Juventus Turin scheitert erneut: Italien auf Identitätssuche
Juventus Turin scheidet wieder frühzeitig in der Champions League aus. Im Land des Europameisters löst das eine Untergangsstimmung aus.
Der Jubel in den spanischen Gazetten war überschwänglich. „Das U-Boot versenkt Juventus“, titelte Il Mundo Deportivo. Gelbes U-Boot ist der Spitzname des FC Villarreal, der im Allianz-Stadium von Turin die dort heimische Alte Dame mit einem herzhaften 3:0-Kick aus der Königsklasse beförderte. Entsprechend düster reagierten die italienischen Medien. Vom „Desaster Juve“ schrieb Tuttosport, eine „Endstation“ sah die Turiner La Stampa. Der konservative Libero wurde ganz persönlich und klassifizierte Juve-Coach Massimiliano Allegri als „eingebildeten Trainer, der dem Team keine Identität verleihe“ ab.
Groß war vor allem das Erschrecken über das einfallslose Spiel des einstigen Branchenführers. „Das ist kein Fußball!“, urteilte Alttrainer Arrigo Sacchi und forderte eine Reaktion des italienischen Fußballs. Auch Alttrainerkollege Fabio Capello sah das ganze Land herausgefordert. „Das war eine Lektion für den italienischen Fußball. Alle hier müssen verstehen, dass man mehr laufen, mehr Zweikämpfe suchen und auch technisch besser werden muss“, sagte der einstige Champions-League-Sieger mit dem AC Mailand. Das bedeutet knapp gesagt: Alles, was zum Fußball gehört, muss besser werden.
Weil Juventus zugleich der letzte italienische Vertreter in der Champions League war, greift die Angst vor einer noch größeren Misere um sich: Dem Scheitern bei den anstehenden K.o.-Spielen zur Last-Minute-Qualifikation für die WM in Katar. „Der italienische Fußball, vor wenigen Monaten noch Europameister in Wembley, ist kurz vor den Ausscheidungsspielen am Nullpunkt angelangt“, analysierte der Corriere dello Sport.
So klingt Untergangsstimmung. In Sachen Juventus versucht Trainer Allegri zwar noch dagegen anzukämpfen. „Es herrscht große Enttäuschung. Aber von einem Bankrott zu sprechen wäre intellektuelle Unehrlichkeit“, urteilte er. Im Recht sind aber eher die Kritiker. Denn Juve ist nicht nur zum wiederholten Mal vorzeitig in der Champions League ausgeschieden. Zum dritten Mal hintereinander war im Achtelfinale Schluss.
Fehler des Managements
Und in den letzten vier Jahren waren die Gegner zumindest auf dem Papier allesamt schwächer einzuschätzen: Ajax Amsterdam, Lyon, Porto und zuletzt Villarreal. Niemals wurde Juventus seiner Favoritenrolle gerecht. Das kann man den Trainern anlasten, gegen Ajax und jetzt wieder gegen Villarreal saß Allegri auf der Bank. Zwischendrin versuchten Maurizio Sarri und Andrea Pirlo vergeblich ihr Glück. Man kann auch die Spieler in der Verantwortung sehen; sie standen schließlich auf dem Platz. Immer mehr aber rücken die Fehler des Managements in den Blickpunkt.
Der erste bestand 2018 in der Verpflichtung von Torjäger Cristiano Ronaldo. Der bis dahin finanziell stabile Klub verschuldete sich enorm. Ronaldo sorgte zwar für Tore, machte aber den Rest der Mannschaft schlechter. Die Trainerwechsel im Jahresrhythmus verunsicherten den Kader. Jeder Coach hatte seine eigene Philosophie. Das überforderte die Spieler. Vor allem fehlt es an einer Identität, an einer funktionierenden Spielidee. „Man muss aufs Spiel setzen. Das verletzt sich niemals. Wir aber setzen unsere Hoffnung immer auf den Retter des Vaterlands“, klagte Sacchi.
Denn in der Winterpause mobilisierte Juventus mal wieder alle finanziellen Reserven und holte für mehr als 120 Millionen Euro (Ablöse, Gehalt und Prämien) den Serben Dušan Vlahović vom AC Florenz. Der führte sich im Hinspiel auch prächtig mit einem Treffer ein. Im Rückspiel kam aber kaum ein Ball zu ihm.
Die Folgen für Juventus sind beträchtlich. Der Imageschaden ist groß. Die Champions League war angesichts des Rückstands in der Serie A die einzige Chance auf einen Erfolg in dieser Saison. Bedeutsamer ist der finanzielle Schaden. Aufgrund des frühen Aus in der Champions League entgehen Juventus etwa 15 Millionen fest eingeplante Euro. Dabei steht der Klub ohnehin unter verschärfter Beobachtung der Uefa. Die prüft im Rahmen des Financial Fairplay derzeit die Bilanzen ab 2019. Das führt zu einem Verkaufsdruck im Sommer. Spieler mit hohen Salären müssen abgegeben, preiswertere Akteure möglichst besserer Qualität erworben werden.
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