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Klimawandel und ArtenschutzIch möchte kein Eisbär sein

Am 27. Februar wird der „Internationale Tag des Eisbären“ gefeiert. Der Klimawandel und die Politik haben ihm das Leben noch schwerer gemacht.

Weniger Eis, weniger Essen – Eisbären sind zur traurigen „Ikone des Klimawandels“ geworden Foto: Danita Delimont/imago

Der 27. Februar wurde 2004 von nordamerikanischen Zoos zum „Internationalen Tag des Eisbären“ erklärt. Denn jetzt, wo der Jagddruck auf Eisbären nachlässt (dank der von den Arktisanrainerstaaten durchgesetzten Schutzmaßnahmen), wirken sich die steigenden Temperaturen derart lebensgefährdend für sie aus, dass sie zur traurigen „Ikone des Klimawandels“ geworden sind. Wegen der Packeisschmelze haben sie zunehmend Probleme, ihre Hauptnahrung Robben an deren Atemlöchern zu erbeuten.

Eisbären führen in der Arktis ein amphibisches und nomadisches Leben, gelegentlich überqueren sie auf ihren Wanderungen den Nordpol. Deswegen konnten keine gravierenden Unterschiede zwischen den Eisbären in Kanada und Alaska und den Eisbären auf Grönland und Spitzbergen, in Sibirien und auf den vorgelagerten arktischen Inseln festgestellt werden.

Den Eisbären folgen die Polarfüchse. Sie leben von dem, was die Bären bei den Robben übrig lassen – und das ist viel, denn sie fressen nur das Fett. Die Füchse wurden von den Inuit nicht beachtet, aber bei den Weißen ließen sich dann ihre Felle zu Geld machen. So wurden die Inuit „ausschließlich abhängig von den Füchsen“, deren Verbreitung von der Verbreitung der Eisbären abhängig ist, schrieb der Ethnologe Jean Malaurie.

Es gibt zwischen den westlichen und den östlichen Eisbären einen großen Unterschied in ihrer Wahrnehmung durch die Weißen. Wenn man dem Schriftsteller Bjørn Vassnes (in seinem Buch „Im Reich des Frosts“ – 2019) folgt, dann hat das mit der Einstellung zur Arktis zu tun: Während dieses kalte „Reich“ im Westen als „gefährlich und schrecklich, ja sogar als Wiege des Bösen“ – in Märchen wie Andersens „Die Schneekönigin“ und Disney’s „Die Eiskönigin“ zum Beispiel – begriffen wird, mindestens als Land voller Entbehrungen und Gefahren, hat man in Russland „ein anderes Verhältnis zu Eis und Schnee“.

Winter als Rettung

Dort gab (und gibt) es Winter, die das Land mindestens zweimal in der neueren Geschichte vor Invasoren retteten – „erst vor Napoleon, dann vor Hitler“, denen ihre Armeen in Russland buchstäblich erfroren. „Kein Wunder, dass in Russland Väterchen Frost den Kindern Geschenke bringt“, meint Vassnes. Unter den letzten circa 23.000 Eisbären gelten folglich die amerikanischen als gefährliche Bestien, während die russischen eher als friedlich gelten.

Am Internationalen Tag des Eisbären 2020 begann in Russland eine Zählung aller Eisbären – von der Tschuktschensee bis zur Barentssee. Die Wrangel­insel vor der Tschuktschen-Halbinsel gilt als „Heimat der Eisbären“. An den Berghängen graben sich im Winter bis zu 500 weibliche Eisbären Schneehöhlen und bekommen dort ihre ein bis drei Jungen. Währenddessen fasten sie bis zu vier Monate und wärmen und säugen ihre anfangs noch nackten Jungen. Manche der Höhlen auf der Insel sind dicht nebeneinander gebaut, sodass die Mütter, die zehn Monate tragend sind, sich durch einen Verbindungsgang verständigen können.

„Langfristiger Rückgang“

Die Zahl der Wurfhöhlen auf der Wrangelinsel nimmt zu, während Orte an der Hudson Bay und auf Spitzbergen inzwischen weniger stark von den Tieren genutzt werden, da sich in manchen Jahren das Meereis dort zu spät bildet – oder sogar überhaupt nicht. Die Eisbärinnen sind dann gezwungen, sich anderswo ein Winterlager zu suchen. „Es ist ein dynamisches System, daher gibt es gute und schlechte Jahre“, erklärte der Eisbärforscher Andrew Derocher von der University of Alberta dem Wissenschaftsjournal spektrum.de. Doch insgesamt seien diese Schwankungen „Ausdruck eines langfristigen Rückgangs“.

Denn die Zahl der Wurfhöhlengebiete nehme in den arktischen Gebieten der westlichen Na­tio­nen kontinuierlich ab. Die Bären bleiben so lange wie möglich auf dem Eis, meint die Wildtierbiologin Karyn Rode vom U.S. Geological Survey in Anchorage. Aber mit zunehmendem Rückzug des Meereises werde „Wrangel zum nördlichsten Punkt, an dem die Bären an Land gehen können“.

Gefängnis für Eisbären

Weibliche Eisbären verbringen daher heute eine längere Zeit auf der Insel als noch vor 20 Jahren. Im Westen gilt die Hafenstadt Churchill an der kanadischen Hudson Bay als „Eisbärenstadt“. Die hungrigen Tiere kommen dorthin, um in den Abfällen nach Futter zu suchen. Für besonders aufdringliche Eisbären hat die Stadt ein Gefängnis gebaut.

Auch auf Spitzbergen trauen sie sich gelegentlich bis in die Siedlungen: 2020 tauchte ein Eisbär wiederholt im Zentrum der Hauptstadt Longyearbyen auf. Nachdem er nicht vertrieben werden konnte und kein Tierarzt zur Betäubung vor Ort war, um ihn dann in ein entferntes Gebiet auszufliegen, es auch nicht genug Personal gab, um Wachen aufzustellen, ließ die Gouverneurin den „Problembären“ erschießen. Norwegens Umweltminister hatte zuvor den Van Mijenfjord zum neuen Schutzgebiet für Robben und Eisbären erklärt, weil sich dort das Eis besonders lange hält und man wegen des Arktistourismus die letzten Eisbärinnen auf Spitzbergen halten will.

Politisierung des Eisbären

Die Welt schrieb 2014, die Eisbären seien wegen des Klimawandels „vom Aussterben bedroht“. Hinzu kam dann, dass der US-Präsident Trump das Verbot für Alaska, junge Eisbären zu töten, aufhob. Zudem äußerte Trump 2020 den Wunsch, Grönland zu kaufen, wo das US-Militär seit 1951 einen riesigen Stützpunkt, die Thule Air Base, hat. Die Amerikaner hatten ihre Flagge bereits 1882 auf der Wrangelinsel gehisst, die einem US-Millionär gehörte. Dessen Leute wurden dann von der Roten Armee vertrieben.

37 Jahre später landeten 8.000 US-Soldaten in Wladiwostok und 5.000 in Archangelsk, um den Bolschewismus zu bekämpfen. Ihre Parteinahme für die „Weißen“ im Bürgerkrieg nannte sich „Polar Bear Expedition“. Sie wurden von der Roten Armee angegriffen, 129 Soldaten starben. Als sie 1919 den Rückzug antraten und mit einem Eisbrecher nach Hause gebracht wurden, bekam die Einheit den Namen „Polar Bears“; ihre Toten wurden auf einem Friedhof in Michigan um eine Eisbärenskulptur herum beigesetzt.

Beliebte Trophäe

Bei den Reichen ist die Trophäenjagd auf Eisbären noch immer beliebt. In Hollywood gab es lange Zeit kaum einen weiblichen Star, der sich nicht lasziv auf einem Eisbärenfell räkelte, genannt seien: Pola Negri, Jean Harlow, Ann Miller, Ann Sheridan, Joan Collins, Ann Crawford, Carroll Baker, Edwina Both, Lisbeth Scott, Olga Baclanova, Dolores Del Rio, Rita Hayworth, Grace Kelly, Veronica Lake, Marlene Dietrich, Marilyn Monroe – und zuletzt die Präsidentengattin Melania Trump.

Den Inuit werden auf internationaler Ebene für die Subsistenzjagd auf Eisbären Quoten zugeteilt: Sie erlegen jährlich etwa 150 Tiere. Deren Felle werden immer teurer, bis zu 3.000 Euro, weil es eine steigende Nachfrage in China gibt. Naturschützer wie der Däne Morten Jörgensen kritisieren, dass man den Inuit, die von der „traditionellen Jagd“ leben, überhaupt eine Quote an Eisbären einräume: Da ist nichts „Traditionelles“ mehr an der Jagd, meint er.

Umsorgter Eisbär

„Die Inuit gehen mit hochtechnischen Motorschlitten und wummstarken Gewehren, mit Feldstechern und Spezialkleidung auf das Eis.“ In Russland reagiert man gelassener auf Eisbären. Der Sender RTL zeigte 2019 ein Video von einem Eisbären, der plötzlich in einem Dorf auf Kamtschatka auftauchte. Die Halbinsel liegt 700 Kilometer vom Eismeer entfernt im Pazifik. Eisbären können weit schwimmen – aber so weit, das ist selten.

Die Bilder zeigten einen „erschöpften Eisbär bei der Ankunft und wie er von den Menschen empfangen wird. Die Einheimischen, die dem Bären Fisch hinwerfen, geben dem Tier das Gefühl, sich willkommen zu fühlen. Angst vor dem Tier brauchten die Menschen in diesem Fall nicht zu haben. Denn der Bär ging an den Bewohnern vorbei, ohne Aggression zu zeigen.“ Gleichzeitig bereiteten die Behörden in Kamtschatka sich aber auf eine Rettungsaktion vor: „Sie planen, den Bären mit einem Beruhigungsmittel für eine bestimmte Zeit auszuschalten und dann mit einem Hubschrauber zurück in die Arktis zu fliegen.“

Braunbären drängen in Arktis

Auf der riesigen, nahezu unbewohnten Dop­pel­in­sel Nowaja Semlja tauchten 2020 in der Nähe des Hauptorts Beluschja Guba 52 Eisbären auf. „Zu viele, deshalb haben die Behörden auf der Doppelinsel im Nordpolarmeer den Notstand ausgerufen“, berichtete die „Tagesschau“. Einige Bären waren in Häuser eingedrungen. Die Tiere wollte man betäuben und fortbringen. Das erwies sich jedoch als nicht nötig. Der Verwaltungschef erklärte der Presse, die Eisbären hätten den Ort verlassen, als sich Eis angesammelt und eine Gruppe einheimischer Eisbären sie dann verjagt hatte.

Die Eisbären haben sich einst von den Braunbären nach Norden abgesetzt – und zur Not würden sie auch wieder ein Leben an Land führen können, meint der Ökologe Josef H. Reichholf. Derzeit passiert jedoch eher das Gegenteil: Die (braunen) Grizzlybären drängen in die Arktis. Und sie verpaaren sich auch mit Eisbären. Ihre Jungen sehen allerdings noch etwas schmuddelig aus.

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