Fragen & Antworten zu Corona: Wie läuft’s mit der Pandemie?
Die Inzidenzen sind hoch, die Politik lockert. Kommt die Impfpflicht, gibt es den Freedom-Day und was macht eigentlich Lauterbach?
1 Fällt der „Freedom Day“ aus?
Kurz gesagt: Ja, zumindest an diesem Sonntag. Denn die Bundesländer sind mit dem neuen Infektionsschutzgesetz unzufrieden und sie haben am Donnerstag angekündigt, die meisten bisherigen Maßnahmen in einer Übergangszeit bis Ende März oder Anfang April zu verlängern. Ihnen fehlt im neuen Gesetz vor allem die Maskenpflicht in allen öffentlichen Innenräumen.
Nach der Übergangszeit sollen dann grundsätzlich die „Basisregeln“ gelten. Die schreiben noch eine Maske im öffentlichen Nahverkehr und in Einrichtungen vor, die mit vulnerablen Gruppen arbeiten. Die Bundesländer können zudem „Hotspots“ definieren, in denen härtere Maßnahmen gelten, wie Maskenpflicht in Innenräumen oder Abstandsgebote. Wie genau sie das umsetzen sollen, wissen sie wohl selbst noch nicht. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich am Donnerstagabend aber optimistisch: „Wir glauben, dass man mit diesen Regeln alles tun kann, was man tun muss.“ Ein sogenannter Freedom Day mit großer Party wird das nicht.
Allerdings war ein Freedom Day nach englischem Vorbild auch gar nicht geplant. Selbst die FDP spricht lieber von „Normalität“, obwohl Freedom gut zu ihrer Ideologie passen würde. Vielleicht klang das zu sehr nach Querdenken? Lediglich die AfD beantragte einen „Tag der Freiheit“.
2 Darf ich meine Masken wegwerfen?
Sie dürfen sie nicht nur wegwerfen, Sie sollten das sogar tun. Und zwar regelmäßig. Denn die handelsüblichen Masken sind prinzipiell Einwegprodukte, die man nicht allzuoft nutzen sollte.
Das wird sich durch die Lockerungen nicht ändern. Allerdings wird es wichtiger, welche Maske man trägt. Die sogenannten OP-Masken schützen vor allem Umstehende vor Infektionen durch herumfliegende Tröpfchen. Ihr Einsatz ist sinnvoll, wenn möglichst alle in einem Raum maskiert sind. Wenn dies künftig in Geschäften oder Schulen nicht mehr vorgeschrieben ist, sollte man wieder mehr an sich selbst denken und eine FFP2-Maske tragen. Die reduziert das Einatmen der Aerosole und vermindert das Risiko der eigenen Ansteckung.
3 Kommt die Impfpflicht trotzdem?
Sie ist sogar schon da – zumindest im Gesundheitssektor. Seit Mittwoch gilt die einrichtungsbezogene Impfpflicht. Ob eine allgemeine Impfpflicht hinzukommt, ist noch offen. Bei der Bundestagsdebatte am Donnerstag waren fünf Anträge im Rennen. Zwei davon planen eine konkrete Impfpflicht; einmal ab 18 Jahren und einmal ab 50 Jahren. Ein dritter Antrag sieht vor, eine Impfpflicht vorzubereiten, aber nur zu nutzen, wenn es nötig ist. Und die anderen beiden lehnen eine Impfpflicht ab. Der Antrag für eine Impfpflicht ab 18 hat zwar die meiste Unterstützung, aber keine Mehrheit. In der ersten Aprilwoche stimmt der Bundestag voraussichtlich ab.
4 Wie ist eigentlich die Lage in den Krankenhäusern?
Die Zahl der coronapositiven Patient:innen in Kliniken ist sehr hoch. Laut RKI stieg die Hospitalisierungsrate in dieser Woche auf über 7,5. Das heißt, dass je 100.000 Einwohner:innen 7,5 mit einem positiven Test in ein Krankenhaus aufgenommen wurden. Experten gehen davon aus, dass die Rate eigentlich schon bei 14 liegt – und damit fast so hoch wie an Weihnachten 2020, als während der zweiten Welle extrem viele Menschen starben.
Warum es dennoch keinen Aufschrei gibt? Das liegt an der Corona-Variante Omikron, die zwar milder im Verlauf, aber hoch ansteckend ist. Und wenn viele Menschen infiziert sind, sind es eben auch viele Krankenhauspatient:innen, ohne dass sie wegen Covid-19 ins Krankenhaus kommen. In Rheinland-Pfalz trifft das auf gut die Hälfte der Patien:innen zu. Ist also alles nur halb so wild?
Zumindest auf den Intensivstationen sieht es so aus. Dort werden aktuell etwa 2.300 Covid-Patient:innen behandelt, das ist nicht einmal halb so viel, wie noch im November. „Die Belegung mit Covid-19 liegt deutlich unter der Spitze der Deltawelle und steigt allenfalls langsam an“, sagt Christian Karagannidis, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin. Entspannt sei die Lage dennoch nicht. „Das Hauptproblem in vielen Kliniken ist im Moment der immense Personalausfall. Dies trifft auf zum Teil ziemlich ausgebrannte Teams ohne Reserven.“
5 Redet der Twitter-Lauterbach noch mit dem Gesundheitsminister?
Wie eh und je mahnt Karl Lauterbach auf Twitter, dass es wegen der 200 bis 300 Toten pro Tag keinen Freedom Day geben könne. Er beklagt, dass Deutschland die höchste Corona Inzidenz in Europa hat. Und lobt die Autorin Margarete Stokowski, die über ihr Leben mit Long Covid geschrieben und den Gesundheitsminister kritisiert hat. Dabei heißt der mittlerweile: Karl Lauterbach. Im Netz wird die Frage gestellt, ob der Twitter-Karl nicht mal mit dem Minister reden könne.
Ganz so fremd sind sich die beiden aber nicht. Zwar verteidigt der Minister weiterhin das Auslaufen der Maßnahmen. Aber er twittert auch, dass die Länder erst mal selber ihre Möglichkeiten ausschöpfen müssten. Und er greift als letztes Mittel sogar zu Großbuchstaben: „Maske und 2G+ ohne drohende Überlastung? Machen weder Gerichte noch FDP. Mag man nicht mögen. Aber so IST es. Somit kämpfe ich um jede mögliche Verbesserung der Lage. Lasse mich gerne kritisieren wo angemessen. ABER MEHR GEHT JETZT NICHT, DAS MÖGLICHE MUSS MAN SOFORT NUTZEN.“ Das ist die personifizierte Verbindung von virtueller und realer Gesundheitspolitik.
6 Wie schlimm sind diese Rekordzahlen gerade?
Bis zu 300.000 Corona-Infektionen am Tag – und dennoch ist es nicht vollkommen absurd, dass über Lockerungen debattiert wird. Denn Omikron hat eine niedrigere Letalität. Aktuell werden nur 12 bis 13 Todesopfer pro 10.000 Infizierten registriert. Während der dritten Coronawelle im Frühjahr 2021 waren es bis zu 500. Man könnte Corona tatsächlich abhaken, wenn die Zahl der Infizierten nicht so hoch wäre. Etwa 18 Millionen Infektionen hat das RKI seit Beginn der Pandemie registriert, die Hälfte davon, also 9 Millionen allein in den letzten 7 Wochen. Trotz niedriger Letalität gibt es deshalb rund 200 Tote pro Tag, in etwa so viel wie bei der 1. und der 3. Welle.
„Die Weltgesundheitsorganisation weist darauf hin, dass auch ein pandemisches Virus, das bei gesunden Menschen überwiegend vergleichsweise milde Symptome verursacht, durch die hohe Zahl von Erkrankten in einem begrenzten Zeitraum die Gesundheitssysteme eines Staates überlasten könne.“ Das steht in einem RKI-Bericht über die Grippe-Welle 2016/17. Hier ähneln sich Corona und die angeblich harmlose Grippe tatsächlich einmal sehr.
7 Wo soll das alles hinführen?
Corona wird bleiben. Die Frage ist nur: Wie präsent bleibt es. Karl Lauterbach sprach kürzlich von vier Szenarien für den Herbst. Omikron bleibt, Delta kommt zurück, die beiden verbünden sich oder es kommt eine neue Variante. Wer nicht geimpft ist, wird ein Problem haben. Der große Rest wird lernen, mit dem Virus zu leben.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!