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Scholz, Selenski, Söder auf Social MediaDie Kunst der Kommunikation

Olaf Scholz hat jetzt immerhin mal geredet – im TV. Selenski dagegen wendet sich täglich per Instagram an mich.

Olaf Scholz zu Gast in der ARD-Sendung „Anne Will“ am 27. März 2022 Foto: Wolfgang Borrs/NDR/dpa

D ie Leute kennen den Streit nicht mehr. Um uns herum wird zwar noch getrunken und gescherzt, aber obwohl meine Aufmerksamkeit der Gesprächspartnerin gilt, mit deren Vorschlag ich nicht einverstanden bin, merke ich doch, dass unser Disput Aufmerksamkeit erregt: Ui, da streiten sich zwei, was ist da los? Ich gebe zu, vielleicht hat sich das Volumen meiner Stimme etwas erhöht.

Worum geht es? Um die Ukraine natürlich. Der Streit wurde durch eine Bemerkung meines Gegenübers verursacht, dass es aus einer humanitären Perspektive betrachtet am besten wäre, wenn die Ukraine sofort kapitulierte. Dann wäre das Sterben vorbei. Ich entgegne, dass die Ukrainerinnen und Ukrainer eben das offensichtlich nicht wollen. Und dass es sich daher verbietet, mit einem Glas Wein in der Hand vom Prenzlauer Berg aus den Leuten, die es betrifft, solche Empfehlungen zu geben. Die Ukraine ist ein souveränes Land, Punkt. Wer sich an seiner Angstlust am „Dritten Weltkrieg“ ergötzen will, möge das bitte zu Hause tun.

Nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz nach Wolodomir Selenskis Ansprache im Bundestag geschwiegen hatte, statt darauf zu antworten und die Position seiner Regierung darzulegen, stellte er sich am Sonntag den Fragen von Anne Will. Die umstrittenste Frage des Gesprächs betraf die Energielieferungen aus Russland. Scholz legte erstens dar, dass die Millionen Euro, die dafür täglich nach Russland zurückfließen, von Putin ohnehin nicht für den Krieg verwendet werden könnten, weil ihn die harten Sanktionen daran hinderten. Zweitens widersprach er jenen Ökonomen, die behaupten, es werde genug Gas auf der Welt gefördert, das könne man auch woanders einkaufen: Das Vorhandensein von Gas sei nicht der Punkt, erklärte Scholz, sondern auf welchen Wegen es nach Deutschland geliefert werden kann.

Streitlustig zeigte er sich dann aber auch noch für einen Moment. Er wies Will darauf hin, dass er ähnlich moralisierend vor Jahren in ebendieser Sendung dafür gescholten worden sei, sich für Flüssiggasterminals an der Küste einzusetzen. Immerhin, der Kanzler machte also klar, warum ein sofortiges Energieembargo aus seiner Sicht weder wünschenswert noch erfolgversprechend erscheint.

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Scholz ist kein eloquenter Rhetoriker. Es ist zwischendurch fast ein bisschen quälend, ihm dabei zuzusehen, wie er manchmal nach Worten ringt. Aber immerhin, er spricht. Es wäre gut, wenn der Kanzler das öfter täte. Wir sind nach 16 Jahren Angela Merkel daran gewöhnt, dass die Regierung nicht gern mit uns kommuniziert. So richtig fällt das jetzt erst auf, weil Wolodimir Selenski sich täglich per Instagram an mich und alle anderen wendet, die sich dafür interessieren, was er zu sagen hat. Die wichtigsten Statements des ukrainischen Präsidenten werden auf Englisch untertitelt. Eben schrieb er: „Wer Angst vor den nötigen Entscheidungen hat, uns mit Flugzeugen, Panzern, Artillerie und Granaten zu versorgen, ist für die Katastrophe, die russische Truppen in ukrainischen Städten verursachen, mitverantwortlich.“

Kurz vorher war Markus Söder auf meinem Telefon erschienen. Er spricht auch oft zu den Leuten via Instagram, allerdings handelt es sich bei seinen Posts oft nicht um ernstzunehmende politische Angebote. Seit wir eine neue Regierung haben, ist der alte, der populistische Söder wieder da. Nun behauptet er: „Es drohen Stromknappheit und schwere Schäden für die Wirtschaft. Es wäre absurd, aus Ideologie auf die Kernkraft zu verzichten.“

An diesem Statement ist so ziemlich alles Quatsch. Erstens verzichtet niemand „aus Ideologie“ auf Kernkraft. Der Ausstieg ist lang geplant, die Gründe dafür sind bekannt. Zweitens sind auch nur noch drei AKWs am Netz und die werden gerade aufs Abschalten am Ende des Jahres vorbereitet. Drittens ist ihre Leistung in Hinblick auf den deutschen Energieverbrauch so gering, dass sie unsere Probleme auch nicht lösen werden. Es ist billige Propaganda aus durchsichtigen Motiven, die der Söder-Markus da betreibt. Ich wünsche mir eine streitlustige Opposition, die nicht nur auf Krawall aus ist.

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Ulrich Gutmair
Kulturredakteur
Kulturredakteur der taz. Hat Geschichte und Publizistik studiert. Aktuelles Buch: "'Wir sind die Türken von morgen'. Neue Welle, neues Deutschland". (Tropen/Klett-Cotta 2023).
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