Rockband Rammstein: Runter vom Roten Platz

Gerade ist die Vorabsingle des neuen Rammstein-Albums erschienen. Die Gruppe erklärte ihre Unterstützung für die Menschen in der Ukraine.

Der Rammstein-Sänger Till Lindemann in weißem Frack

Till Lindemann im Herbst 2021 beim Spasskaya Tower Military Music Festival auf dem Roten Platz Foto: picture alliance/dpa/TASS Marina Lystseva

Am 4. März veröffentlichten Rammstein auf Deutsch, Englisch, Ukrainisch und Russisch das folgende Statement:

„Rammstein möchten ihre Unterstützung für das ukrainische Volk zum Ausdruck bringen, das sich gegen den schockierenden Angriff der russischen Regierung wehrt. Wir empfinden in diesem Moment besonders Trauer über das Leid der Ukrainer. Jedes Mitglied der Band hat unterschiedliche Erfahrungen mit den beiden Ländern; alle Musiker haben Freunde, Kollegen, Partner und Fans in der Ukraine und in Russland. Uns ist die Verzweiflung bewusst, die viele russische Fans angesichts der Handlungen ihrer Regierung empfinden, und wir möchten an die Menschlichkeit erinnern, die russische und ukrainische Bürger teilen.“

Am 4. September 2021 absolvierte Till Lindemann einen kurzen, aber weithin beachteten Auftritt in Moskau. Lindemann war solo und nicht mit Rammstein unterwegs. Er sang auf dem Roten Platz das in der Sowjetunion als Titelmelodie des Films „Istrebitel“ populär gewordene Lied „Ljubimyj Gorod“. Den Text dazu hat der sowjetische Dichter und Journalist ­Jewgeni Dolmatowski geschrieben.

Von Dolmatowski – im Zweiten Weltkrieg Berichterstatter für die Rote Armee, nach einer Verwundung Kriegsgefangener und nach erfolgreicher Flucht Teilnehmer der Befreiung Berlins und im Mai 1945 bei der Unterzeichnung der Kapitulation Nazideutschlands zugegen – gibt es ein Foto: Es zeigt Dolmatowski vor dem Reichstag mit dem abgeschlagenen Kopf einer Hitlerbüste im Arm. Der Fotograf Jewgeni Chaldei hat auch jenes ikonografische Motiv fotografiert, das Soldaten der Roten Armee beim Hissen der sowjetischen Fahne auf dem Reichstag zeigt.

Vor der ukrainischen Fahne

Drei Jahre später wurde Chaldei seine jüdisch ukrainische Herkunft zum Verhängnis, er wurde nach Stalins „Kampf gegen wurzellose Kosmopoliten“ ins Abseits gedrängt.

Der Exkurs ist wichtig. Genauso wichtig ist, dass Lindemann Dolmatowskis „Ljubimyj Gorod“ im Rahmen des seit 2007 jährlich stattfindenden Militärmusikfestivals „Spasskaja Baschnja“ interpretierte. Veranstalter ist das russische Verteidigungsministerium, ausführendes Organ des Angriffskriegs auf die Ukraine, der am 24. Februar mitsamt der missbräuchlich verwendeten antifaschistischen Rhetorik nicht einfach aus Putins Schublade gesprungen ist.

Rammstein immerhin haben ihr Antikriegsstatement vor eine ukrainische Fahne gesetzt und sich dabei eines Bandlogos bedient, welches das Emblem der DDR-Thälmannpioniere assoziiert. Und es war 2011, als der Band in Belarus von dem Putins Verbündetem Alexander Lukaschenko nahestehendem Gesellschaftlichen Rat für Sittlichkeit attestiert wurde, sie stünden für „Gewalt, Masochismus, Homosexualität und andere Abartigkeiten“.

Ob Rammstein, die einiges richtig gemacht haben, das immer noch tun, wird ihr neues Album zeigen. Das Vorabvideo „Zeit“ lässt es vermuten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.