Parlamentswahl in Ungarn: Frei, aber nicht fair
Viktor Orbáns Sieg ist ein Rückschlag für Ungarns Demokratie. Auch für Europa ist er eine schlechte Nachricht – denn die Attacken aus Budapest werden weitergehen.
U nglaublich, aber wahr: Ungarns Regierungschef Viktor Orbán und seine nationalkonservative Fidesz haben, zum vierten Mal in Folge, einen fulminanten Wahlsieg hingelegt, sich offensichtlich erneut eine Zweidrittelmehrheit im Parlament gesichert und damit auch noch die Befürchtungen der größten Pessimist*innen im Land übertroffen. Das ist ein Schlag ins Gesicht aller Ungar*innen, die in der Abstimmung am vergangenen Sonntag zu Recht eine Schicksalswahl gesehen und auf einen, wie auch immer gearteten, Neuanfang gehofft hatten.
Das Zynische dabei ist, dass auch der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine Orbán offensichtlich in die Karten gespielt hat. Gekonnt spielte er mit der Angst vieler Menschen, in diesen Krieg hineingezogen zu werden, und schreckte dabei auch vor infamen und völlig haltlosen Unterstellungen an die Adresse der Opposition nicht zurück. Vermeintliche Stabilität und Sicherheit wiegen eben doch schwerer als grassierende Korruption, ein fortschreitender Demokratieabbau sowie die Aussicht darauf, auch in den kommenden Jahren die Rolle eines Parias in Europa zu spielen.
Die „Wahlkampfhilfe“ von Orbáns Freund Wladimir Putin erklärt einiges, aber nicht alles. Denn das Terrain für den Durchmarsch von Fidesz war längst bereitet. Eine weitestgehend gleichgeschaltete Medienlandschaft, in der die Opposition nicht vorkam, die Verwendung staatlicher Gelder für einen völlig überdimensionierten Wahlkampf und Wahlgesetze, die den Fidesz eindeutig bevorteilen – die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Mag die Abstimmung auch frei gewesen sein, fair war sie, wie auch die Wahlen zuvor, sicher nicht.
Aber auch für Europa ist der Wahlausgang eine niederschmetternde Nachricht. Denn Orbán wird seine Attacken gegen Brüssel unbeirrt fortsetzen. Darauf deutet sein Auftritt am Wahlabend hin, bei dem er die EU in gewohnter Manier scharf attackierte. Dass er sich damit komplett isoliert, nimmt Orbán billigend in Kauf, warum sollte er auch nicht? Somit steht fest: Auch wenn die Waffen in der Ukraine bald schweigen könnten, was sich jeder klar denkende Mensch nur wünschen kann: Es wird ungemütlicher werden in Europa.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Toxische Bro-Kultur
Stoppt die Muskulinisten!
starke gefühle
Testosteron und PS
Scholz telefoniert mit Putin
Scholz gibt den „Friedenskanzler“
Wahlkampfchancen der Grünen
Da geht noch was
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“