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Handball-BundesligaLehrstunde für den Aufsteiger

Die Handballer des HSV Hamburg verlieren gegen den THW Kiel. Für das Team ist das kein Beinbruch, die Saison läuft bisher überraschend gut.

Hatten Grund zu Jubeln: Die Auswechselspieler des THW Kiel und Trainer Filip Jicha Foto: Axel Heimken/dpa

Hamburg taz | Das ganze hatte auch sein Gutes. „Wir haben jetzt Videomaterial“, sagte HSV-Torwart Johannes Bitter breit grinsend, „wie wir es besser machen können“. Allerdings. Eine Halbzeit lang bissen sich die Handball-Profis des HSV die Zähne an der offensiven Abwehr des THW Kiel aus. Als es am Sonntagmittag vor 8.000 Fans in der Arena im Volkspark 15:6 für die Kieler stand, war die Partie des 14. Spieltages schon entschieden.

Dass es keine ganz bittere Lehrstunde für den Aufsteiger in die Bundesliga wurde, lag daran, dass die Kieler durchwechselten und etwas weniger fokussiert deckten. Am Ende verlor der HSV 23:32 gegen den Rekordmeister. Kein Beinbruch, meinte Bitter, der diesmal ab der 23. Minute auf der Bank gesessen hatte: „Es ist normal, dass mal ein Spiel in die Hose geht.“

Tatsächlich hatten die Hamburger gegen abgezockte Kieler häufig wie Jugendspieler gewirkt; da war ein deutliches Kieler Plus an Körpergewicht und Cleverness. Der frühere Hamburger Domagoj ­Duvnjak war von der ersten Sekunde an da und bot in Defensive und Offensive Weltklasse – hinterher schrieb er geduldig Autogramme und lobte die junge Hamburger Mannschaft: „Es war schön, wieder hier zu sein. Der HSV ist viel besser, als man es von einem Aufsteiger erwarten kann.“

Stimmt – in diesem Spiel allerdings nicht. Doch mit 14:14 Punkten und einigen „Big Points“ im Gepäck kann sich der HSV schon ziemlich sicher fühlen, auch wenn gegen den THW wenig ging. „Wir konnten nicht davon ausgehen, gegen Kiel zu gewinnen“, sagte HSV-Trainer Torsten Jansen später, „wir hatten uns vorgenommen, das Spiel eng zu gestalten. Aber dafür hätten wir wenigstens die Hälfte unserer freien Würfe gegen Niklas Landin reinmachen müssen.“

Gestiegene Erwartungen beim HSV

Dass Fachleute und Publikum überhaupt davon ausgehen konnten, dass für den HSV etwas möglich sein würde gegen den Krösus aus Kiel, spricht für gestiegene Erwartungen an den „neuen HSV“. In dieser bislang überraschend gut verlaufenden Saison mit Siegen gegen die Löwen, Wetzlar und zuletzt Melsungen setzt Jansen weitgehend auf die Aufstiegsmannschaft.

Spielmacher Leif Tissier, Kreisläufer Niklas Weller, Jan Forstbauer im Rückraum: Kaum jemand hätte den Novizen zugetraut, so unbeeindruckt in der Bundesliga weiterzumachen. Der Zusammenhalt der Truppe gilt als phänomenal – der Kern steckte schon 2016 in der Oberliga Hamburg/Schleswig-Holstein im HSV-Trikot. Sechs Spieler des Aufstiegskaders wurden in der eigenen Jugend entwickelt.

Im Sommer holten Jansen und Vizepräsident Martin Schwalb Akteure, die sofort weiterhalfen. Torwart Johannes Bitter, der mit Jansen noch beim HSV spielte. Casper Mortensen aus Barcelona für Linksaußen. Manuel Späth als Abwehrkante. Azat Valiullin für den Rückraum. Alle sind über 30 Jahre alt, kennen die Liga, sind dafür da, den Jungen den Rücken freizuhalten, ihnen Sicherheit zu geben. Linkshänder Nicolai Theilinger, aus Göppingen verpflichtet, kommt erst langsam in Schwung.

Es soll etwas wachsen im Volkspark. Fünfeinhalb Jahre nach der Insolvenz kehrte der HSV im Juni 2021 zurück in die Bundesliga. Mit einer Mannschaft der Namenlosen. Ohne die Raute auf der Brust. Als viel kleinere Version des Schwergewichts, das einst Kiel und Flensburg jagte. Der HSV möchte als sympathischer Konkurrent wahrgenommen werden. Nicht als großkotziger Klub aus der Metropole.

Mit den alten Zeiten hatte dieses „kleine Derby“ auch wenig zu tun. Als sich Kiel und Hamburg vor gut zehn Jahren um den Titel duellierten, waren die Kaderkosten beider Klubs in etwa gleich, Stars auf beiden Seiten präsent.

Jetzt verfügt der HSV über etwa vier Millionen Euro Budget – eine stolze Summe für einen Liga-Neuling, verglichen mit den zwölf Millionen der Kieler aber „Peanuts“. Dass die Reederei Hapag-Lloyd für ein langfristiges Sponsoring gewonnen werden konnte, spricht für die gute Arbeit von Präsident Marc Evermann und Geschäftsführer Sebastian Frecke.

Der HSV verfügt jetzt über etwa vier Millionen Euro Budget – eine stolze Summe für einen Liga-Neuling, verglichen mit den zwölf Millionen der Kieler aber Peanuts

Die Erfahrungen des Vorgängervereins sollen dabei helfen, die ganze Organisation auf solide Beine zu stellen; in Jansen, Bitter und Schwalb sind ja Protagonisten von damals noch dabei, die das Auf und Ab hautnah miterlebt haben. Der Handballsportverein Hamburg arbeitet solide.

Und dass ein Klub wie Kiel weit enteilt ist, wird achselzuckend hingenommen: „Der THW hat ein Selbstverständnis und Selbstvertrauen, das wir uns erst erarbeiten müssen“, sagt Jansen. Sich überhaupt mit Kiel vergleichen zu können, ist dabei eine Leistung, die diesem Verein vor drei Jahren noch niemand zugetraut hätte.

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