: Die Agenten-Allianz
AUS PARIS DOROTHEA HAHN
Während sich Washington und Paris auf dem Höhepunkt der Irakkrise öffentlich anfeindeten, funktionierte die Zusammenarbeit ihrer Geheimdienste bestens. Das bestätigte gestern indirekt die französische Verteidigungsministerin.
Michèle Alliot-Marie sagte im Fernsehinterview, die Anti-Terror-Zusammenarbeit zwischen CIA und DGSE „geht sehr weit“. Als Beispiele nannte sie die „gemeinsame Informationsbeschaffung, die gemeinsame Vorbeugung und gemeinsame Aktionen – zum Beispiel in Afghanistan“. Die Zusammenarbeit, so die Ministerin, habe „eine Reihe von Katastrophen verhindert“. Einzelheiten zu den „Strukturen und Organisationen dieser Kooperation“ nannte sie nicht.
Alliot-Marie reagierte auf einen Bericht der Washington Post. Das Blatt hatte am Sonntag einen Bericht über ein in Paris angesiedeltes Anti-Terror-Zentrum veröffentlicht. „Alliance Base“ sei 2002, wenige Monate nach den Attentaten vom 11. September, gemeinsam vom französischen Auslandsgeheimdienst DGSE und der CIA gegründet worden. Das Zentrum gehe auf eine französische Idee zurück. Es sei weitgehend CIA-finanziert, Chef sei ein General der DGSE, der früher in Washington gearbeitet habe. Arbeitssprache sei Französisch. Außer aus den USA und Frankreich seien Agenten aus vier weiteren Ländern an der Zusammenarbeit in der Alliance Base beteiligt: Großbritannien, Kanada, Australien und Deutschland.
Nach Informationen, die die Pariser Wochenzeitung Nouvel Observateur in französischen Geheimdienstkreisen einholte, dürfe man sich unter Alliance Base keine Organisation „mit Organigramm und festem Sitz“ vorstellen. Vielmehr träfen sich die Agenten aus sechs Ländern täglich in Paris – „ohne in ein Flugzeug steigen zu müssen,“ ergänzte die anonyme Quelle. Die dem Verteidigungsministerium unterstellte DGSE ist in den letzten Monaten im Zusammenhang mit Geiselbefreiungen im Irak mehrfach positiv in den französischen Medien erwähnt worden.
Das Besondere an Alliance Base ist laut Washington Post, dass dort nicht nur Informationen ausgetauscht, sondern Operationen geplant und in die Regie einzelner Dienste übergeben werden. Eine der bislang 20 durchgeführten Operationen war die Verhaftung des Deutschen Christian G. An die Mobilnummer des zum Islam konvertierten Metallers aus dem Ruhrgebiet war der letzte Anruf des Selbstmordattentäters im tunesischen Djerba gegangen. Bei dem Attentat im April 2002 starben 21 Menschen.
Im Juni 2003 verhaftete die französische Polizei G. auf der Durchreise am Pariser Flughafen. Laut US-Informationen ist er der wichtigste Al-Qaida-Mann in Europa. Die Zusammenarbeit zwischen CIA und DGSE soll zu der Verhaftung des Deutschen geführt haben. Anschließend übernahm der auf Terrorismus spezialisierte französische Untersuchungsrichter Jean-Louis Bruguière den Fall. Er hatte in den 90er-Jahren gegen „Carlos“ ermittelt, der von französischen Geheimdienstlern im Sudan gefangen, betäubt und in einem Sack nach Frankreich gebracht worden war.
Die wenigen bislang bekannten Details über Alliance Base erinnern an Geheimstrukturen des Kalten Krieges. Die offiziell 1990 aufgelöste Organisation „Gladio“, die unter anderem auch den Namen „Stay Behind“ trug, konzentrierte ihre Arbeit auf die Sowjetunion. Alliance Base hingegen ist auf die Bekämpfung von al-Qaida spezialisiert.
Bis zu den Attentaten vom 11. September verlief die Antiterrorarbeit zwischen Frankreich und den USA nach französischem Empfinden unbefriedigend. Wiederholt beklagten französische Ermittler die Naivität und mangelnde Sensibilität auf der anderen Seite des Atlantiks. Die Franzosen blickten da bereits auf langjährige Erfahrungen im Umgang mit islamistisch motivierten Attentaten zurück: darunter im Dezember 1994 die Entführung einer Air-France-Maschine nach Algier, die – so die französischen Ermittler – die Entführer gegen den Eiffelturm fliegen wollten, außerdem die Attentate in der Pariser U- und S-Bahn Mitte der 90er-Jahre. Als weitere Voraussetzungen bringt Frankreich sein dichtes Netz von Kontakten in die arabische Welt mit in die Geheimdienst-Zusammenarbeit ein.
Schon 2003 war klar, dass es neben den diplomatischen Auseinandersetzungen zwischen Paris und Washington über eine Invasion im Irak auch Kooperationen gab. Damals entsandte Chirac 200 Spezialisten der DGSE zum Antiterrorkampf nach Afghanistan. Dort standen sie unter US-Kommando.
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