Roman „Einhandsegeln“ als Theaterstück: „Das ist eine andere Daseinsform“
Segeln als Metapher: Im Hamburger Thalia-Theater kommt der Roman „Einhandsegeln“ von Christian Kortmann als innerer Monolog auf die Bühne.
taz: Sind Sie Segler, Herr Kortmann?
Christian Kortmann: Nur in der Fantasie.
Aber Sie haben ein Buch über das Einhandsegeln geschrieben!
Es geht mir in dem Buch um Fragen, die uns grundsätzlich in dieser Gesellschaft beschäftigen Das Alleinsein und die Einsamkeit sind bei einem Einhandsegler das tägliche Brot, ja: die grundsätzliche Arbeitsbedingung. Der Protagonist in meinem Buch sucht diese Einsamkeit und macht sie enorm produktiv. In der Beschäftigung mit den Einhandseglern ist mir auch das erste Mal der Begriff „Einsamkeitsliebe“ begegnet, den kannte ich so vorher noch nicht.
Steht das Segeln hier für eine Flucht vor der Welt?
Das glaube ich nicht, der Ozean ist ja auch Teil der Welt. Es wird aber ein anderer Teil der Welt erfahrbar gemacht. Es geht einerseits um eine Reduktion der Komplexität, weil auf dem Ozean viele Dinge klarer sind, andererseits ist vieles schwieriger, weil man ja den ganzen Tag beschäftigt ist, auch mit existenziellen Fragen. Das ist einfach eine andere Daseinsform. Viele Einhandsegler sagen: Hier auf See erlebe ich mich als Mensch stärker und intensiver, als ich das an Land je könnte.
Geboren 1974 in Köln, arbeitet als Journalist und veröffentlichte mehrere Romane. Er lebt in Hamburg. „Einhandsegeln“ erschien 2021 bei Dörlemann.
Die Sesshaftigkeit kommt dem Segler in Ihrem Buch sogar wie „ein Strafmaß“ vor.
Die ist sicher schwer auszuhalten, wenn man die absolute Freiheit des Segeln erlebt hat. Die Reise nach Kap Horn steht hier als Bild für einen großen Ausbruch und für eine Beschäftigung mit der eigenen Biografie. Das ist auf See möglich: einen sehr intensiven Dialog mit sich selbst zu führen, jenseits all der Ablenkungen an Land.
Das geliebte Alleinsein und die „Einsamkeitsstrapazenangst“, wie sie es nennen, liegen nahe beieinander.
Das sind die beiden Pole – ohne das Risiko einzugehen und sich dem Schmerz auszusetzen kann man auch das andere nicht haben!
Am Ende des Buches entpuppt sich die Reise als eine in Gedanken.
Ja, es geht in dem Buch auch immer wieder um die Frage: Passiert das jetzt gerade wirklich? Der Ich-Erzähler verlässt am Ende zwar seine Wohnung, hat mit dem Meer aber sonst nicht viel zu tun. Er hat einen Globus, Fantasie und Bilder im Kopf aus der Vergangenheit. Das Meer ist hier das Medium des Dialogs. Denn was wir im Leben nicht lernen: der Umgang mit uns selbst, mit unseren eigenen Vergangenheit. Viele Menschen hadern da entweder – oder verklären. Der Einhandsegler hält da elegant die Balance. Und er zeigt: Die Fantasie ist wie die Literatur eine der großen Trostmöglichkeiten, die der Mensch hat.
Ist der Traum selbst wichtiger als seine Umsetzung?
Einen Traum ausleben – das ist ja meist eine Paradoxie. Das bewusste Träumen ist schon die Einlösung desselben. Denn beim Einlösen des Traums scheitert man oft an der Schwerkraft der Realität.
Spricht aus Ihrem Einhandsegler auch eine Abneigung gegen soziale Medien und die Hektik der digitalisierten Welt?
Es geht da eher um eine Abneigung gegen das Unehrliche, Aufgesetzte, Manipulative, das mehr auf Schein als Sein bedacht ist. Mit dem Blendertum haben wir ja überall zu kämpfen.
Aber als echter Einhandsegler kommt man damit nicht weit.
Ja, aber auch vor sich selbst kommt man damit oft nicht weit. Um mit sich selbst klarzukommen, muss man auch mit sich selbst ehrlich sein.
Das Buch kommt nun auf die Bühne. Wie muss man sich diesen inneren Monolog im Theater vorstellen?
Es ist ein Einmannstück, doch ich habe es selbst auch noch nicht gesehen. Es wird aber eine sehr dynamische und lebendige Veranstaltung werden – das garantieren Regisseur und Hauptdarsteller. Für mich war das Buch immer ein Hybrid aus Monolog und Roman. Und den Dialog mit sich selbst, denn der Einhandsegler führt, hat ja immer etwas Theatrales. Für mich ist es folgerichtig, dass das Buch jetzt den Weg auf die Bühne findet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!