Berlin plant Maßnahmen gegen Oligarchen: Rubel soll nicht mehr rollen
Um die Unterbringung von Geflüchteten aus der Ukraine zu refinanzieren, will Finanzsenator Wesener russisches Kapital in Berlin „auftauen“.
Luxusjachten wie die 700 Millionen Euro teure „Eclipse“ kreuzen nicht auf dem Berliner Wannsee. Dennoch ist auch die deutsche Hauptstadt seit der Finanzkrise 2008 zu „Berlingrad“ geworden. Darauf will Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) nun reagieren. „Russisches Kapital darf in Berlin nicht gewaschen werden“, sagte Wesener der taz. „Wir müssen auch die Superreichen aus Russland an den Kosten der Unterbringung von ukrainischen Kriegsflüchtlingen beteiligen.“
„Russisches Vermögen auftauen“, heißt das in einem Papier aus der Finanzverwaltung, das der taz vorliegt. Auf knapp eine Milliarde Euro schätzen die Finanzbeamten das Vermögen von Oligarchen, das durch die Sanktionen der EU eingefroren wurde und Bezug zu Berlin hat. „Wir sind sicher nicht London oder Paris, aber auch in Berlin haben russische Investoren in der Vergangenheit stark investiert“, erläutert Wesener seinen Vorstoß.
Tatsächlich baut etwa der russische Investor Monarch derzeit das erste der geplanten neuen Hochhäuser am Alexanderplatz. Bereits Anfang März hatte Wesener auf eine Anfrage der CDU im Abgeordnetenhaus erklärt, dass Zahlungen von Personen, die auf der Sanktionsliste der EU stehen, nach Russland und Belarus nicht durchgeführt würden. Die Embargo-Listen würden automatisch abgeglichen, so Wesener damals. Dabei würden Zahlungen nach Russland und Belarus „manuell durch die Landeshauptkasse erfasst und nicht ausgeführt“. Die 23 Berliner Finanzämter kämen ebenfalls ihren Aufgaben nach.
Ganz erfolgreich scheint dieses „händische“ Einfrieren von russischem Kapital aber nicht zu sein. Vor Kurzem berichtete die zuständige Referentin der Senatsverwaltung für Justiz, Susann Wettley, dem Tagesspiegel: „Bisher ist uns noch kein Fall von einem Immobiliengeschäft in Berlin bekannt, das gestoppt wurde, weil der Verkäufer auf der Sanktionsliste der EU steht.“ Verkäufe von Firmen und Immobilien seien eher langwierige Vorgänge, das Einfrieren von Geschäften mit Kreml- und Putin-nahen Personen relativ neu und die Liste der damit Sanktionierten stetig im Aufbau.
Das will Wesener nun ändern, indem er die Unschuldsvermutung für russisches Kapital zugunsten eines sogenannten „Unschuldsbeweises“ ändert. „Wir planen, alle Zahlungen nach Russland und Belarus einzufrieren“, sagte Wesener. „Die Betroffenen müssen dann einzeln bei den Finanzämtern nachweisen, dass sie nicht auf den Sanktionslisten stehen.“
Überweisungen am Wochenende
Dass bislang noch keine russischen Vermögen konfisziert wurden, hängt auch mit dem Zustand der Berliner Verwaltung zusammen. So mussten die Sanktionslisten der EU per Fax an die 23 Finanzämter übermittelt werden. Russische Investoren seien zudem dazu übergegangen, Überweisungen an Wochenenden zu tätigen, wenn die Finanzämter nicht besetzt seien. Auch gebe es bei den Behörden immer wieder Probleme mit der Transliteration kyrillischer Namen ins lateinische Alphabet.
Und dann ist da noch die Frage nach dem Steuersitz der betroffenen Unternehmen. So werde Badeyan Vanik Gagikovich, Chef von Monarch, in der Moskauer Urkunde als „Alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer des persönlich haftenden Gesellschafters MonArch Europe Verwaltungs Gmbh“ genannt, berichtet der Tagesspiegel. Die deutsche Abschrift habe ein Berliner Notar verfasst, der der Zeitung berichtete: „Badeyan ist der Schwiegersohn des Eigentümers der Gruppe Sergej Ambartsumyan.“ Russen seien sie beide nicht, sondern Armenier.
Bislang stand der Finanzierung des Luxuswohnhochhauses am Alex also nichts im Wege. Mit dem Grundsatz des „Unschuldsbeweises“ aber müssten nun die Investoren ihr Geld in einem aufwendigen Prozedere wieder „entfrieren“.
Wesener geht davon aus, dass dies zwar in 95 Prozent der Fälle klappen werde. „Aber das sind kleine russische Einzelhändler, die ihren Familien in Russland Geld über das chinesische Zahlungssystem überweisen“, sagt der Finanzsenator. „Interessant sind die fünf Prozent, die bei uns bleiben.“ Wesener geht etwa von 450 Millionen Euro aus, die von den Finanzämtern „aufgetaut“, also rechtswirksam beschlagnahmt werden könnten.
Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel erschien am 1. April.
Widerstand gegen die Pläne kommt von der AfD und Teilen der Linkspartei. „Faschistische Methoden, die denen des Naziregimes in Kiew nicht nachstehen“, twitterte der AfD-Abgeordnete Gunnar Lindemann. Lindemann hat gute Kontakte zu den selbst ernannten Volksrepubliken in Donezk und Luhansk. Die Linke in Marzahn-Hellersdorf schlug vor, russische Lebensmittelläden vom „Unschuldsbeweis“ auszunehmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Merz stellt Reform in Aussicht
Zarte Bewegung bei der Schuldenbremse
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“