Richtlinien für Lieferketten: Ein schönes Argument für Europa
Die EU setzt einen internationalen Standard für Menschenrechte in der Wirtschaft. Geschädigte können ihre Rechte vor Gerichten in Europa einklagen.
E inen weltweiten Standard für Menschenrechte in der Wirtschaft setzt jetzt die Europäische Union. Am Mittwoch stellte die Kommission den Entwurf ihrer Lieferketten-Richtlinie vor. Hiesige Unternehmen müssen sich, wenn der Vorschlag der Kommission durchkommt, künftig darum kümmern, dass ihre weltweiten Lieferanten die Gewerkschaftsfreiheit der Beschäftigten gewährleisten oder die Anwohner vor Landraub und Wasserverschmutzung schützen.
Durchsetzen sollen das nicht nur die Behörden der EU-Mitgliedstaaten, sondern Geschädigte können dann ihre Rechte auch vor europäischen Gerichten einklagen. Das alles gilt für etwa 13.000 Firmen in der EU, zusätzlich aber auch für ungefähr 4.000 ausländische Unternehmen, die in Europa Geschäfte machen. Gerade diese internationale Wirkung stellt einen kaum zu unterschätzenden Fortschritt dar.
Das neue EU-Gesetz dürfte damit Unternehmen wie den in der Schweiz ansässigen Rohstoff-Konzern Glencore betreffen, der einen großen Teil etwa der Ausbeutung von Kupfer und Kobalt in der Republik Kongo beherrscht. Auch andere Konzerne, die den globalen Handel mit Rohstoffen dominieren, korrupte Diktatoren finanzieren und Wüsten hinterlassen, bekommen ein neues Problem.
Sicherlich könnte die EU-Regulierung konsequenter ausfallen. Volkswagen wird schon einen Weg finden, die kastrierten Rechte seiner Beschäftigten in China schön zu malen. Wobei an solchen Punkten interessante Prozesse auch vor deutschen Gerichten zu erwarten sind. Voraussetzung: In den kommenden Verhandlungen mit dem EU-Parlament und dem Rat wird der Entwurf nicht noch glatt geschliffen.
Grundsätzlich jedoch ist die Lieferketten-Richtlinie ein Beispiel für eine positive, weltweite Standardsetzung durch die EU, ähnlich der Datenschutzgrundverordnung oder dem Vorhaben der Klimaneutralität. Nicht um Neokolonialismus handelt es sich, sondern um den Versuch, den universellen Menschenrechten Gültigkeit zu verschaffen. Ein schönes Argument für Europa.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke