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Website für Geflüchtete und HilfsbereiteVermittlung per Mausklick

Die Website „Beds for Ukraine“ bringt Geflüchtete und Schlafplatz-Anbieter*innen zusammen. Entwickelt hat sie die Geographin Julia Levermann.

Wer einen Schlafplatz für Geflüchtete anbieten möchte, kann das auf www.bedsforukraine.com tun Foto: dpa / Karl-Josef Hildenbrand

Hamburg taz | Suchen wir etwas per Karten-App, dann ist die Antwort meist nur einen Klick entfernt: nächster Donut-Laden, nächster Friseur, nächster Spa. Die vielen Menschen, die aus der Ukraine flüchten, suchen Existenzielles: einen Platz zum Schlafen. Der erscheint nicht einfach so als Stecknadel auf dem Smartphone-Bildschirm. Julia Levermann hat diese Not erkannt, denn die studierte Geografin denkt in Landkarten. Sie hat die Website „Beds for Ukraine“ entwickelt, um dieses Problem zu lösen.

Levermann weiß, wie es ist, neu anzufangen und wie es sich anfühlt, fremd zu sein – wenn auch selbst gewählt: 14 Umzüge in 34 Lebensjahren. Geboren ist sie im niedersächsischen Stade, erwachsen wurde sie überall in der Welt: Namibia, Kanada, England, Neukaledonien, Holland, USA – die Liste ist lang.

„Schon als Kind habe ich mir immer Weltkarten angeguckt, alle Länder bewundert und die Hauptstädte auswendig gelernt“, sagt Levermann. Sie studierte Geografie und bereiste dann die Orte, die sie zuvor nur vom Globus kannte. Damals hatten sich ihre Eltern noch gefragt, ob ihre Tochter mit diesem Studium überhaupt etwas anfangen könne. Heute wohnt Levermann in Los Angeles, arbeitet bei einem großen Softwareunternehmen – und visualisiert Landkarten.

Doch dann kam der Ukraine-Krieg. Levermann klebte vor ihrem Fernseher, schaute pausenlos Nachrichten. „Ich habe sofort gespendet und fühlte mich trotzdem unglaublich hilflos.“ Sie hatte das Bedürfnis mehr zu machen. „Für mich war es ein geografisches Problem: Wo ist der Mensch, der Hilfe braucht? Und wo ist die Person, die Hilfe anbieten kann? Ich bin morgens aufgewacht und erkannte: Ich muss Menschen miteinander verbinden, um ihnen zu helfen.“ Also nutzte sie ihr technisches Wissen und die Produkte ihrer Softwarefirma.

Hat die App „Beds for Ukraine“ entwickelt: Julia Levermann Foto: privat

Levermanns Projekt hat ein Ziel: Geflüchtete mit Freiwilligen zu verbinden. Das Prinzip ist einfach, es gibt online nur zwei Optionen: ‚Biete ein Bett‘ oder ‚Finde ein Bett‘. Wer helfen will, füllt einen Fragebogen aus: Name, Adresse, Sprachkenntnisse, verfügbare Betten. Dann verwandelt sich das Hilfsangebot direkt in einen blauen Punkt auf der Landkarte. Wer wiederum ein Bett sucht, der sieht viele blaue Punkte überall auf der Welt. Klickt man einen Punkt an, dann kann man den Gastgeber direkt kontaktieren. Bislang gibt es nicht viele „Matches“, bei denen Suchende und Anbietende zusammenfinden, noch zu wenige Geflüchtete wissen von dem Projekt. Ändern soll sich das jetzt durch Flyer und Social Media-Auftritte.

Mit zunehmender Hilfsbereitschaft wächst aber auch die Kritik daran. Die Frage, wer Gastgeber überprüft, steht im Raum – ebenso die Gefahr des Missbrauchs. Levermann spricht diese Probleme von sich aus an. „Das hat mich die ganze Zeit beschäftigt. Wir tragen schließlich eine Verantwortung, da wir die beiden Seiten vermittelt haben.“

Deswegen arbeitet „Beds für Ukraine“ jetzt mit Airbnb.org zusammen. Diese gemeinnützige Organisation übernimmt die Verifizierung, den Versicherungsschutz und die Betreuung bei Fragen. Die Registrierung der Geflüchteten bei Behörden wird durch Airbnb.org aber nicht geregelt. Sie haben eine interne Datenbank, die Daten werden nicht weitergegeben.

„Ich bin sehr erleichtert über die Partnerschaft“, sagt Levermann. „Beds for Ukraine“ sei schließlich ein Privatprojekt, aber sie habe ja auch noch ihre hauptberufliche Arbeit. „Das muss man erst mal alles jonglieren. In den letzten Wochen waren meine Nächte sehr kurz.“ Weniger Schlaf für Levermann, mehr Schlafplätze für Geflüchtete.

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2 Kommentare

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  • Man sollte annehmen, in Zeiten fortschreitender IT wäre die Aufnahme und Versorgung von Kriegsflüchtlingen kein Thema mehr. Aber wie schon bei der Corona-Warn-App fühlte sich lange Zeit niemand zuständig für die so überraschend angekommenen Gäste. Merkel wäre da schneller gewesen als ein völlig überforderter Scholz-Laden. Man fragt sich, ob es nicht (mindestens) bei der SPD Leute gibt, die ihrem Politikern bei der Wahrnehmung ihrer zwingenden Aufgaben behilflich sein wollen. Alle schnacken nur mitleidig rum. Von Polen lernen, von den Menschen dort, nicht von den Regierenden.

    • @Dietmar Rauter:

      Was machen die Menschen in Polen bei der Unterbringung der Geflüchteten aus der Ukraine denn besser?