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Feyenoord Rotterdam gegen deutsche TeamsNoch immer heikle Begegnungen

Fans von Feyenoord Rotterdam fallen rund um die Partie gegen Union Berlin unangenehm auf. Gegen deutsche Teams haben diese Vorfälle eine Geschichte.

Leidenschaftliche Anhängerschaft: Feyenoord-Fans zündeln gegen Union Berlin Foto: Patrick Post/ap

Amsterdam taz | Da ist sie wieder, die alte Ambivalenz, die zu diesem Klub zu gehören scheint. „Feyenoord winkt die Überwinterung“, hebt das Boulevardblatt De Telegraaf nach dem 3:1 gegen Union Berlin an, referierend auf den nicht mehr selbstverständlichen Verbleib in einem europäischen Wettbewerb jenseits der Winterpause. Und ergänzt: „Aber Sorgen über das Verhalten der legioen“.

Die „Legion“, wie in den Niederlanden jeder weiß, sind die Fans des 113 Jahre alten legendären Vereins aus dem gleichnamigen Stadtteil in Rotterdam-Süd, der ganz ohne Firmierungen wie „FC“ und „SV“ oder gar „Vitesse“ oder „Borussia“ auskommt. Einfach: Feyenoord, ein Wort, ein Viertel, eine Ansage. No nonsense. Rau, aber leidenschaftlich, hart arbeitend, zupackend, so wie man im Rest des Landes die Menschen aus der Hafenmetropole sieht, und sie sich selbst auch.

Dass ein Teil – so viel Nuance muss sein, denn Hunderttausende Feyenoorder leben ihre enorme Klubliebe gewaltfrei aus – der Legion das mit dem „Zupacken“ bisweilen konfrontativ versteht, ist die Kehrseite des beeindruckenden Supports. So geschehen am Abend vor der Conference-League-Partie, als eine Delegation von Union Berlin beim Essen in einem Restaurant von einer Gruppe Vermummter mit Stühlen und anderen Gegenständen beworfen wurde.

Die Hintergründe des Angriffs sind auch in den Niederlanden unklar. Von einer besonderen, in diesem Fall feindlichen Verbindung zwischen Feyenoord und Union Berlin ist nichts bekannt. Wohl schreibt das Algemeen Dagblad am Tag danach, dass das letzte internationale Match mit einer großen Anzahl an Auswärtsfans fast zwei Jahre zurückliegt. Auf eine spezifischere Erklärung könnte ein anderer Satz verweisen: „Spiele gegen Deutsche sind in De Kuip (dem Stadion von Feyenoord) – noch immer heikel.“

taz am wochenende

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800 Tote in Rotterdam

Die Bombardierung Rotterdams durch die deutsche Luftwaffe am 10. Mai 1940 mit mehr als 800 Toten und 2.000 Verwundeten hat in der kollektiven Identität der Stadt tiefe Spuren hinterlassen. Zu den 80.000 Menschen, die ihre Wohnung verloren, kam eine zerstörte Innenstadt. Dass dies kein Grund ist, 80 Jahre später ein paar Berliner Funktionäre anzugreifen, steht in Rotterdam außer Frage. „Völlig verwerflich“ findet die Klubleitung den Angriff und distanziert sich. Auch die traditionsreiche Feijenoord Supportersvereniging stellte sich hinter diese Erklärung. In Straßenbefragungen lokaler Medien kam immer wieder die Feststellung, dass, wer so etwas tue, kein Fan sei.

Mark Boninsegna, bekannt als inoffizieller Feyenoord-Dichter, der seinem Club im Frühjahr eine Poesiesammlung mit dem Titel „6 motherfucking 2“ widmete, sagt dagegen zum TV- Sender PowNed: „Ich glaube schon, dass es echte Anhänger waren. Zumindest sind sie für Feyenoord.“ Weiterhin analysiert Boninsegna: „In Rotterdam wächst man natürlich auch ein bisschen auf mit diesen Deutschen, was sie, auch wenn es lange her ist, dieser Stadt angetan haben.“

Zum Match gegen Union gibt es insofern einen direkten Bezug, als dass Feyenoord-Fans ein Spanntuch präsentieren wollten, das an das Kunstwerk „Die zerstörte Stadt“ des Bildhauers Ossip Zadkine erinnert und Teile der Rotterdamer Skyline zeigt, neben der Aufschrift „Wir sind Rotterdamer, wir halten durch“. Die Uefa fand die Aktion provozierend und verbot das Spanntuch, was die Fans wiederum als respektlos empfanden.

In der jüngsten Vergangenheit gab es einen weiteren Zwischenfall. Vor zwei Monaten waren Feyenoord-Fans an einer Schlägerei in Duisburg beteiligt, als ihr Team bei einem Vorbereitungsturnier auf den gastgebenden MSV und Borussia Dortmund traf. Fast 60 Rotterdamer wurden festgenommen.

In den Niederlanden indes fällt die Fanszene des Klubs immer wieder durch antisemitische Gesänge und Symbolik auf, wenn es gegen den verhassten, als jüdisch wahrgenommenen Erzrivalen Ajax Amsterdam geht. Slogans wie „Adolf, hier laufen noch elf, wenn du es nicht tust, tun wir es selbst“, oder „Hamas, Hamas, Juden ins Gas!“ haben das Image von Feyenoord nachhaltig besudelt. Die Standardantwort: man habe nichts gegen „wirkliche Juden“, sondern nur gegen Ajax.

Überschattet wird damit auch das beeindruckende soziale Engangement des Vereins in einem verarmten Viertel, in dem sich mehr und mehr Menschen den Rechtspopulisten oder der AKP-nahen identitär geprägten vermeintlichen Migrantenpartei DENK zuwenden.

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