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Barça vor Schlüsselspiel beim FC BayernVerblühte Blume

Ausgerechnet Ousmane Dembelé ist der Hoffnungsträger des FC Barcelona beim Hopp-oder-Top-Spiel gegen den FC Bayern in der Champions League.

Väterlicher Rat für einen 17-Jährigen: Barcelonas Trainer Xavi mit Gavi Foto: Albert Gea/reuters

Xavi Hernández kennt seinen Verein und die Medien. Nach der ersten Niederlage als Trainer des FC Barcelona griff er deren Lieblingswort der letzten Wochen daher lieber gleich von selbst auf: „Mit der Blume ist’s vorbei, alles ist vorbei“, sagte er ironisch. Die „Blume“ bedeutet im Fußball-Spanisch so viel wie Fortune oder Matchglück. Xavi hatte davon nach seiner Amtsübernahme vor einem Monat zunächst reichlich. Doch am Samstag verließ es ihn, Barcelona verlor zu Hause 0:1 gegen Betis Sevilla.

Vor dem Champions-League-Spiel bei Bayern München ist von der Aufbruchstimmung, die seine Rückkehr ausgelöst hatte, bereits viel verflogen. Zu sehr erinnern die Probleme an die unter seinem Vorgänger Ronald Koe­man, zu wacklig sind die Spiele, zu misslich ist die Lage. In der spanischen Liga rangiert Barça auf Platz sieben, 16 Punkte hinter Spitzenreiter Real Madrid und 6 Punkte hinter den Champions-League-Rängen.

Auf europäischer Ebene braucht es heute einen Sieg in München, um ins Achtelfinale einzuziehen – so Benfica Lissabon parallel gegen das noch punktlose Dinamo Kiew gewinnt. Dennoch rechnet in Barcelona niemand mit einem Schongang der Münchner, denn die erweisen sich ja traditionell als unersättlich. 2013 fertigten sie Barça im Halbfinalhinspiel mit 4:0 ab und legten im Rückspiel noch ein 3:0 drauf. 2020 machten sie im Viertelfinale nicht Schluss, ehe es 8:2 stand. Nun gewannen die Bayern das Hinspiel in Katalonien souverän 3:0 und erweckten dabei durchaus den Eindruck, noch Reserven zu haben. Für heute Abend?

Thomas Müller hat schon angekündigt, ein Ausrufezeichen für den deutschen Fußball, die Bundesliga und Robert Lewandowski setzen zu wollen. Alle wähnte er bei der Verleihung des Ballon d’Or vorige Woche zu Unrecht übergangen. „Gehen wir es an!“, verlangte er.

Auf den oft sehr jungen Talenten liegt schon früh arg viel Verantwortung

„Wir werden wie Tiere kämpfen müssen“, sagt dazu Xavi. Der Regisseur des großen Barça von Trainer Pep Guardiola und der spanischen Weltmeister 2010 predigt zwar seine Prinzipien von Pressing und Ballbesitz. Die Mannschaft versucht auch, sie umzusetzen. Doch in den Strafräumen hat sie sich gegenüber der Koeman-Zeit allenfalls hinten leicht verbessert. Vorn bleibt sie überfordert und ideenlos. In 20 Saisonspielen hat sie erst 25 Tore erzielt; halb so viele wie im Schnitt der vergangenen Messi-Dekade.

Die Sportzeitung AS sieht einen „tollpatschigen Wanderer, der voller Überzeugung aufbricht, aber sich schon an der ersten Weggabelung verirrt“. Auch das örtliche Renommierblatt La Vanguardia diagnostiziert ein „Wollen und nicht Können“. Es ist, als ob sich mit dem Verwelken von Xavis Blume auch der letzte eingestehen würde, wie tief die Krisensymptome liegen.

Der Kader bräuchte eine Generalüberholung – aber Geld ist bei 1,5 Milliarden Euro Schulden das Letzte, was es gibt. Das Verpassen des Champions-League-Achtelfinals würde den Manövrierraum für Neuverpflichtungen noch weiter einengen. Für eine bessere Zukunft stehen so allein die vielen jungen Talente. Spieler wie der 19-jährige Pedri, der vorige Woche den Ballon d’Or für den besten Nachwuchs­profi erhielt. Oder der gleichaltrige Ansu Fati, die große Sturmhoffnung. Oder Gavi, Mittelfeldmann wie Pedri, gar erst 17 – und schon spanischer Nationalspieler. Oder Ronald Araújo, 22, und einziger Abwehrmann mit überdurchschnittlicher Wettkampfhärte.

Das Vakuum an anderen Figuren birgt jedoch die Gefahr, sie mit Spielzeit und Verantwortung zu überlasten. Pedri fällt nach seinem Mammutprogramm der Vorsaison (75 Partien inklusive WM und Olympia) seit Monaten mit Muskelproblemen aus. Araújo ist erst seit Kurzem wieder zurück, Ansu nach fast einem Jahr Aussetzen wegen einer Knieverletzung schon beim zweiten Rückfall, auch er fehlt heute. Wer bleibt? Angesichts der Formschwäche von Memphis Depay fällt den wenigen Optimisten nur ein möglicher Retter für München ein: Ousmane Dembélé. Der Franzose hat zwar diese Saison wegen einer Knieverletzung noch kein einziges Mal von Beginn an gespielt, zeigte gegen Betis nach seiner Einwechslung aber starke Szenen. „Mit ihm verändert sich das Gesicht unserer Mannschaft“, sagt Xavi über seinen einzigen Angreifer mit Tempo, Kreativität und Überraschungsmomenten. Seit seinem Wechsel aus Dortmund hat Dembélé viele Hoffnungen enttäuscht. Nach dieser Saison könnte er Barça ablösefrei verlassen. Heute soll er ihm einen umso größeren Dienst erweisen.

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