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Neue Indizien im Steuer-SkandalCum-Ex klebt an Tschentscher

Ein Kalendereintrag legt nahe, dass Peter Tschentscher als damaliger Hamburger Finanzsenator half, die Warburg-Bank steuerlich zu verschonen.

Haben sie sich für die Warburg-Bank stark gemacht? Scholz und Tschentscher Foto: Christian Charisius/dpa

Hamburg taz | Es gibt neue Indizien dafür, dass der heutige Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) in den mutmaßlichen Steuerdiebstahl der Bank MM Warburg verwickelt ist. Sie ergeben sich aus Einträgen in den Terminkalender des damaligen Finanzsenators, über die Der Spiegel und das Manager-Magazin berichtet haben. Der Fall Warburg gehört zum weitaus größeren Cum-Ex-Skandal, bei dem sich Finanzinvestoren Steuern erstatten ließen, die zuvor gar nicht bezahlt worden waren.

Einer der Kalendereinträge bezieht sich auf ein Telefonat, das Tschentscher am 8. November 2016 mit dem damaligen Ersten Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) geführt hat. Tags darauf, am 9. November, telefonierte Scholz mit dem Warburg-Miteigentümer Christian Olearius und empfahl diesem, ein Schreiben, das er bereits an das Finanzamt gerichtet hatte, auch an den damaligen Finanzsenator Tschentscher zu schicken.

In dem Schreiben wehrten sich die Bankiers gegen eine vom Finanzamt geforderte Zahlung von 47 Millionen Euro und wiesen darauf hin, dass die Bank dadurch zahlungsunfähig werden könnte. Tschentscher zeichnete das Schreiben ab und reichte es mit einer Bitte um Informationen zum Sachstand in seine Behörde.

Das Telefonat vom 8. November stehe in einer Terminliste, „die wir jetzt erst bekommen haben“, sagte Norbert Hackbusch, Obmann der Linken im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Bürgerschaft. Ihn würde sehr interessieren, was der Inhalt dieses Telefonats war, das so nah an dem Telefonat von Scholz mit dem Warburg-Bankier Olearius lag. Die Senatspressestelle bestätigte, dass das Telefonat stattgefunden habe, teilte aber mit: „Informationen zum konkreten Gesprächsanlass, zum Inhalt oder zur Gesprächsdauer sind nicht dokumentiert.“

In dem Schreiben wehrten sich die Bankiers gegen eine Zahlung von 47 Millionen Euro

Auch zu einem im Kalender aufgetauchten Gespräch zwischen dem Finanzsenator und der damaligen Leiterin des Amtes für Steuerverwaltung, Angela Nottelmann, am 11. November gibt es nach Auskunft des Senats keine näheren Informationen. Am 5. Oktober hatte die Amtsleiterin ihrem Senator eine 28-seitige Entscheidungsvorlage des Finanzamtes für Großunternehmen vorgestellt. Darin empfahl das Finanzamt, die erstatteten Steuern zurückzufordern.

Am 17. November beriet eine Expertenrunde aus Vertretern des Finanzamtes und der Finanzbehörde den Fall Warburg und kam zu dem Schluss, die Steuern doch nicht zurückzufordern: Der Sachverhalt sei nicht eindeutig zu ermitteln, das Prozessrisiko zu groß.

Sie habe in Vorbereitung dieser Sitzung mit Senator ­Tschentscher gesprochen, sagte die Amtsleiterin. Allerdings habe sie lediglich auf die Sitzung hingewiesen. Das Gespräch war laut Senatspressestelle auf 30 Minuten veranschlagt. Weiteres zum Anlass oder zum Inhalt sei nicht dokumentiert worden. Weder Tschentscher noch Scholz hätten im Fall Warburg Wünsche geäußert, versicherte die Amtsleiterin im Ausschuss. Ähnlich äußerte sich der leitende Behördenvertreter.

Dass ein Jahr nach der Einsetzung des Untersuchungsausschusses immer noch neue Dokumente auftauchen, ist aus Sicht der Ausschussmitglieder ärgerlich. „Wir haben bisher noch nie was von Mails von Tschentscher mitbekommen“, sagt Hackbusch. Der Linken-Abgeordnete hatte vor anderthalb Wochen kritisiert, „dass dem Untersuchungsausschuss offensichtlich wichtige Mails über den Cum-Ex-Komplex vorenthalten worden sind“. Zuvor war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft Köln bei einer Durchsuchung der Finanzbehörde auf solche Mails gestoßen war.

Die Senatskanzlei rechtfertigte sich damit, dass eine Durchforstung von Tschentschers Kalender mit den vom Ausschuss angegebenen Suchwörtern keine Treffer ergeben habe. Sie habe dann nach Bürgermeisterkürzeln gesucht und diese Trefferliste vergangenen Donnerstag übermittelt.

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8 Kommentare

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  • Man kann es ja drehen und wenden, wie man will. Dass ein Finanzamt unter der damaligen Aufsicht von Peter Tschentscher auf Steuergeld in zweistelliger Millionenhöhe mal eben so verzichtet haben soll, ist in dieser Republik doch wohl beispiellos und durch absolut nichts zu begründen..

    • @Rainer B.:

      Dann werde ich es Ihnen begründen:



      Der Erkenntnisstand Ende 2016 war nicht so weit gediehen, wie wir das heute wissen. Die zwei Zeugen, die den ganzen Deal gesehen hatten, hatten noch nicht ausgesagt. Es war auch nicht klar (Ende 2016), ob die Kapitalertragsteuer überhaupt mehrfach erstattet worden war (man kannte ja die Londoner Seite 2016 noch nicht).



      Das Gutachten von Deloitte lag der Finanzaufsicht BaFin erst Anfang 2017 vor).



      Die Rechtslage war trotz Urteilen eines (1) Finanzgerichts in Frankfurt, wo die Absprachen klar erkennbar waren (im Gegensatz zu diesem Fall in diesem Zeitpunkt) nicht eindeutig. Es gab damals diverse Stimmen, die besagten, dass diese Art von Geschäften unter Umständen legal (sic!) war.



      Insofern war die Entscheidung der Finanzbeamtin zum damaligen Zeitpunkt Ende 2016 durchaus in der Bandbreite des möglichen. Auch wenn sich die Entscheidung hinterher aufgrund später zutage getretener Tatsachen als falsch herausstellte.

      • @CR43:

        Dass ein Finanzamt nicht einfach mal eben so Steuern erstatten darf, die von einem Antragsteller nie bezahlt wurden, war auch zum damaligen Zeitpunkt überhaupt kein Geheimnis. Wenn ein Finanzamt - warum auch immer - gar keinen Überblick mehr darüber haben sollte, ob die Steuern vom Antragsteller gezahlt oder nicht gezahlt wurden, gibt es schlicht auch keine Rechtsgrundlage für irgendwelche Steuererstattungen. Die Bank ist da in der Nachweispflicht. Eine Bank, die Steuererstattungen beantragt im Wissen darüber, dass sie diese Steuern tatsächlich nie gezahlt hat, handelt in jedem Fall eindeutig kriminell. Dass ein Gericht dies dann nachträglich erst einmal so festzustellen hätte, muss man doch als schlechten Witz ansehen.

  • Cum Ex Skandal besteht n. m. E. woanders als allgemein geläufig kolportiert. Der Skandal ist in Deutschland weiter bestehend politisches Weisungsrecht von Ministierien, Senatskanzleien in Bund, Ländern gegenüber Finanzämtern, entgegen Steuergeheimnis, Staatsanwaltschaften, BKA, Generalbundesanwalt, Verfassungsschutzämtern, MAD, BND, BaFin, TÜVs, selbst im Einzelfall, entgegen langjährig vergeblichen Forderungen Europols, Interpols, zuletzt 2018, diese im Namen von Gewaltenteilung, internationaler Zusammenarbeit von Ermittlungsbehörden, Polizei abzuschaffen. Weiterer Camouflage Skandal oben drauf, ist, dass Olaf Scholz, Peter tschentscher sozusagen in flagranti Terminkalendereintrag überführt, aus politischen Gründen in Abrede stellen, was sie nach Gesetzeslage immer noch dürfen, weil Öffentlichkeit nichts vom politisch geltenden Weisungsrecht wahrnehmen soll, denn das könnte die Öffentichkeit beunruhigen mit einstigem CDU Bundesinnenminister Thomas de Maizière nach Weihnachtsmarktanschlag 2016 Breitscheidplatz Berlin durch Tunesier Amri, gesprochen.

    Im Ampel Koalitionsvertrag 2021 heißt es kryptisch, Anpassung ministeriellen Einzelfallweisungsrechts an EU Vorgabe sei geplant. Kann das bedeuten, politisches Weisungsrecht in Vorfeld von Verwaltungsakten, Entscheiden in vielseitig durch Vertretern*nnen aus Politik, Regierung, Fachverwaltung besetzten Gremien anzusiedeln, politisches Weisungsrecht nicht abzuschaffen, sondern verschleiernd nach außen unkenntlich zu machen, EU Rechtsstaatlichkeitsstandard in vorsätzlicher Verantworunglosigkeit, wenn auch nicht mit Praxis in Polen im Umgang mit Gewaltenteilung vergleichbar, so doch politisch ähnlich motiviert, zu ignorieren und zu unterlaufen?

    www.spiegel.de/pol...-8a4d-4797a4ecf089

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Komisch, davon hat Herr Tschentscher gar nicht erzählt!



    Ist auch er vom Hamburger Errinnerungsvirus befallen?

  • Klebt ja auch an OS

    • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

      ... wird drangeklebt!

      • @Nikolausi:

        Also alles zusammen eine sehr klebrige Angelegenheit? Wenn das man hält, was es verspricht...