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Lesung aus Essay „Verfluchte Neuzeit“Die Moderne und ihre Gegner

Karl-Heinz Ott liest in Hamburg, Lüneburg und Hannover aus seinem Essay „Verfluchte Neuzeit“. Darin beschäftigt er sich mit reaktionärem Denken.

„Ja zum Leben“: Demonstration gegen das Recht auf Abtreibung in Madrid am 27. März 2022 Foto: Cézaro De Luca/Europa Press/dpa

Hamburg taz | „Kann man die Neuzeit verdammen? Die Neuzeit als ganze?“ Das fragt der Essayist Karl-Heinz Ott ganz zu Beginn und sucht dann erst mal ein paar wichtige Begriffe zu klären: Was ist das eigentlich genau, diese Neuzeit? Dasselbe wie die Moderne? Und was haben beide mit der Aufklärung zu tun?

Vielleicht noch wichtiger: Was soll nach ihr kommen, es kann schließlich nichts neuer sein als neu – oder doch? Dass aber ein Ende nahe sei, ihr eigenes Ende, diagnostiziert der vielfach ausgezeichnete Autor, das sei immer mit im „Bild der Neuzeit“. Die steht für Freiheit, so Ott, und damit in zunehmend mehr Augen für „Bodenlosigkeit“.

Beziehungsweise: „Was die einen als Freiheit rühmen, verdammen die anderen als Sinnlosigkeit.“ Manche dieser anderen krakeelen heute auf höchst politischen „Spaziergängen“ herum und beanspruchen, selbst für eine abstrakte Freiheit zu streiten: von vermeintlich überbordender politischer Korrektheit oder auch schlicht vom Infektionen erschwerenden Mund-Nasen-Schutz. Zunehmend führen sie ihre Attacken aber auch vom Schreibtisch aus, sitzen gar auf Ministerposten.

Ist der Protestantismus Schuld am allgemeinen Verfall; eine Sicht, die Ott bei den Romantikern Novalis und Eichendorff findet, aber auch dem nach Rechts offenen Staatsrechtler Carl Schmitt? Oder ist die radikale protestantische Grüppchenbildung, weiß Gott nicht nur in Nordamerika, vielmehr eine weitere Ausformung des „reaktionären Denkens“?

Das Buch und die Lesungen

Karl-Heinz Ott: „Verfluchte Neuzeit. Eine Geschichte des reaktionären Denkens“. Hanser 2022, 432 S., 26 Euro; E-Book 19,99 Euro

Lesungen im Norden:

Mi, 20. 4., 19.30 Uhr, Lüneburg, Heinrich-Heine-Haus

Do, 21. 4., 19 Uhr, Hamburg, Literaturhaus (auch als Stream);

Do, 12. 5., Literaturhaus Hannover

Und welche Rolle kommt denn nun den vielfach französischen Ver­tre­te­r*in­nen des Poststrukturalismus zu, aus nicht immer berufenem Mund zuletzt wieder so gerne für allerlei Übel verantwortlich gemacht, vom Verschwörungsglauben bis hin zu emanzipatorisch verbrämter pädosexualisierter Gewalt? Anders als man­che*r Kri­ti­ke­r*in hat Ott Foucault wenigstens gelesen (und verstanden wohl auch).

So alt wie die Moderne sei auch ihr Gegenteil, so Ott, und gewinnen könne die Vernunft nur, wenn sie ihre Gegner kenne. Erneut hat er ein enorm belesenes, materialreiches Buch vorgelegt. Dessen Relevanz sich eigentlich auch Menschen erschließen sollte, denen manches von Otts früheren Themen – etwa Musik und Leben Georg-Friedrich Händels oder „Hölderlins Geister“ – allzu speziell erschienen sein mag.

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1 Kommentar

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  • Ein wichtiges Buch. Doch fehlt mir die Auseinandersetzung mit Antimodernen von Links: Giorgio Agamben und historisch zuvor Ivan Illich. Ott füllt einen Großteil des Buchs mit Leo Strauss, Carl Schmitt und Heidegger.