Befragung der Verbraucherzentrale: Deutsche erwarten mutige Vorgaben
Eine Erhebung der Verbraucherzentrale zeigt: die meisten Deutschen fordern mehr Klimaschutz und bemängeln die fehlende Digitalisierung.
Berlin taz | Die neue Bundesregierung soll sich mehr für den Klimaschutz engagieren, sagt ein Großteil der Deutschen. Das zeigt eine Befragung des Bundesverbands der Verbraucherzentrale (vzbv). Dabei sehen die Befragten nicht nur Wirtschaft und Politik, sondern auch sich in der Verantwortung. Eine Mehrheit nimmt höhere Preise in Kauf, wenn sie sozial abgefedert werden. „Die Deutschen wollen einen verbraucherfreundlichen Klimaschutz“, sagt Klaus Müller, Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentrale.
Die Verbrauchzentrale erhebt jährlich in ihrem Verbraucherreport, was die Deutschen bewegt. Dazu befragte der Bundesverband im Juli und August 1.500 Menschen. Dem Report zufolge halten 90 Prozent der Befragten Verbraucherschutz für wichtig. Gleichzeitig vertrauen in diesem Bereich nur 24 Prozent der Politik. Nach Gesundheit und Pflege sowie Verbraucherbildung ist Klimaschutz das drittwichtigste Verbraucher:innenthema laut Befragung.
„Beim Klimaschutz erwarten die Deutschen klare und mutige Vorgaben“, sagt Klaus Müller. Dazu gibt es Rückenwind aus der Bevölkerung: 89 Prozent wollen klare Kennzeichnungen für Produkte, um die Nachhaltigkeit leichter nachvollziehen zu können. Etwa, wie groß der CO2-Abdruck von Fleisch ist oder woher die Papaya importiert ist.
Dabei ist den Verbraucher:innen auch der soziale Ausgleich wichtig. 72 Prozent befürworten, dass die Bundesregierung steigende Preise, etwa durch die CO2-Steuer, für Einkommensschwache abfedert. Wegen der steigenden Energiepreise muss sich das Wohngeld erhöhen, fordern Verbraucherzentrale und Deutscher Mieterbund. Außerdem sollen Energieversorger Strom- und Gasversorgung nicht aussetzen, wenn Bedürftige ihre Rechnung nicht zahlen können. Ähnliches galt schon zu Beginn der Coronapandemie. Die Umlage der CO2-Bepreisung auf die Mieten ließe sich abschaffen oder zumindest deutlich senken.
Im Januar wird Energie deutlich teurer
Derzeit erhöhen sich die Energiepreise vor allem am Großhandel. Das wird sich im Januar für die Verbraucher:innen spürbar auswirken, wenn die Kosten für die CO2-Abgabe von 25 auf 30 Euro pro Tonne steigen. Diesen Schub geben die Versorger wohl direkt an die Kund:innen weiter.
Die Befragung zeigt auch: Viele wollen bewusster konsumieren. Fast zwei Drittel unterstützen höhere Preise für Produkte, die der Umwelt schaden. 77 Prozent sehen sich selbst als Verbraucher:innen verantwortlich, nachhaltiger einzukaufen.
Allerdings gehe es nicht nur um Preise und Geld, sagt Klaus Müller. Die Verbraucherzentrale stellt fünf Klimaforderungen an eine neue Bundesregierung. Sie müsse ÖPNV und die Ladeinfrastruktur für Elektroautos ausbauen. Ein einkommensunabhängiges Mobilitätsgeld soll die Pendlerpauschale ersetzen, von der Besserverdienende in größerem Maße profitieren. Es brauche zudem mehr energetisch sanierte Gebäude, klimaneutrale Heizungen und Möglichkeiten, Verbraucher:innen an erneuerbarer Energie zu beteiligen. Bei diesen sogenannten Prosumer-Modelle versorgen sich Bürger:innen selbst, etwa durch Solarzellen auf dem Dach.
Baustelle Digitalisierung
Am meisten ärgern sich die Deutschen unterdessen über die fehlende Digitalisierung. 56 Prozent sind hierbei unzufrieden. Jede dritte Beschwerde bei den Verbraucherzentralen befasst sich damit. Dabei geht es um drei Streitpunkte. Einmal haben laut Verbraucherzentrale immer noch mehr als drei Millionen Haushalte keinen Internetanschluss. „Internetzugang muss wie Wasser aus dem Hahn selbstverständlich sein“, sagt Müller.
Zweitens erleben viele Online-Abzocke. Betrüger:innen bestellen auf falschen Namen, Shops haben lange Liefer- und Kündigungsfristen, aus Großbritannien fällt Zoll an, auch wenn man auf einer deutschen Seite bestellt. Schlielßich beschweren sich insbesondere Ältere immer noch über telefonischen Betrug. Das Gesetz für faire Verbraucher:innenverträge aus dem Sommer 2021 geht der Verbraucherzentrale nicht weit genug.
Klaus Müller ist optimistisch, dass eine neue Bundesregierung Digitalisierung wie auch Klimaschutz angeht. Eine mögliche Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP verbinde das Soziale, Klimaschutz und Wettbewerb. Dem entsprächen auch die Forderungen der Verbraucher:innen. Ein erhöhtes Wohngeld ließe sich zudem, wenn es die aktuelle Bundesregierung schon vorbereite, in den ersten zehn Amtstagen der neuen Regierung umsetzen. Regierungssprecher Steffen Seibert teilte am Mittwoch mit, er könne zu Maßnahmen, die die nächste Regierung betreffen, nichts sagen.
Leser*innenkommentare
Budzylein
Aha. Die Deutschen fordern also - was sie bei der Bundestagswahl allerdings wohl kurzzeitig vergessen haben - mehrheitlich "mehr Klimaschutz". Und den stellen sie sich so vor, dass "Klimaschädliches" aller Art teurer gemacht wird, aber der Staat den Leuten Geld gibt, damit sie es weiterhin bezahlen können. Typisch für dieses Land.