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Erdoğans Vermittlerrolle im UkrainekriegWieder Staatsmann

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Er schwankt zwischen Nato und Putin und gilt deshalb plötzlich als ehrlicher Makler: Der türkische Präsident Erdoğan vermittelt im Ukrainekrieg.

Istanbul am 29. März 2022: der türkische Präsident am Verhandlungstisch Foto: Türkisches Präsidialamt via ap

E s ist noch nicht lange her, da war die Türkei von Präsident Recep Tayyip Erdoğan international fast völlig isoliert. Am Mittelmeer hatten sich im Konflikt um Schürfrechte nach Öl und Gas, angeführt von Griechenland, fast alle Anrainerstaaten gegen die Türkei zusammengeschlossen. Erdoğans Drohungen gegen Griechenland hatten ihn innerhalb der Europäischen Kommission vollends zum Paria werden lassen und seine jahrelange Schaukelpolitik zwischen den USA und Russland, die unter Donald Trump noch einigermaßen funktioniert hatte, drohte unter seinem Amtsnachfolger Joe Biden in einem De-facto-Ausstieg der Türkei aus der Nato zu enden.

Erdoğan will partout nicht auf die russische S-400-Raketenabwehr verzichten – nicht zuletzt, weil er die CIA nach wie vor verdächtigt, an dem Putschversuch in der Türkei 2016 im Hintergrund beteiligt gewesen zu sein. Und Präsident Biden denkt gar nicht daran, in Syrien die Zusammenarbeit mit der kurdischen Miliz YPG einzustellen, die für Ankara ein eindeutiger Ableger der PKK ist. Als Putin dann vor vier Wochen seinen Angriffskrieg auf die Ukraine startete, schien für Erdoğan der Moment gekommen, sich entscheiden zu müssen: Kehrt er zurück in den Schoß der Nato oder führt er die Türkei endgültig in den russischen Orbit?

Doch Erdoğan ist immer dann besonders stark, wenn er mit dem Rücken zur Wand steht. Sein Credo ist: Dieser Krieg ist ein Unglück für alle und er muss möglichst schnell beendet werden. Dazu bot er von Beginn an seine Vermittlerdienste an. Anfangs noch belächelt, stellte sich im Verlauf der Kriegswochen heraus, dass gerade seine Uneindeutigkeit, sein Schwanken zwischen den Lagern, plötzlich zu einem entscheidenden Pluspunkt werden könnte. Er preist zwar wieder die Nato, will aber in Putin nach wie vor keinen Feind sehen und verweigert deshalb auch Sanktionen. Der Ukraine hat er schon vor Jahren Waffen verkauft, in Syrien aber weiterhin mit Russland kooperiert. Deshalb halten beide Seiten ihn jetzt für einen ehrlichen Makler.

Mit den Verhandlungen in Istanbul bereitet Erdoğan auch ein Treffen zwischen Putin und Selenski vor, mit dem der Krieg zumindest vorläufig beendet werden könnte. Plötzlich gilt der Mann am Bosporus auf dem internationalen Parkett wieder als Staatsmann.

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Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
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5 Kommentare

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  • Die Türkei spielt mit ihrem Zugang zum Schwarzen Meer für Putins Expansionspläne eine wichtige Rolle. vielleicht haben wir neben Putim auch Erdogan unterschätzt, der gerade diese Lage als Drehkreuz für sein Lavieren zwischen 'Ost' und 'West' sowie den reichen Scheichtümern im Süden ausnutzen kann und auch in der NATO eine Sonderrolle einnehmen kann. Schließlich ist ein russischer gefährdet. Seezugang durch die Ostsee im Konfliktfall auch nicht unproblematisch. Last but not least spielt ökonomisch auch die Landverbindung einer Seidenstrasse zwischen China, Europa und Afrika auch eine Rolle, die eben an Russland vorbei führt. Zumal im fernen Osten, der zum Herz der Weltökonomie geworden ist, für Putins Klientel kaum etwas zu holen ist. so bleibt dem russischen Regime, das seinen Einfluss über die Krim und Ukraine erweitern will, wohl nichts übrig, als Erdogan als ernsthaften Player zu akzeptieren. Schließlich blieb den russischen Machthabern nicht verborgen, dass der Devisenzugang über fossile Energieträger Richtung mitteleuropa aufgrund der Klimakrise nur noch für einen kurzen Zeitraum anhalten kann. Die Maklertätigkeit Erdogans wird einen bitteren Preis (Waffen ?) haben !

  • Jeder Mensch, der aufgrund der Vermittlung von Erdogan am Leben bleibt, ist dieses wert.



    Erdogan ist und bleibt ein Despot, der sein Land unter der Knute hält und von demokratischen Werten soweit entfernt ist, wie die Erde vom Mars. Jetzt aber zählt allein die Hoffnung, durch seine Vermittlerrolle den Krieg irgendwann zu beenden.



    Und leider ist dies wohl aktuell alternativlos und die Realpolitik steht unsrem Wunsch nach 'ich mach mir die Welt, wie ich sie will', wieder mal entgegen.

  • Geht gar nicht!



    Diktator Erdogan hat die Presse ausgeschaltet, den Rest auf seine Linie gebracht, tausende Verhaftungen wegen "Terrorismus", er lässt Bomben fliegen auf kurdische Gebiete.



    Das ist Krieg gegen Rojava und es darf nicht sein, dass alle Kurd_innen damit alleine stehen.



    Im Gegenteil: PKK-Verbot aufheben, Graue Wölfe verbieten.



    Die MHP-Faschisten sind mit Erdogan an der Regierung.



    Ich weiß, das ist zu viel gleichzeitig, aber es muss Legitimität in allen Bereichen geben.

  • Na, wenn's denn hilft, soll er auch gerne Staatsmann sein...

  • Ein Witz oder?



    Assad soll ja auch ausgezeichnete Beziehungen zu Putin haben.