles anders. Der 9. Mai 2022 ist die schauerliche Begleitmusik zu Moskaus aktuellem Angriffskrieg gegen die Ukrai­ne, der schon jetzt Tausende Menschenleben gekostet und ganze Landstriche verheert hat.

Das erklärte Ziel dieser „Spezialoperation“, die noch dazu unter dem Label des Kampfes gegen den Faschismus firmiert, ist kein geringeres, als die Ukraine als Nation auszulöschen und den Staat von der Landkarte zu tilgen. Dass eine Mehrheit der Rus­s*in­nen den militärischen Amoklauf ihres Präsidenten Wladimir Putin immer noch unterstützt und nur einige wenige den Mut haben, dagegen aufzubegehren, ist auch der Propagandamaschine des Kreml geschuldet.

Damit einher geht ein erbarmungsloser Feldzug gegen unabhängige Medien und deren Jour­na­lis­t*in­nen – und das bereits seit Jahren. Wer unbequeme Wahrheiten öffentlich macht, wird zum Schweigen gebracht – sei es durch Einschüchterung, Sperrung von Webportalen, langjährige Haftstrafen oder tätliche Angriffe, die bisweilen auch tödlich enden. Auf der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen nimmt Russland von 180 den Platz 155 ein – da ist noch Luft nach unten.

Aber es gibt sie, kritische Stimmen, wie die Nowaja Gaseta oder Meduza, die sich, nunmehr aus dem Ausland, ihrem journalistischen Ethos verpflichtet fühlen und mit ihren Mitteln versuchen, diesem wahnsinnigen Krieg etwas entgegenzusetzen. Gerade sie sollten ernst genommen werden, ergo Gehör finden.

Stuhlkreise gegen Putin

Das sei deutschen Po­li­ti­ke­r*in­nen gesagt, die, ob krasser Fehleinschätzungen in Bezug auf Russland, jetzt publikumswirksam ihre Wunden lecken sowie Vergangenheitsbewältigung und Besserung geloben. Aber auch all jene dürfen sich angesprochen fühlen, die einer Kapitulation der Ukraine das Wort reden und meinen, Wladimir Putin mit Stuhlkreisen und Friedensgebeten beeindrucken zu können.

Schon 2004 (!) legte die Journalistin der Nowaja Gaseta, Anna Politkowskaja, mit ihrem Buch „Putins Russland“ eine glasklare Analyse des russischen Regimes vor. Zwei Jahre später wurde sie kaltblütig vor ihrer Moskauer Wohnung erschossen. Diese Bestandsaufnahme, die zu Politkowskajas Vermächtnis geworden ist, liest sich, als sei sie gerade eben erst geschrieben worden. Wir hätten es also wissen können. Jetzt wissen wir es. Wir sollten daraus die richtigen Schlüsse ziehen und die Ukraine weiter mit Waffen beliefern. Wie viel Leid und Elend braucht es dafür noch?

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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