Verband der Zeitungsverleger: Irrlichternde Branche
Beim Verlegerverband BDZV rumort es. Die Funke Mediengruppe kündigt sogar ihre Mitgliedschaft. Grund dafür ist mehr als nur Mathias Döpfner.
Das Datum passt zum neuen Job: Am 1. April übernimmt die Medienmanagerin Sigrun Albert die Geschäftsführung des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger, wie sich der gute alte Zeitungsladen BDZV heute nennt. Er präsentiert sich seit ein paar Wochen als gut gespielter Witz, nur dass anschließend niemand „April, April“ ruft.
Für den Zirkus sorgen die wenigen Damen und vielen Herren der Verlage höchstselbst, allen voran ihr Präsident: Mathias Döpfner, Chef von Axel Springer, der dem BDZV seit Herbst 2021 ein Ei nach dem nächsten legt.
Erst hielt er an Bild-Chef Julian Reichelt fest. Dann tauchten schräge DDR-Vergleiche mit Blick auf die Coronapolitik der Groko auf, bei denen Reichelt als eine Art last journalist standing gefeiert wurde. Im Februar bekam die Financial Times heraus, dass alles noch schlimmer und viel früher auch dem Vorstand bekannt gewesen sein soll. Aktuell irrlichtert Döpfner mit markigen Kommentaren zum Ukraine-Krieg durch sein publizistisches Reich.
Mitte Februar schmiss der Vizepräsident, Madsack-Chef Thomas Düffert, hin, weil die gewählten Delegierten des Verbands zu feige waren, den Umgang ihres Präsidenten im Reichelt-Skandal und die Frage, ob das einen für das BDZV-Präsidentenstühlchen qualifiziert, wenigstens mal kritisch zu thematisieren.
Kampf um künftige Ausrichtung
Madsack ist keine unwichtige Klitsche, sondern mit Blättern von Hannover bis Kiel und Rostock bis Leipzig eine in West wie Ost gut aufgestellte Regionalzeitungsgruppe und gehört zu den Top 5 im deutschen Markt.
Letztes Wochenende erklärte dann die Funke-Mediengruppe (WAZ, Thüringer Allgemeine, Hamburger Abendblatt, Berliner Morgenpost, Braunschweiger Zeitung u.a.) sogar ihren Austritt aus dem BDZV. Offiziell geht es auch der Nummer drei des deutschen Tageszeitungsmarktes dabei um die gerne beschworenen „journalistischen Werte“, die Döpfner nach Funke-Sicht nicht mehr erfüllt.
Tatsächlich steckt dahinter ein brancheninterner Machtkampf um die künftige Ausrichtung der Lobbyverbände der Verlagswirtschaft. Besonders natürlich die Frage, wer sie führt. Funke hatte im Januar ein Geheimpapier aus dem eigenen Hause herumreichen lassen, in dem der Konzern mal ganz unbescheiden seine Ansprüche anmeldete. Die Essener hätten am liebsten alle Presse-Gattungen unter einem Dach. Die Mediengruppe macht selbst in Zeitungen und Anzeigenblättern. Doch die haben mit dem VDZ (Zeitschriften) sowie dem BVDA (Anzeigenblätter) ihre eigenen Verbände und marschieren bislang eher getrennt.
Schließlich gibt es bald voraussichtlich viel Geld zu verteilen. Auch wenn die alte Bundesregierung ihre Pläne an die Wand gefahren hatte, mit 220 Millionen Euro erstmals in der bundesdeutschen Geschichte den Verlagen direkt unter die vermeintlich so schwachen Ärmchen zu greifen: Eine Presseförderung des Bundes steht auch bei der Ampel wieder im Koalitionsvertrag. Die Politik macht keinen Hehl daraus, dass sie die Kakofonie der Verlage über das Wie, Was, Wer, Wann nervt.
Chance auf ein „Schluss jetzt!“
Einheit soll her, und wenn es nach Funke geht, über den VDZ. Der wird schon länger umgebaut, Anfang April soll ihn ein neuer „Medienverband der Freien Presse“ (MVFP) ablösen. Dass dem BDZV mulmig wird, darf angenommen werden. Allein, die Verlagslenker*innen sind machtstrategisch mau unterwegs.
Hat die BDZV-Männerbande – im Verbandspräsidium sitzt eine Dame unter 16 Herren – wirklich geglaubt, Funke-Verlegerin Julia Becker würde sich einlullen lassen und brav zurück ins Glied treten, wenn ihr der von Düffert eben geräumte noch warme Sessel im geschäftsführenden Präsidium zugeschoben würde? Haben sie Anfang März versucht, was Becker natürlich dankend ablehnte und Funke jetzt mit dem Ausstieg quittierte.
Passiert ist noch nix. Der Funke-Austritt wird erst zum Jahresende wirksam. Bis dahin können die Essener weiter mitmischen. Auch Madsack-Düffert ist nicht weg, sondern bleibt im erweiterten BDZV-Präsdium. Sigrun Albert, die bei ihrem aktuellen Job im Verlag der NZZ auch nicht nur laue Sonnenuntergänge gewöhnt ist, kann einfach antreten und sagen: „Schluss jetzt.“ Zu hoffen bleibt, dass sie nicht selbst „April, April!“ hinterherschieben muss.
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