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Krieg in ÄthiopienKriegerische Mobilisierung

Äthiopiens Regierung weist internationale Friedensappelle zurück. Tigray-Rebellen verbünden sich landesweit mit der Opposition.

Regierungstreue Demonstranten in Addis Abeba am Sonntag Foto: Tiksa Negeri/reuters

Berlin taz | Im Krieg zwischen Äthiopiens Regierung und den Rebellen in der Nordregion Tigray setzen beide Seiten auf Eskalation. Die Regierung von Ministerpräsident Abiy Ahmed ließ am Sonntag in der Hauptstadt Addis Abeba gigantische Menschenmengen aufmarschieren, um internationale Aufrufe zum Frieden zurückzuweisen.

„Wir werden unsere Freiheit nicht opfern“, rief Bürgermeisterin Adanech Abebe in einer Rede und sagte über die Tigray-Rebellen der TPLF (Tigray-Volksbefreiungsfront): „Der Platz der TPLF ist in der Hölle.“

Vergangene Woche hatte die Regierung den landesweiten Ausnahmezustand verhängt, alle Bürger zur Mobilmachung aufgerufen und Tausende Tigrayer in der Hauptstadt festgenommen, nachdem die TPLF zwei wichtige Städte rund 400 Kilometer weiter nördlich eingenommen hatte und die mit ihr verbündete OLA (Oromo-Befreiungsarmee) Erfolge noch näher an der Hauptstadt meldete.

In einer Erklärung am Donnerstag hatte die Regierung erneut zum Krieg getrommelt: „Äthiopien ist dabei, die Kräfte des Bösen ein für alle Mal zu begraben.“

Mit solchen Äußerungen wies die Regierung Bemühungen zurück, einen Waffenstillstand herbeizuführen. Dafür war am Donnerstag der US-Sonderbeauftragte Jeffery Feltman nach Addis Abeba gereist.

Nachdem er am Freitag erfolglos wieder abreiste, rief die dortige US-Botschaft ihre Staatsbürger dazu auf, das Land „so bald wie möglich“ zu verlassen. Am Samstag wurden nichtessentielle Botschaftsangehörige abgezogen.

Stärkere militärische Aktivität der Rebellen erwartet

Die TPLF hob ihrerseits am Freitag ein breites Oppositionsbündnis für Äthiopien aus der Taufe – auf einer Veranstaltung im Nationalen Presseclub in der US-Hauptstadt Washington. Die „Vereinigte Front Äthiopischer Föderaler und Konföderaler Kräfte“ aus neun Organisationen unterschiedlicher Regionen und Ethnien werde einen gemeinsamen Generalstab gründen und „gemeinsam für einen inklusiven nationalen Dialog und die Einsetzung einer Übergangsstruktur im Hinblick auf die Lösung der politischen Krise unseres Landes arbeiten“, hieß es.

Die Regierung werde nicht anerkannt und man bekenne sich zur föderalen äthiopischen Verfassung. Mitglieder neben der TPLF und der OLA sind bewaffnete Gruppen aus den Regionen Afar, Agaw, Benishangul, Gambella, Kimani, Sidama und Somali.

Beobachter erwarten, dass die Rebellenallianz ihre militärischen Aktivitäten jetzt wieder verschärft. Die TPLF könnte es dann ihren Alliierten überlassen, den Krieg in andere Landesteile zu tragen, und nicht selbst nach Addis Abeba marschieren.

Die Einnahme der Hauptstadt sei „kein Kriegsziel“, sagte TPLF-Sprecher Getachew Reda am Sonntag in einem Interview. Seine Truppen seien aber in der Amhara-Region weiter auf dem Vormarsch und näherten sich der Stadt Ataye 270 Kilometer nördlich von Addis Abeba.

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2 Kommentare

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  • Seltsam, keine Kommentare zu dieser Tragödie. Ist Äthiopien weniger wichtig als Afghanistan? Oder passt Äthiopien nicht in eine klare moralische ktaegorie über die man sich echauffieren kann?



    Ich würde mir wünschen dass dies Sektion auch bei Krisen in anderen Teilen der Welt so sachlich und freien von dedanklichen Schnelleschüssen bleibt.

  • Zum Frieden braucht es beide Seiten. Die TPLF, die nur eine schwache Legitimierung in Äthiopien hat, möchte wieder an die Macht. Sie hat den Krieg angefangen, indem sie am 4. November 2020 die äthiopische Armee in Tigray angegriffen hat. Abiy ist der gewählte politische Führer. Und es gibt nicht eine Volksgruppe außerhalb von Tigray, die statt der Abiy-Regierung wieder eine TPLF-Regierung möchte. Dass Abiy am Anfang des Konflikts mehr Geduld hätte zeigen sollen, ja. Aber es wird wohl noch etwas dauern, bis es zu einer Lösung kommt. Wenn es der TPLF wirklich um ihr Volk ginge, würden sie einen Versorgungskorridor in den Sudan öffnen. Der TPLF geht es jedoch allein um die Macht. Die Hungerkrise scheint ihnen wenig zu bedeuten. Auf der Straße nach Djibouti scheinen sie nicht weiterzukommen aufgrund der Luftangriffe. Sich noch über 300 km durch das Land der Amhara-Milizen im kalten Hochland zu kämpfen, erscheint mir auch nicht einfach. Klima zT wie in Deutschland. Debre Birhhan, 2800 Meter Höhenlage. Ich bin zZ in Addis Abeba und diskutiere das mit meinem amharischen Kollegn, der natürlich parteiisch ist. Er arbeitet jedoch international.