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Taiwanischer Horrorfilm „The Sadness“Das limbische System übernimmt

Verdrängung und Verschwörung in Zeiten von Corona: Der taiwanische Horrorfilm „The Sadness“ macht sich einen blutigen Reim auf die Pandemie.

Das Virus in „The Sadness“ macht Menschen zu blutrünstigen Zombies Foto: Capelight Pictures

Das kleine fiese Virus im Vorspann kommt einem doch verteufelt bekannt vor: prächtige Spikes, damit kriegt es seine potenziellen Wirte schnell rum. Sein Name ist Alvin, wir sind also in einer Parallelrealität zu unserer Covid-Wirklichkeit. Aber auch hier wird die Lage in Windeseile pandemisch. So bleiben Kat (Regina Lei) und Jim (Berant Zhu) nur zehn friedliche Minuten.

Ein Morgen wie jeder andere, die beiden im Bett, der kleine Streit über den Urlaub, nach so etwas werden sie sich, wenn der Horror beginnt, geradezu sehnen. Nett scheint der blumengießende Nachbar auf dem Balkon, bald darauf steht er mit blutunterlaufenen Augen und Gartenschere im Zimmer und genießt, schnipp-schnapp, Finger Food einmal anders.

Alvin, das Virus, ist nicht der Grippe, sondern der Tollwut verwandt. So ist es, weil die Regierungen sorglos wurden, fröhlich in Richtung Splatter mutiert. Die Menschen, die es befällt, werden eine Art Zombies, allerdings nicht von der tumben, torkelnden, der Sprache nicht mehr mächtigen Art. Vielmehr übernimmt, erfahren wir in einem Erklärstück, als alles zu spät ist, einfach das limbische System das Kommando.

Reptilienhirn kapert Subjekt, Subjekt wird von sadistischer Mord- und Vergewaltigungslust übermannt und genießt wider besseres Wissen das Quälen. Der das erklärt, ist ein Virologe. Kein vernünftiger Drosten, sondern, dem Genre angemessen, ein Angehöriger der Gattung Mad Scientist. (Im Müllsack quäkt ein untotes Baby.)

Die Infektion greift um sich

Die Katastrophe beginnt für Kat, kaum ist sie aus dem Haus, mit einem älteren Herrn, der sie in der U-Bahn belästigt. Den Herrn wird sie, wird der Film ziemlich lange nicht los, auch wenn sich in der U-Bahn ein junger Mann zunächst in den Vordergrund drängt. Wahllos sticht er auf Mitfahrer ein, das Blut spritzt gewaltig, auf Gesichter, Fenster, Boden, überallhin. Ein paar Leute tragen Maske, aber hier hilft sie nichts. Die Infektion mit der Tollwut greift um sich, bald ist ein gegenseitiges Hauen, Stechen, Vergewaltigen und Fressen in Gang. Und so geht das immerzu weiter, auch der Belästiger wird zum Zombie und rammt der jungen Frau neben Kat die Regenschirmspitze ins Auge.

Der Film

„The Sadness“. Regie: Rob Jabbaz. Mit Regina Lei, Berant Zhu, u. a. Taiwan 2021, 100 Min.

Sehen wir das? Ja, und wie wir das sehen. Mehr ahnen als sehen werden wir später, wenn der Zombie die Augenhöhle der Frau tatsächlich penetriert. „The Sadness“ ist ein Film von großer, ja erschöpfender Blutzeigelust und Körperschlitzwut, viel Gedärm wird aus dem Körperinnern geräumt und zur wohlgefälligen Betrachtung blutig drapiert. Es wird geschlagen, gerammt und getreten, es werden Knochen gebrochen und Speisen in frische Wunden erbrochen.

Die FSK-Kinofreigabe ab 18 hat der Film mit Ach und Krach nur erreicht. Die Lizenz zum Sadismus hat sich das Drehbuch durch den Verweis auf das limbische System, das die Regie übernimmt, zuvor selbst erteilt. Vergleichsweise dezent verfährt Regisseur Rob Jabbaz immerhin bei den Vergewaltigungsszenen. Hier hält die Kamera, anders als beim blutrünstigen Metzeln, nie voll drauf, sondern blickt ein wenig seitlich vorbei am widerwärtigen Treiben.

Viel Blut, viel Gewalt

„The Sadness“ spielt in einer nicht sehr großen Stadt in Taiwan. Der Film sucht sonst das Gewusel, diese Stadt zeigt er aber gerne in der Totalen, auch mal die Straßen von oben. Der Regisseur ist Kanadier, hat in Taiwan aber schon ein paar kurze Animationsfilme gedreht. Das ist zwar sein Real- und Spielfilmdebüt, Menschen und ihre Körper begreift er allerdings weiterhin eher auf Animationsfilmerweise: Sie sind formbar, dehnbar, zerteil- und zermetzelbar, viel Blut, viel Gewalt, jede Körpergrenze ist unbedingt überschreitbar. Gefilmt ist das mit viel Latex- und Protheseneinsatz, mit Digitaleffekten hält Jabbaz sich eher zurück.

An Zombies herrscht in der Film- und Serienproduktion seit vielen Jahren kein Mangel. Nicht in den USA („The Walking Dead“), nicht im südkoreanischen Kino („Train to Busan“). Nun also Taiwan. Die Zombies haben oft recht wacker als Metapher gedient, für den konsumistischen Kapitalismus, der uns zu Hirntoten macht, für den dünnen Firnis der Zivilisation, unter dem in uns der von allen moralischen Erwägungen befreite Gewalttäter lauert. Zwar ist das Menschenbild in „The Sadness“ einschlägig düster, übermäßig viele Gedanken über subtilere Deutungsebenen hat sich hier aber keiner gemacht.

Das ist nicht nur schlecht. Völlig klar ist der satirische Bezug auf die Verdrängungsleistungen und Verschwörungstheorien der Coronapolitik. Im Fernsehen, das sonst nur eine rote Warntafel sendet, sieht man spät, aber doch eine Live-Übertragung. Es spricht erst ein Militär, dann der Präsident, dem bald darauf eine Handgranate im Mund den Kopf völlig zerfetzt. Es ist gewiss weniger die taiwanische No-Covid-Politik, die Jabbaz anvisiert, als die jener Länder, in denen die Lage außer Kontrolle geriet. Andererseits muss man einfach sagen: Es hält sich das Politisieren und das Moralisieren in sehr engen Grenzen. Zu groß ist die Lust des Films, alles, was sich sagen und kritisieren ließe, in massiver Gewalt und in Strömen von Blut zu ersäufen.

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