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Coronawelle flacht ab

Die Zahl der Neuinfektionen ist am Montag erstmals seit Wochen nicht auf ein neues Allzeithoch geklettert. Für eine Entwarnung ist es aber noch zu früh. Landespolitiker fordern eine Bundesnotbremse

Dem Krisenstab zu Corona soll Bundeswehrgeneral Carsten Breuer vorstehen

Von Gereon Asmuth

Nicht jeder Text über Corona muss nur schlechte Nachrichten enthalten. Dieser hier enthält sogar gleich mindestens zwei gute. Zum einen ist das Wachstum der Neuinfektionen in Deutschland vorerst gestoppt. Das Robert-Koch-Institut (RKI)hat am Montag 29.364 Neuinfektionen registriert. Damit ist der 7-Tages-Mittelwert erstmals seit fast einem Monat nicht weiter gestiegen. In den letzten drei Wochen hatte er Tag für Tag ein neues Allzeithoch erreicht. Lange war er Woche für Woche um 40 Prozent gestiegen. Am Montag lag er nur noch 19 Prozent über dem Niveau der Vorwoche.

Die Gründe für das langsamere Wachstum sind jedoch nicht ganz eindeutig. Zum einen sind die Testlabore vor allem in den Hochinzidenzgebieten seit Wochen schon überlastet. Dadurch bildet die Zahl der registrierten Fälle nur noch bedingt das Infektionsgeschehen ab. Zum anderen gibt es offensichtlich Kontaktreduzierungen in der Bevölkerung. Zum einen Teil, weil die Menschen angesichts der dramatischen Lage freiwillig ihr Verhalten geändert haben, zum anderen Teil durch staatliche Vorgaben.

Das sieht man in Bayern, wo die Zahlen deutlich rückläufig sind. Der R-Wert sank laut RKI dort sogar auf 0,88, das heißt 100 Infizierte stecken nur noch 88 weitere an. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zeigte sich am Montag erfreut, „dass unsere Maßnahmen wohl beginnen zu wirken“. Man bräuchte jetzt aber für das ganze Land die gleichen strengen Regeln, so Söder. In Bayern gilt zum Beispiel landesweit eine 2G-Regel für die Gastronomie, Wirtschaften müssen um 22 Uhr schließen. In Hotspots sind Hotels und Gastronomie komplett geschlossen.

Für eine Entwarnung oder gar Lockerungen ist es selbst in Bayern noch viel zu früh. Denn die Fallzahlen bleiben auf extrem hohem Level. Deutschlandweit lag die 7-Tage-Inzidenz am Montag bei 452,4, in Bayern bei 627,8, im Landkreis Freyung-Grafenau sogar bei 1.373,2.

Der Virologe Christian Drosten hatte kürzlich gesagt, man müsse einen R-Wert von 0,7 erreichen, um die Fallzahlen so zu senken, dass es zur Entspannung auf Intensivstationen führe. Die strengen Regeln in Bayern könnten ein Weg dorthin sein.

Und so wird weiter bundesweit über härtere Maßnahmen diskutiert. Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) forderte eine Bundesnotbremse noch in dieser Woche. Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) plädierte dafür. Offenbar bereits am Dienstag wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr wahrscheinlicher Nachfolger Olaf Scholz (SPD) im Kanzleramt zu Gesprächen mit den Mi­nis­ter­prä­si­den­t:in­nen zusammenkommen. Offiziell geht es dabei um die von Scholz angekündigte Einrichtung eines festen Krisenstabes im Kanzleramt. Für dessen Leitung ist laut Süddeutscher Zeitung der Bundeswehrgeneral Carsten Breuer im Gespräch. Der 56-jährige ist Kommandeur des Kommandos Territoriale Aufgaben der Bundeswehr, das für Einsätze der Streitkräfte im Inland zuständig ist.

Eine Gruppe von Wis­sen­schaft­le­r:in­nen rund um die Physikerin Viola Priesemann legte gleich einen ganzen Maßnahmenkatalog vor. Mit die wichtigste davon ist ein noch zügigeres Boostern und Impfen. Täglich müssten etwa 2 Prozent der Bevölkerung erreicht werden, also rund 1,5 Millionen Menschen.

Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Aber immerhin – und das ist die zweite gute Nachricht des Tages – zeigt die Kurve der Impfungen steil nach oben. Im Wochenschnitt werden derzeit 600.000 Menschen geimpft, das sind fast 60 Prozent mehr als vor einer Woche.

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