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Präsidentschaftswahl in TurkmenistanDynastischer Wahlsieg

In Turkmenistan geht die Macht vom Vater Gurbanguly Berdymuchammedow auf den Sohn Serdar über. Dies war zu erwarten.

Eine Dynastie lässt wählen: Vater Gurbanguly Berdymuchammedow und Sohn Serdar im Jahr 2017 Foto: Alexander Vershinin/ap

Berlin taz | Die Macht bleibt in der Familie: Bei der vorgezogenen Präsidentschaftswahl in der zentralasiatischen Republik Turkmenistan am vergangenen Samstag hat Serdar Berdymuchammedow, Sohn des amtierenden Staatschefs Gurbanguly Berdymuchammedow, laut Angaben der Zentralen Wahlkommission 72,97 Prozent der Stimmen erhalten. Die Wahlbeteiligung in dem Staat mit rund 6 Millionen Einwohnern lag offiziellen Angaben zufolge bei 97 Prozent.

Außer Berdymukhammedov junior waren noch acht weitere Kandidaten angetreten – allesamt stramm auf Regierungskurs.

Murad Kurbanow, im französischen Exil lebender Chef der oppositionellen nicht registrierten Partei „Demokratische Wahl Turkmenistans“ kritisierte, dass potenzielle Kandidaten nicht genug Zeit gehabt hätten, um ihre Kandidatur einzureichen, geschweige denn Wahlkampf zu machen. „Das wird keine Wahl sein, sondern eine Ernennung des Präsidenten“, zitiert ihn der US-Sender Radio freies Europa.

Turkmenische Staatsangehörige, die im Ausland wohnen, waren von der Möglichkeit einer Stimmabgabe ausgeschlossen. In einer Erklärung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) heißt es, dass den Wahlen wichtige Voraussetzungen für einen wirklich demokratischen Wahlprozess gefehlt hätten.

Keine OSZE-Wahlbeobachter*innen

Anders als noch bei der Parlamentswahl 2018 verzichtete die OSZE jetzt auf die Entsendung von Wahlbeobachter*innen. Seit der Unabhängigkeit Turkmenistans 1991, das eines der abgeschottesten Länder der Welt ist, war keine Wahl frei und fair.

Das dürfte dieses Mal nicht anders gewesen sein. Laut Berichten von Radio Freies Europa hätten Be­hör­den­mit­ar­bei­te­r*in­nen direkt vor der Wahl Hausbesuche gemacht und sogenannte Wahleinladungen verteilt – nebst entsprechender Empfehlung, wo das Kreuz zu machen sei.

Die Ar­bei­te­r*in­nen in staatlichen Betrieben seien angewiesen worden, zur Wahl zu gehen und ihre Verwandten mitzubringen. Andernfalls drohe der Verlust des Arbeitsplatzes.

Am 11. Februar hatte Gurbanguly Berdymuchammedow nach 15-jähriger Amtszeit angekündigt, seinen Posten räumen und die Macht an jüngere Führungskräfte übergeben zu wollen. Schon seit Längerem hatte es Gerüchte gegeben, Berdymuchammedow plane, seinen Sohn Serdar zu seinem Nachfolger zu machen.

Der 40-Jährige bekleidete seit 2019 wichtige Regierungsposten. Zunächst wurde er Vize-Außenminister, dann Gouverneur seiner Heimatprovinz Ahal. Nach einem kurzen Intermezzo als Industrie-Minister wurde er 2021 stellvertretender Regierungschef. Das Amt des Ministerpräsidenten gibt es formal gar nicht. Diesen Posten hat derzeit Berdymuchammedow senior inne.

Der hinterlässt seinem Spross vor allem ökonomisch ein desaströses Erbe. Obwohl Turkmenistan weltweit über die viertgrößten Vorkommen an Gas verfügt, sinkt der Lebensstandard der Bevölkerung seit Jahren.

Kennzeichnend für diese Entwicklung sind neben grassierender Korruption eine explodierende Inflation, Lebensmittelknappheit sowie eine hohe Arbeitslosigkeit, die unter jungen Leuten auf bis zu 60 Prozent geschätzt wird. Mit ein Grund dafür ist Turkmenistans wachsende Abhängigkeit von China, Nach der Eröffnung der China-Zentralasien-Pipeline 2009 ist die Volksrepublik mittlerweile Hauptabnehmer von turkmenischem Gas.

Doch die Liefermengen haben wegen voll ausgelasteter Transportkapazitäten ihr Limit erreicht. Auch der Schuldendienst aus dem Pipelinebau schmälert Turkmenistans Einnahmen aus dem Gasgeschäft.

Offensichtlich macht dem Land auch die Coronapandemie zu schaffen. Dabei wurde offiziellen Angaben zufolge kein einziger Covid-Fall registriert. Doch hatten bisher Ärzte hinter vorgehaltener Hand immer wieder von überfüllten Krankenhäusern und mehreren Infektionswellen berichtet. Der sollen zahlreiche Menschen zum Opfer gefallen sein.

Scheidender Prasident will nicht ganz abtreten

Ob Serdar Berdymuchammedow dringend notwendige Reformen wie eine Diversifizierung der Wirtschaft in Angriff nimmt, ist eher unwahrscheinlich. Dabei dürfte auch von Bedeutung sein, welche politische Rolle sein Vater künftig zu spielen gedenkt. Der will sich offensichtlich noch nicht zur Ruhe setzen, sondern den Vorsitz der Halk Maslahati, das Oberhaus des Parlaments, übernehmen.

„Klar ist, dass im Spiel der Berdymuchammedows die turkmenische Bevölkerung den Kürzeren zieht“, schreibt das US-Magazin Foreign Affairs. Die Familiennachfolge deutet auf keine unmittelbare Änderung der Regierungsmethoden hin. Gewöhnliche Turk­men*­in­nen werden noch einige Jahrzehnte eine schlechte Regierungsführung, Unterdrückung und eine finstere Wirtschaft erdulden müssen.“

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