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Kirchenmann und Bayerischer RundfunkDer letzte böse Wolf

Kirchenmann Lorenz Wolf ist trotz seiner Rolle im Missbrauchsskandal Vorsitzender des Rundfunkrats des BR geblieben. Nun läuft seine Amtszeit aus.

Seine Amtszeit läuft nun einfach aus: Lorenz Wolf, Vorsitzender des BR-Rundfunkrates Foto: Annette Riedl/dpa

B eginnen wir mit der guten Nachricht. Lorenz Wolf, der ranghohe katholische Kirchenmann im Erzbistum München-Freising, hat wegen seiner Rolle im Missbrauchsskandal Konsequenzen gezogen. Schon vergangene Woche hatte der Betroffenenbeirat der Missbrauchsopfer von Kardinal Reinhard Marx ein „energischeres Vorgehen“ gegenüber Wolf gefordert. Denn er war offiziell unter anderem immer noch Vorsitzender des Kirchengerichts und Leiter des einflussreichen Katholischen Büros in Bayern und ließ diese Jobs nur ruhen. Nun ist er von seinen Ämtern zurückgetreten.

Von allen seinen Ämtern? Nein, an einem kleinen, feinen Posten hält Wolf unbeugsam fest. Es geht um den Rundfunkrat beim Bayerischen Rundfunk, wo er auf dem Papier immer noch den Vorsitz führt. Das ist die nicht so frohe Botschaft. Immerhin, „das Vorsitzendenamt lässt er seit dem 27. Januar 2022 ruhen“.

Natürlich nicht, ohne sich doch noch ’ne Extraportion Weihrauch zu genehmigen. Bei der letzten Rundfunkratssitzung im Februar war Wolf zugeschaltet und nutzte das im nichtöffentlichen Teil der Sitzung für eine längliche Einlassung in eigener Sache. Beim ihn schwer belastenden Gutachten zu den Missbrauchsfällen sei zu prüfen, ob es „sich tatsächlich um ein objektives Gutachten handelt“, so Wolf.

Denn er sieht hier vor allem „gutachterliche Verdächtigungen und Bewertungen“. Belege, worin die bestehen, blieb er schuldig. Danach zu fragen ging auch nicht, Wolf verbat sich nämlich so was. Der amtierende Vorsitzende Godehard Ruppert, der die Sitzung leitete, sekundierte brav und ließ auch keine Debatte zu. Dabei hatte Ruppert laut BR noch am Tag vorher gesagt, er rechne mit einer „durchaus kontroversen Diskussion“. Passte dann aber wohl doch nicht. „Vielleicht wurde er gebeten, sich leise zu verhalten, damit alle wie immer ungestört Gras über die Sache wachsen sehen“, meint die Mitbewohnerin.

Altkatholischer Sarkasmus

So viel zur Transparenz und Offenheit eines Gremiums, das wen noch mal vertritt? Ach ja, uns, die Gesellschaft. Nun ist in Sachen Respekt für die Opfer sogar hinter der katholischen Kirche zurückzubleiben auch ’ne Leistung. Hat nicht mal der ehemalige Papst Benedikt, Joseph Ratzinger, geschafft.

Und so läuft Wolfs Amtszeit jetzt einfach aus, am Freitag ist die letzte Sitzung des alten Rundfunkrats. „Die Wahl eines neuen Vorsitzenden steht turnusmäßig am 12. Mai im Rahmen der Neukonstituierung des Gremiums an“, schreibt das Gremienbüro und hofft, „Ihrer schweren Vermutung [dass Wolf offiziell noch drin ist, Anm. die Red.] damit etwas Erleichterung verschafft zu haben“. Und enden wir mit der schlechten Nachricht, dass diese Formulierung hoffentlich kein blanker Zynismus, sondern nur altkatholischer Sarkasmus ist – und es der letzte böse Wolf war.

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Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
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