: Der Genosse der Bosse tritt zurück
Der mächtige VW-Gesamtbetriebsratschef Volkert gibt vorzeitig auf – und nährt Spekulationen über eine Schmiergeldaffäre. VW dementiert, dass auch Personalchef Hartz verwickelt ist. VW wäre kein Einzelfall: Die Wirtschaftskriminalität boomt
VON KAI SCHÖNEBERG UND ULRIKE HERRMANN
Vielen galt er als Genosse der Bosse: Klaus Volkert, Gesamtbetriebsratschef von VW, ist bei Teilen der Belegschaft als arbeitgebernah verschrien. Und dennoch waren viele überrascht, als Volkert gestern auf einer Betriebsversammlung in Wolfsburg ankündigte, er wolle seinen Posten bereits heute an Stellvertreter Bernd Osterloh übergeben. Offiziell nannte der 62-Jährige „Altersgründe“, dass er nun ein Jahr früher geht als geplant.
Doch halten sich hartnäckig die Gerüchte, dass Volkert in eine Schmiergeldaffäre verwickelt sein könnte: Der frühere Personalchef der tschechischen VW-Tochter Škoda, Helmuth Schuster, soll über Tarnfirmen in der Schweiz und den USA lukrative Generalimporteursverträge für Indien und Angola abgeschlossen haben. Zudem habe er versucht, Schmiergelder für die geplante Autoproduktion in Indien zu kassieren. „Spiegel Online“ berichtete nun gestern, dass Volkert mit Schuster an einer Firma beteiligt sei, die sich um einen Auftrag von Škoda beworben habe.
Wie Schuster war auch Volkert ein enger Vertrauter von VW-Personalchef Peter Hartz. Die Wirtschaftswoche meldete gestern, auch Hartz sei von der Affäre betroffen und stehe kurz vor dem Rücktritt. Das wurde vom Autokonzern dementiert: „Hartz ist und bleibt Personalvorstand bei Volkswagen“, sagte ein Sprecher.
VW-Chef Bernd Pischetsrieder kündigte eine „lückenlose Aufklärung“ an. Bereits am Dienstag hatte VW zwei Mitarbeiter wegen Untreue und Betrug angezeigt, wie der Braunschweiger Staatsanwalt Klaus Ziehe gestern bestätigte. Der eine sei Schuster, der den Konzern inzwischen „auf eigenen Wunsch“ verlassen hat. Volkert sei jedoch nicht der zweite Beschuldigte. Auch IG-Metall-Chef Jürgen Peters bezweifelte gestern, dass Volkert in die Affäre verwickelt ist.
Volkert galt als einer der mächtigsten Betriebsräte in Deutschland: Er war maßgeblich an der Viertagewoche bei VW beteiligt; Gleiches gilt für das Modell „5.000 x 5.000“, das Joblose weit unter dem VW-Tarif in Arbeit brachte. Im vergangenen Jahr verhandelte Volkert den Tarifvertrag, der den 103.000 westdeutschen VW-Mitarbeitern ihre Jobs bis zum Jahr 2011 sichert – gegen eine doppelte Nullrunde.
Die VW-Affäre wäre kein Einzelfall. Das Bundeskriminalamt summierte die Schäden der Wirtschaftskriminalität zuletzt für das Jahr 2003: Damals waren es 11,9 Milliarden Euro. Allerdings ging die Behörde von einem „großen Dunkelfeld“ aus. Das sehen viele Firmen genauso. Eine Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young ergab, dass die meisten Betriebe annehmen, dass „mindestens jede zweite wirtschaftskriminelle Handlung unentdeckt bleibt“. Acht von zehn Führungskräften gaben an, dass in ihrem Unternehmen in den letzten drei Jahren mindestens eine wirtschaftskriminelle Handlung vorgefallen ist.
Mehr als die Hälfte aller Täter kommt aus den eigenen Reihen – dabei sind Mitglieder der Geschäftsleitung sogar überproportional vertreten. Sie sind auch deutlich gefährlicher, wie Ernst & Young ermittelte: „Während Mitarbeiter ohne Leitungsfunktion meist ‚nur‘ Bagatelldelikte begehen, verursachen Topmanager oftmals durch weitreichende Befugnisse einen wesentlich höheren Schaden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen