Unwetter und Überschwemmung: Südafrikas tödliche Heimsuchung
Über 450 Menschen sterben durch Regen und Überflutung in und um Durban. Die südafrikanische Küstenstadt ist bereits von Covid gebeutelt.
Hussain ist Sprecherin des Hilfswerks Islamic Relief South Africa in Durban, dem Epizentrum aller drei Katastrophen. Sie erinnert sich, wie sie Anfang der Woche vor Ostern ihre Tochter von der Schule abholte, wo das Wasser so schnell anstieg, dass es schon durch die Türen drückte. Auf dem Heimweg waren mehrere Straßen unpassierbar. Sie schaffte es mit dem Kind nach Hause, aber „es wurde einfach immer schlimmer, ich habe so etwas noch nie erlebt.“
Islamic Relief war eine der ersten Hilfsorganisationen, die sich um die Flutopfer kümmerten, berichtet Hussain: „Unser Personal trotzte dem Wetter und lieferte Essenspakete, Trinkwasser, Matratzen und Decken für Menschen, die alles verloren hatten.“
Sie hat Glück, dass sie überhaupt überlebt hat, um diese Geschichte erzählen zu können. Die Millionenstadt Durban, Touristenhochburg am Indischen Ozean, hat sich von Südafrikas Spielplatz in Südafrikas Friedhof verwandelt.
Leichenhallen überfordert
Notdienste, Hinterbliebene und Freiwillige lieferten sich tagelang einen Wettlauf gegen die Zeit, um Überlebende und zumeist Tote aus überschwemmten und zerstörten Häusern zu bergen. Mindestens drei Retter und ein Polizeihund ertranken dabei. Die Leichenhallen der Stadt sind mit Bergen von Toten überfordert.
Der Dachverband der Bestatter Südafrikas hat jetzt die Provinzregierung von KwaZulu/Natal (KZN) gebeten, Leichen auch ohne Leichenschau freizugeben. „Wenn man diese Etappe überspringen könnte, könnten die Leichen identifiziert und zur Bestattung freigegeben werden“, sagte Verbandschef Muzi Hlengwa.
Doch die Provinzregierung weist die Darstellung, die Leichenhallen seien überfordert, zurück und bittet Hinterbliebene um Geduld. „Wir möchten Ihnen versichern, dass wir das Bestmögliche angesichts der Umstände tun“, sagte KZN-Premierminister Sihle Zikalala. Gesundheitsminister Joe Phaahla sagte am Mittwoch, von 455 geborgenen Leichen seien mittlerweile 377 untersucht worden; die restlichen sollten am Donnerstag drankommen.
Während die Flutwasser zurückgehen, steigt nun die Sorge um Korruption bei der Fluthilfe. Die Regierung hat eine Milliarde Rand (60 Millionen Euro) für den Wiederaufbau bereitgestellt, mehrere Länder wollen helfen, und sogar die Afrikanische Union (AU) hat Geld zugesagt. Doch es gibt Befürchtungen, dass dieses Geld nicht bei denen ankommen wird, die es brauchen.
Erste Korruptionsvorwürfe
Südafrika ist bekannt für seine verbreitete Korruption, vor allem in Krisensituationen. Gelder zur Covid-19-Bekämpfung, etwa 4,3 Milliarden US-Dollar vom Internationalen Währungsfonds, wurden gestohlen, mehrere hohe Politiker wie der zum Rücktritt gezwungene Gesundheitsminister Zweli Mkhize wurden dabei ertappt, wie sie sich daran bedienten.
Jetzt wird berichtet, KZN-Provinzpremier Zikalala habe einen ganzen Wassertanker für sich alleine erhalten, während viele Menschen in der Metropole Durban überhaupt keinen Zugang zu Trinkwasser hatten. Zikalala hat sich entschuldigt und den Vorfall damit erklärt, dass der Tanker eigentlich für die gesamte Nachbarschaft gedacht war, aber angeliefert wurde, als er nicht zu Hause war, und daher bei ihm stehen blieb.
„Missbrauch von Geldern wird nicht toleriert“, bekräftigte Zikalala vor dem Provinzparlament. „Wir werden mehrere Maßnahmen treffen, um Gelder zu schützen und sicherstellen, dass Aufträge kosteneffektiv und fair erteilt werden.“
Das stellt die Opposition nicht zufrieden. Cilliers Brink von der liberalen Oppositionspartei DA (Democratic Alliance) will nun Vorschläge machen, wie das Parlament die Verwendung von Katastrophenfonds direkt kontrollieren kann. „Präsident Ramaphosa sollte uns gut zuhören, nachdem er die DA-Vorschläge ignorierte, wie man den Missbrauch von Covid-19-Hilfsgeldern verhindert“, sagte er. Auch die südafrikanische Generalstaatsanwalt und die Menschenrechtskommission wollen sich für die korrekte Verwendung von Fluthilfen einsetzen.
Infrastrukturzerstört
Denn die Flutwellen haben nicht nur unzählige Häuser mit sich gerissen, sondern auch die Wirtschaft von KwaZulu/Natal schwer getroffen. Lagerhallen, Straßen, Brücken und Eisenbahnlinien sind zerstört, ebenso viele Einrichtungen der Telekommunikation, und viele Menschen können nicht mehr zur Arbeit. Der Papierfabrikant Sappi musste sein Mühlen schließen, seine Lagerbestände sind unbrauchbar. Die Zufahrten zum Hafen von Durban und die Straßen von dort in den Rest Südafrikas wurden weitgehend zerstört, was Südafrikas Außenhandel beeinträchtigt.
Durban, Afrikas größter Containerhafen mit einem Warenumschlag von 91,5 Millionen Tonnen im Jahr 2019/20, ist besonders wichtig für den Export verderblicher Agrargüter, die sicher und trocken gelagert und transportiert werden müssen. KwaZulu/Natal an sich ist keine wichtige Provinz für die exportorientierte Agrarproduktion, aber die Häfen der Provinz verbinden Südafrika mit dem Rest der Welt.
Südafrikanische Zitrusfrüchte werden über Durban ausgeführt; aus Übersee kommen Lebensmittel wie Reis, Weizen und Palmöl. 75 Prozent der südafrikanischen Agrarproduktion werden auf der Straße transportiert, erläutert Wandile Sihlobo, Chefökonom der Landwirtschaftskammer von Südafrika. Der schlechte Zustand vieler Straßen in ländlichen Gebieten infolge von Schäden durch schweren Regen sei jetzt schon ein Problem. „Die neuen Schäden werden landesweit zu spüren sein“, warnt er. „Südafrika steht am Beginn seiner Exportsaison für Zitrusfrüchte, was die Herausforderung noch größer macht.“
„Die Lage ist sehr ernst und erfordert dringendes Handeln, damit die Landwirte ihre Produkte vermarkten können“, sagte Andrea Campher von der Risikoabteilung des Agrarverbandes Agri SA. Die Reparatur der Straßen zum Hafen von Durban müsse Priorität erhalten: „Unnötige Verzögerungen hier werden Folgen nach sich ziehen, die zu Arbeitsplatzverlusten und Lebensmittelknappheiten führen können.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
Aus dem Leben eines Flaschensammlers
„Sie nehmen mich wahr als Müll“
Ein-Euro-Jobs als Druckmittel
Die Zwangsarbeit kehrt zurück
Wegen antisemitischer Postings
Urteil gegen Kurator:in