Schwangere Neuseeländerin: Ausgerechnet die Taliban helfen
Die neuseeländische Kriegsreporterin Charlotte Bellis wird während ihrer Mittelost-Reportagen schwanger. Aber Neuseeland verweigert ihr die Einreise.
Doch als die neuseeländische Kriegsreporterin Charlotte Bellis bei den Behörden mit 59 angefügten Dokumenten und anwaltlicher Hilfe beantragte, zur Geburt ihrer Tochter in die Heimat zurückkehren zu dürfen, wurde diese mit Verweis auf die strengen Coronabestimmungen abgelehnt.
Ärzte hatten der 35-jährigen Frau einst bestätigt, dass sie keine Kinder bekommen könne. Als sie dann überraschend von ihrer Schwangerschaft erfuhr, arbeitete die Journalistin gerade in Doha im Emirat Katar beim TV-Nachrichtensender Al Jazeera. Für den Kanal berichtete sie aus Afghanistan.
Schwanger und unverheiratet: In Doha verboten
Doch weil in Doha unverheirateten Frauen verboten ist, schwanger zu werden, musste Bellis schon ihren Schwangeschaftstest als journalistische Recherche tarnen und dann möglichst schnell das Land verlassen. Ihr Partner, ein belgischer Fotograf, lebt in Kabul. Gemeinsame Recherchen ergaben, dass Afghanistan das einzige Land ist, für das beide ein Visum haben, und dass sie nur dort legal entbinden kann.
Ausgerechnet Kabul: Bellis hatte als eine von nur drei weiblichen Journalisten von der ersten Pressekonferenz der radikalislamistischen Taliban nach deren Machtübernahme in Kabul berichtet. Gleich als Erstes konfrontierte sie den Talibansprecher mit der Frage, wie sie denn die Rechte von Frauen und Mädchen schützen würden. Jetzt nennt sie es in einem Artikel für den New Zealand Herald „eine brutale Ironie“, dass sie ausgerechnet diese Taliban um Geburtshilfe bitten musste. Denn auch deren jetziges Regime behandelt Frauen wieder wie Menschen zweiter Klasse.
Charlotte Bells
Zudem hat Afghanistan eine der höchsten Mütter- und Säuglingssterblichkeitsraten der Welt. „Eine Schwangerschaft kann hier ein Todesurteil bedeuten“, so Bellis. Doch die Taliban verwiesen darauf, dass Ehefragen für sie als Ausländerin ihre Privatangelegenheit seien und schrieben laut Bellis freundlich: „Wir freuen uns für Sie, Sie können kommen und werden keine Probleme haben. Sagen Sie einfach, sie seien verheiratet, und wenn es schwieriger werden sollte, rufen Sie uns an. Bleiben Sie ruhig, alles wird gut.“
Bellis wuchs im südneuseeländischen Christchurch auf, war in ihrer Jugend eine Nachwuchshoffnung beim Tennis und studierte dann in den USA Journalismus. Zurück in Christchurch fing sie als Lokalreporterin beim Fernsehen an, wurde später Moderatorin. Seit 2017 arbeitete sie für Al Jazeera, erst als Producerin, dann als Korrespondentin.
Nachdem sie jetzt ihren Fall in Neuseeland öffentlich machte, merkte die Regierung plötzlich, wie peinlich das ist, und erklärte, man werde den Fall erneut prüfen. Doch Bellis machte klar, sie wolle keine Sonderbehandlung. Es gebe Tausende Schwangere, deren Einreiseanträge abgelehnt wurden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Neuwahlen
Beunruhigende Aussichten
Scholz telefoniert mit Putin
Scholz gibt den „Friedenskanzler“
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Ost-Preise nur für Wessis
Nur zu Besuch
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Verzicht auf Pädagogen in Bremer Kitas
Der Gärtner und die Yogalehrerin sollen einspringen