Koalitionsverhandlungen in Berlin: Klimaschutz in die Verfassung
Die Neuauflage von Rot-Grün-Rot betont den Klimaschutz, will aber keine neuen Maßstäbe setzen: Ein Zeitplan, wann Berlin klimaneutral sein soll, fehlt.
Als das Spitzenteam Giffey-Jarasch-Lederer deutlich später als angekündigt vor die Presse tritt, stellt es erst einmal klar: Über das Thema Mobilität, das ebenfalls für Mittwoch auf der Tagesordnung stand, wird immer noch geredet. Ergebnisse soll es erst am Freitag geben, wenn auch der Komplex Stadtentwicklung, Bauen und Mieten besprochen wird.
Dafür zeigt sich das Trio einig in Sachen Klimaschutz: Man wolle das Thema künftig als Querschnittsaufgabe begreifen, betonen alle drei. Jedes Senatsressort stehe hier mit in der Verantwortung; es werde ein Monitoringsystem entwickelt, um den Fortschritt zu evaluieren und gegebenenfalls nachzusteuern. Wem das zu langweilig klingt, der bekommt ein schickes neues Wort mitgeliefert: „Klima-Governance“.
Die Neuauflage der Koalition werde den Klimaschutz in die Landesverfassung heben, sagt Klaus Lederer. Er verspricht zudem ein Wärmegesetz, das den Weg aus der Verbrennung fossiler Energieträger vorgeben soll. Mit der Kohle soll es nun schon „2028/2029“ vorbei sein, das nennt der Linken-Chef als neues Verfallsdatum – ab dann soll das Heizkraftwerk Reuter West in Spandau hauptsächlich auf Erdgas umgestellt sein.
„Übergangsweise wird man Gas nutzen müssen“, so Lederer, man werde aber mit Nachdruck neue Wärmequellen erschließen, auch Geothermie soll darunter sein. Mit neuen Förderprogrammen soll der Anteil der Stromerzeugung aus Berliner Photovoltaik bis 2035 auf 25 Prozent gesteigert werden.
Der Pariser 1,5-Grad-Pfad, zu dem sich Jarasch noch einmal bekennt, ist damit zumindest nach der Ansicht vieler Klimawissenschaftler nicht zu halten, und wohl nicht ohne Grund wollen die VerhandlerInnen keine neue Zeitschiene für das Erreichen der Klimaneutralität definieren.
R2G hatte erst in diesem Sommer das Ziel der Klimaneutralität von 2050 auf 2045 vorgezogen, ein laufendes Volksbegehren fordert dagegen mit wissenschaftlicher Unterstützung stattdessen das Jahr 2030. „Wir haben mehr über Maßnahmen als über Zielzahlen geredet“, gibt Lederer zu Protokoll, und auch Jarasch meint: „Zielzahlen sind schnell aufgeschrieben.“ Weshalb man es offenbar gerade nicht tun wollte.
Chefinnensache Gepflegtheit
Wer Franziska Giffey zuhört, bekommt ohnehin den Eindruck, das die künftige Regierende lieber „Gepflegtheit“ zur Chefinnensache machen möchte: „Wenn wir über die hehren Ziele des Klimaschutzes sprechen“, so Giffey, dürfe man nicht vergessen, dass auch Sauberkeit eine Stadt lebenswert mache. Die Vermüllung des öffentlichen Raums müsse ein Ende haben: „Die Couch oder die alte Matratze auf der Straße sind nicht gut für das Bild unserer Stadt.“ Man wolle deshalb auch die Straßen und Grünflächenämter der Bezirke besser ausstatten.
Neue Hoffnung für die Stadtgrün-Charta
Bei Jarasch klingt das alles etwas moderner und, nun ja, grüner: „Die Stadt soll wieder atmen, wir brauchen mehr Brunnen, mehr Bänke, mehr Bäume.“ Ihr zufolge wird auch ein stagnierendes Projekt schleunigst umgesetzt: „Im Wahlkampf haben wir uns bei diversen Gesetzen verhakt, aber jetzt werden wir die Charta für das Berliner Stadtgrün mit diversen Klarstellungen beschließen.“ Welche das sind – die SPD hatte die Charta wegen ihrer Priorisierung des Freiflächenerhalts blockiert –, auch das wird sich vielleicht am Freitag erhellen.
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