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Bundesland in CoronakriseHohe Inzidenzen in Thüringen

Thüringen ist aktuell das mit Abstand am stärksten von Corona betroffene Bundesland. Woran das liegt und wie ernst die Lage wirklich ist.

Thüringen hat die meisten Corona-Infektionen, deshalb ist Abstand angesagt Foto: Hendrik Schmidt/dpa

Berlin taz | Kein Bundesland ist derzeit so stark von der Corona-Pandemie betroffen wie Thüringen. Die 7-Tage-Inzidenz liegt hier nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) bei 241,8. Dieser Wert ist im Vergleich zur Vorwoche um 78,25 gestiegen. Bundesweit beträgt die 7-Tage-Inzidenz 118.

Auch die Hospitalisierungsrate – der Wert, der die 7-Tage-Inzidenz als Maßstab für die Corona-Politik Mitte September abgelöst hat und angibt, wieviele Corona-Patient*innen pro 100.000 Ein­woh­ne­r*in­nen und Woche in Kliniken aufgenommen wurden – ist in Thüringen überdurchschnittlich hoch. Die Rate stieg am Mittwoch auf 8,54 und hat sich damit binnen einer Woche fast verdoppelt. Zum Vergleich: In ganz Deutschland liegt dieser Wert am Dienstag bei 3,07.

Besonders stark von der Pandemie betroffen ist der Kyffhäuserkreis im Norden Thüringens. Die 7-Tage-Inzidenz beträgt hier am Mittwoch 374. Seit zwölf Tagen gilt in diesem Landkreis die höchste Corona-Warnstufe: Warnstufe drei. Um die Corona-Pandemie einzudämmen, hat Thüringen Ende August ein Frühwarnsystem eingeführt. Dieses Frühwarnsystem teilt alle 22 Landkreise und kreisfreien Städte in vier Stufen ein: die Basisstufe sowie drei Warnstufen. Je höher die Stufe, desto strenger die Corona-Regeln.

In zwei Kreisen gilt die höchste Corona-Warnstufe

In welche Stufe ein Kreis oder eine Stadt eingeteilt wird, hängt in erster Linie von der jeweiligen 7-Tage-Inzidenz ab, aber auch von der Hospitalisierungsrate sowie der landesweiten Auslastung der Intensivstationen mit Covid-Patient*innen. Die höchste Warnstufe zum Beispiel tritt dann ein, wenn die 7-Tage-Inzidenz an drei aufeinanderfolgenden Tagen bei mindestens 200 liegt und zusätzlich dazu die Hospitalisierungsrate den Wert 12 erreicht oder die Intensivbetten zu mindestens zwölf Prozent mit Covid-19-Patient*innen ausgelastet sind.

Neben dem Kyffhäuserkreis gilt seit Dienstag auch im Ilm-Kreis die dritte Corona-Warnstufe. Damit befinden sich nun zwei der 22 Landkreise und Städte auf der höchsten Warnstufe, 18 auf der mittleren und zwei auf der unteren Stufe.

Das klingt erstmal ziemlich dramatisch. Doch wie ernst ist die Lage in den thüringer Krankenhäusern? Und woran liegt es, dass die Corona-Zahlen in Thüringen so viel höher sind als anderswo in Deutschland?

Wie aus dem Divi-Intensivregister hervorgeht, befinden sich in Thüringen am Mittwoch 54 Corona-Patient*innen auf Intensivstationen, 20 davon werden beatmet. 7,8 Prozent der verfügbaren Intensivbetten sind derzeit mit Covid-19-Patient*innen belegt – damit rangiert Thüringen im Mittelfeld aller Bundesländer.

Mit Abstand am höchsten ist die Hospitalisierungsrate mit einem Wert von 22 in der Stadt Suhl im Süden Thüringens. Zum Vergleich: Auf Platz zwei und drei liegen die Landkreise Schmalkalden-Meiningen und Hildburghausen mit 16,1 und 14,4.

Das SRH Zentralklinikum Suhl teilt auf Anfrage mit, dass die Zahl der Corona-Patient*innen in den vergangenen Wochen zwar zugenommen habe, das Krankenhaus aber weit von seiner Kapazitätsgrenze entfernt sei. „Zurzeit sind mehr als 15 Betten auf der Covid-Station frei. Unsere Corona-Strategie ist adaptiv, wir können jederzeit so viele Betten zur Verfügung stellen, wie benötigt werden“, sagt der Pressesprecher. Von den aktuell 19 Covid-Patient*innen seien elf nicht gegen das Virus geimpft, zwei davon lägen auf der Intensivstation. Wichtig sei, sagt der Sprecher, die aktuellen Zahlen im Verhältnis zu sehen. Während der Hochphase der zweiten Corona-Welle habe die Klinik „zeitgleich fast 80 Corona-Patient*innen“ versorgt – also viermal so viele wie aktuell.

Auch in den Ilm-Kreis-Kliniken ist die Lage derzeit entspannt. Obwohl in dem Landkreis die höchste Corona-Warnstufe gilt, versorgten beide Krankenhäuser zusammen nur elf Corona-Patient*innen, wie eine Sprecherin mitteilt. Davon müsse nur eine Person intensivmedizinisch behandelt werden. „Wir haben noch ausreichend Kapazitäten“, sagt die Sprecherin. „Sollten die Betten auf der Corona-Station nicht mehr ausreichen, besteht die Möglichkeit, eine weitere Station zur Infektstation umzurüsten.“ Dieses Konzept sei in der Hochphase im Winter 2020/2021 aber „nur vereinzelt zum Tragen“ gekommen.

Die beiden KMG-Krankenhäuser im Kyffhäuserkreis beantworteten die Anfrage der taz bis Mittwochmorgen nicht. Dem Divi-Intensivregister zufolge liegen in dem Landkreis derzeit aber keine Corona-Patient*innen auf der Intensivstation.

Hohe Hospitalisierungsraten haben mehrere Ursachen

Wieso sind die Hospitalisierungsraten in manchen Gegenden Thüringens hoch, obwohl die Lage in den Krankenhäusern im Vergleich zu bisherigen Corona-Wellen recht entspannt ist?

„Das liegt unter anderem an den niedrigen Bevölkerungszahlen in den jeweiligen Landkreisen und Städten“, sagt Frank Schenker vom thüringer Gesundheitsministerium. Die Stadt Suhl zum Beispiel habe nur etwas mehr als 36.000 Einwohner*innen. „Bei einer kleinen Bevölkerungszahl wirken sich relativ geringe absolute Zahlen sehr stark auf die Hospitalisierungsinzidenz aus“, erklärt Schenker. Je kleiner die Grundgesamtheit, desto größer die Wirkung von absoluten Zahlen.

Das sei aber nur eine von vielen Erklärungen. Dass die Hospitalisierungsraten mancherorts so hoch seien, habe auch mit dem hohen Altersdurchschnitt in Thüringen zu tun. Der Anteil der Menschen über 65 Jahre liegt in dem Bundesland bei knapp 27 Prozent. Das Risiko, wegen einer Covid-19-Erkrankung im Krankenhaus behandelt werden zu müssen, sei bei älteren Menschen höher als bei jüngeren, sagt Schenker.

Als einen weiteren möglichen Erklärungsgrund nennt Schenker die niedrige Impfquote in Thüringen, die aktuell bei 60,4 Prozent liegt. Damit nimmt Thüringen den drittletzten Platz der Bundesländer ein, nur in Brandenburg und Sachsen ist die Impfquote noch niedriger. In Deutschland liegt sie bei 66,4 Prozent.

Die Daten zeigen jedoch, dass die Impfquote nicht ausschlaggebend für die Anzahl der Menschen sein kann, die wegen einer Covid-Infektion im Krankenhaus behandelt werden müssen. So sind in Suhl – dem Ort mit der höchsten Hospitalisierungsrate Thüringens – 60,3 Prozent der Ein­woh­ne­r*in­nen vollständig geimpft; im Kreis Sonneberg – wo die Hospitalisierungsrate 0 beträgt – sind es hingegen nur 53,6 Prozent.

Nicht zuletzt, sagt Schenker, habe der späte Beginn der Herbstferien das Infektionsgeschehen und damit die Hospitalisierungsinzidenz in Thüringen beeinflusst. „Das Infektionsgeschehen hat im Oktober deutschlandweit stark zugenommen. Während die Herbstferien in vielen Bundesländern bereits Anfang oder Mitte Oktober begonnen haben, hatten die Schulen in Thüringen noch bis zum 22. Oktober geöffnet. Das Virus konnte sich wegen des Schulbetriebes in Thüringen also viel besser verbreiten.“

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3 Kommentare

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Wer sich einer Impfung verweigert, sollte an den Kosten im Krankenhaus beteiligt werden, sofern kein anderer wichtiger Grund vorliegt.



    Ich hab`s echt dicke mit diesen Covidioten.

  • „Bei einer kleinen Bevölkerungszahl wirken sich relativ geringe absolute Zahlen sehr stark auf die Hospitalisierungsinzidenz aus“

    Das heißt aber, dass dort mehr Krankenhausbetten pro Einwohner zu Verfügung stehen als woanders. Das ist doch keine Entwarnung. Schön für die Leute, dass sie grandios mit Krankenhäusern ausgestattet sind, aber Fakt ist trotzdem, dass pro Kopf viele Leute COVID-19 haben.

    Ich sehe hier keinen Grund zur Freude.

    • @Jalella:

      Ich sehe hier auch niemanden, der sich freut.



      Aber mit dem Zeitpunkt, ab dem alle geimpft werden konnten, die das wollen, ist ein drohender Kollaps der Notfallversorgung nunmal das verbleibende Kriterium, was weitergehende gesellschaftliche Einschränkungen rechtfertigen würde.

      In Thüringen und Sachsen war ohnehin mit einer nun größeren Welle zu rechnen, da dort die anfängliche Delta-Welle fast komplett ausgeblieben war.

      Interessanter wäre z.B. wie es Bayern schafft, einfach so gut wie immer mit vorne dabei zu sein.