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Debatte um Denkmal in HamburgAlbtraum aus Granit

Lange stand das Hamburger Bismarck-Denkmal fast unbeachtet am Elbhang. Nun wird es teuer saniert. Und es wird debattiert, was da eigentlich steht.

Auch eine Möglichkeit, mit dem umstrittenen Bismarck-Kopf umzugehen: in Taubenkacke einpacken Illustration: Sebastian König

Wo ist er bloß? Irgendwo da hinten auf dem Hügel muss er doch stehen, in dem Park, der sich rechts hinter der Reeperbahn erstreckt, dort, wo es zum Hafen runtergeht. Unter hohen Bäumen rennen Hunde, ein schmaler Streifen Asphalt führt zwischen Herbstlaub den Hügel hoch und endet an einem Bauzaun: „Bismarck-Denkmal“ steht auf einer Tafel, „Instandsetzung“. „Bismarck du Otto!!!“, hat jemand mit Edding auf die Tafel geschrieben.

Lange war es um Otto von Bismarck und sein Denkmal am Hamburger Elbhang sehr still gewesen. Kaum mal eine Burschenschaft, die hier noch aufmarschierte, die Bäume um das Denkmal herum wuchsen in die Höhe, so dass von Bismarck immer weniger zu sehen war, Junkies und Obdachlose trafen sich am Denkmalsfuß.

Das änderte sich mit einem Schlag, als im Sommer vergangenen Jahres die Black-Lives-Matter-Demos auch Hamburg erreichten. Dass Bismarck noch immer auf diesem Sockel stehe, nach allem, was er angerichtet habe, sei eine „widerliche Schande“, sagte ein Sprecher der Black Community auf einer Demonstration in Sichtweite der Statue. Und er erinnerte daran, das Bismarck Gastgeber der Kongokonferenz war, an deren Ende die Aufteilung des afrikanischen Kontinents unter die europäischen Mächte stand.

Ein Rundgang

Doch so schnell wird das Bismarck-Denkmal nicht weichen. Neun Millionen Euro kostet die Sanierung, die sich bis ins nächste Jahr hinziehen wird. Der Bauzaun ist mit Stacheldraht bewehrt wie eine Gefängnismauer, nur dass er nach außen übersteht, damit niemand rein kann. Von innen riecht es feucht nach Beton oder Mörtel, eine Schaufel kratzt leise.

Hinter dem Bauzaun ist ein Kran zu sehen und ein Baugerüst, und dahinter steht, frisch gekärchert, der granitene Bismarck, gestützt auf sein Schwert, neben sich zwei Greife, um „für das deutsche Volk die Wacht nach dem Weltmeer zu halten“, wie es in zeitgenössischen Quellen heißt. Bismarcks Augen sind seltsam leer, sie schauen gar nicht, so wie die ganze Figur weniger einen Menschen darstellt als – das deutsche Imperium vielleicht?

Über 34 Meter ist das Denkmal insgesamt hoch, aber nur 15 davon sind die Statue. Der Rest ist der gigantische Sockel, der derzeit verhüllt ist. In der Nazizeit war der ein Luftschutzbunker, in seiner Kuppel sind ein Reichsadler und ein Hakenkreuz angebracht. Nach der Sanierung soll der Sockel begehbar sein, er soll ein Museum werden, es wird interessant, was dann mit dem Hakenkreuz passiert.

Der Bauzaun ist mit Graffiti bedeckt, aber es ist kein Hindurchsehen, nirgends. Fest geschlossen umgibt er das Denkmal, ein kleiner Fußweg führt einmal herum. Wer ihn geht, sieht Bismarck von allen Seiten, aber kann dieser Ort so bleiben? Soll er so bleiben? In seiner monumentalen Trostlosigkeit?

Und jetzt?

Vom Hamburger Pastor Ulrich Henschel kommt der Vorschlag, Bismarck zu enthaupten und den Kopf auf den Boden daneben zu legen. Dass irgendetwas mit dem Denkmal passieren muss, meint inzwischen auch der Hamburger Kultursenator. Es reiche nicht, nach der Sanierung eine Erklärtafel aufzustellen, man müsse das Denkmal „neu kontextualisieren“.

Die Kulturbehörde hat darum Workshops mit Künst­le­r:in­nen und Kri­ti­ke­r:in­nen des Denkmals anberaumt, die sich Gedanken über solche Eingriffe gemacht haben. Wenn das Denkmal schon nicht gesprengt oder in die Elbe gestürzt werden kann, wie wäre es dann, es zu verpacken? Oder es zuwuchern zu lassen, bis nichts mehr davon zu sehen ist? Nach den Workshops gibt es einen Wettbewerb. Vielleicht gelingt es ja, Hamburg von dem Stein gewordenen Bismarck-Albtraum zu befreien.

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5 Kommentare

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  • Otto von Bismarck am 1. April 1815 auf Gut Schönhausen altmärkischer Adelsfamilie von Bismarcks nahe Stendal an der Elbe als Scherzkeks der Weltgeschichte geboren, war herangewachsen mit allen Talenten eines herumschwifenden Taugenichts und Schüzenjägers hohen Grades versehen, den es nach einigen Karrierebrüchen als Diplomat in preußischen Diensten in paris , Petersburg ins Amt preußischen Ministerpräsidenten 1863 verschlug, sogleich im Bundestag zu Frankfurt am Main für Rabbatz zu sorgen, Hohenzollern neidungen sich durch dynastischen Krieg und Zank über deutsche Landes Fürsten-, Königshäuser hinaus im Krieg 1970-71 nach Frankreich Elsaß-Lothringen Preußen unmäßig auszubreiten, angezettelt fingierter Emser Depesche in Versailles Spiegelsaal Hohenzollern König Preußens Januar 1871 als Deutschen Kaiser Wilhelm mit dem Bart dessen Inauguration im besetzten Feindesland zu zelebrieren, dabei mit Schild und Schirm deutscher Fürsten-, Königshäuser versehen durch Zuwendungen aus Bismarcks Reptilienfonds am Staatshaushalt vorbei milde gestimmt besiegelt und versichert, aus Furcht Deutschen Reichstag auch nur zu befragen, denn zustimmend dem Zeitgeist folgend eine parlamentarische Monarchie Deutschland verkünden zu lassen, alles sollte im Nanem von Blut & Eisen vonstatten gehen oder gar nicht. Weil die Hamburger Pfeffersäcke, Reeder, Kaufleute, Bankiers sich nach 1871 Reichsgründung durch Bismark vor Dankbarkeit für Lizenz zur Einrichtung Freihafens gar nicht mehr einkriegten, schenkten jene Ihresgleichen, die mehrheitlich Senatoren im Hamburger Bürgerschaft waren, Reichskanzler Bismarck dazu Hamburger Domainien Sachsenwald, samt hochherrschaftlichem Sitz Friedrichsruh.







    Vorschlag: Wie wäre es, wenn Bismarck & Hohenzollern Häuser Instandsetzungsarbeiten 9 Millionen € für Bismarkdenkmal nicht nur übernehmen, sondern auf iBismarck Sitz Friedrichsruh Sachsenwald verlagern und versetzen?

    www.freitag.de/aut...s-vs-reichskanzler

  • Irgendwie umbauen.



    In Jena sieht der so aus:



    Bismarckturm Jena



    de.wikipedia.org/w...marckturm_Jena.jpg

  • "(...) Dass irgendetwas mit dem Denkmal passieren muss, meint inzwischen auch der Hamburger Kultursenator. (...)"



    Wurde über dieses Thema eigentlich mal irgendwann demokratisch befunden, oder ist das lediglich eine Minderheitenentscheidung von Leuten, die gerade zufällig das Sagen haben?

  • Ich finde es offen gesagt erschreckend wohin der Umgang mit der Geschichte geht aktuell. Denkmäler haben ihren Sinn.

    Wenn wir alles zerstören was an frühere Zeiten erinnert, dann wird es vergessen. Und vergessene Geschichte ist dazu verdammt neu durchlebt zu werden.

    Ich sehe das schon kommen, wenn man sich anschaut was in den USA teilweise raus kommt wenn man fragt was im zweiten Weltkrieg passiert ist oder wieso der amerikanische Bürgerkrieg geführt wurde.

    Mir ist schon klar das nicht jedem Geschichte Spass macht oder er sich dafür interessiert. Aber mit jeder Person die man dadurch erreicht und ein wenig Interesse erzeugt, ist etwas gewonnen. Reisst man alles nieder fängt man gar niemanden mehr ein.

  • Kann man über so etwas nicht nachdenken, BEVOR man Geld ausgibt?