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Vorfall bei BundestagswahlWahlschein nur ohne Kopftuch

Eine Frau wird im Wahllokal in Bergheim in Nordrhein-Westfalen abgewiesen – weil sie ein Kopftuch trägt. Erst als sie sich beschwert, darf sie wählen.

Bei der Bundestagswahl gilt: Wählen darf jede volljährige Person mit deutscher Staatsbürgerschaft Foto: Michaele Rehle/reuters

Das hatte sich Sara Nasser anders vorgestellt. Als die 21-Jährige am vergangenen Sonntag gegen 13 Uhr das erste Mal in ihrem Leben wählen gehen wollte, wurde sie von einer Wahlhelferin zurückgehalten. „Am Eingang sagte man mir, dass ich mein Kopftuch absetzen müsse“, so erzählte es die 21-Jährige der taz am Telefon. Verhüllt dürfe sie nicht wählen, lautete die Begründung. Nassers Freundin, die kein Kopftuch trug, wurde durchgelassen.

Nasser heißt in Wirklichkeit anders, aber bat darum, anonym zu bleiben, deswegen wurde der Name von der Redaktion geändert. Der Vorfall ereignete sich in der Astrid-Lindgren-Schule in Bergheim in Nordrhein-Westfalen, er wurde von der Stadt selbst bestätigt. Nasser hat sich mit einer langen E-Mail an die taz gewandt, auch auf ihrem Instagram-Account berichtete sie über den Fall: Laut Nasser berief sich die Wahlhelferin, die sie nicht durchlassen wollte, auf ein neues Gesetz, das sie im Internet nachlesen könne. Nasser konnte das nicht glauben, aber verließ zunächst das Wahllokal. Gemeinsam mit ihrer Freundin recherchierte sie – und fand nichts. Denn es gibt selbstverständlich kein Gesetz, das Frauen, die ein Kopftuch tragen, verbietet, wählen zu gehen.

Als Nasser und ihre Freundin zurück ins Wahllokal gingen und nachfragten, wo dieses Gesetz zu finden sei, wurde ihnen geraten, sich an die Stadt zu wenden. Das taten sie dann auch. Nassers Freundin meldete sich im Wahlbüro Bergheim. Die Mitarbeiterin fragte nach der genauen Bedeckung. Nasser trug ein Kopftuch, einen Mund-Nasen-Schutz und ihre Brille. Die Mitarbeiterin bat um Geduld und meldete sich beim Wahllokal.

In der Zwischenzeit bemerkte Nasser eine weitere Frau, die ein Kopftuch trug, auch sie wurde abgewiesen. Nasser bat die Frau darum, mit ihr auf das Ergebnis der Beschwerde zu warten. Nach der Intervention des Wahlbüros durften schließlich beide wählen gehen.

Nassers Freundin fragte daraufhin die Wahlhelfer:innen, wie viele Frauen mit Kopftuch sie denn weggeschickt hätten. „Das darf Sie nicht interessieren“ und „dazu werde ich nichts sagen“, heißt die Antwort eines Mannes in unfreundlichem Tonfall. Das Gespräch hat Nasser in einem Video festgehalten, auf dem allerdings nur die Stimmen zu hören sind, die Kamera ist auf den Fußboden gerichtet.

Mittlerweile hat sich die Stadtverwaltung Bergheim im Namen des Wahlvorstandes und der betreffenden Wahlhelferin schriftlich bei Nasser entschuldigt. In einer Pressemitteilung der Stadt wird der Vorfall bedauert: „Die Wahlhelferin war nach eigener Aussage von einer unzulässigen Verhüllung ausgegangen, obwohl bei den Wahlhelferschulungen der Umgang mit einer etwaigen Verhüllung ausdrücklich erörtert wurde“, heißt es darin. Künftig sollen Wahl­hel­fe­r:in­nen nun intensiver geschult werden. „Ein islamophober, rassistischer oder diskriminierender Hintergrund“ könne aber keinesfalls bestätigt werden, heißt es. Die zweite Frau, die wegen ihres Kopftuchs zurückgewiesen worden sei, wird in der Mitteilung nicht erwähnt.

Am Dienstag hat Nasser mit Bürgermeister Volker Mießeler (CDU) telefoniert. „Er hat sich entschuldigt und mir ein persönliches Treffen angeboten“, erzählt sie. Darüber freut sich Nasser, aber sie ist noch nicht ganz überzeugt, ob es sich wirklich nur um ein „Kommunikationsproblem“ gehandelt hat. „Ich habe mich an dem Tag sehr schlecht gefühlt und die Tage danach auch“, erzählt Sara Nasser. Erst vor zwei Wochen sei sie von einem Mann in der Straßenbahn als „scheiß Terroristin“ bezeichnet und übel beschimpft worden. Das erlebe sie immer wieder mal. „Aber von staatlicher Seite habe ich das noch nicht erlebt“, sagt sie.

Nasser hat jetzt zwei Antidiskriminierungsstellen kontaktiert und darum gebeten, sie zum Termin mit dem Bürgermeister zu begleiten. Auch die andere Frau würde sie gerne mitnehmen, die beiden sind noch im Kontakt. Am Telefon klingt Nasser trotz allem optimistisch: „Mich hat das bestärkt, jetzt immer wählen zu gehen.“

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5 Kommentare

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  • #Neues-aus-Laschetland

    Weil ihr Wählerinnen mit Kopftuch nicht gepasst haben, hat eine Wahlhelferin rasch ein Gesetz erfunden, mit dem sie diese abweisen konnte: man könne das [erfundene] Gesetz "im Internet" nachlesen. Im Internet, welch überaus präzise Angabe!



    Danach wurde versucht, Rückfragen unwirsch abzubügeln.

    Die Behörden in Bergheim, NRW, also im Kerngebiet des Laschetlandes, haben angeblich rasch herausgefunden, dass dieser Vorfall weder rassistisch, noch islamophob oder diskriminierend gewesen wäre. Ja was denn dann? Hat es sich vielleicht einfach nur um ganz normale Ausländerfeindlichkeit, um die weit verbreitete und überall ins Kraut schießende "gemeine" Ausländerfeindlichkeit gehandelt? Irgend wäre das dann doch beruhigend: gegen die Botanik kann man sich bekanntlich nichts unternehmen, man kann es nur lassen oder "lascheten".

    taz.de/Vorfall-bei...0454&s=wahlschein/

  • Hier hätte ich mal bitte etwas mehr Aufregung und Recherche.

    Ich hab bei der Wahl Maske und Basecap getragen, kein Problem. Warum nur?

    Wer den Stuss glaubt, das wäre ein "Versehen" gewesen versteht nicht, was wir für Probleme in der Verwaltung mit Rassismus haben. Und die Wahlhelferin ist ziemlich sicher entweder Verwaltungsangestellte oder im Stadt-/Gemeinderat.

    Bin zu sauer um mehr zu Kommentieren.

    • @Beowulf:

      Na ja, das war ein Einzelfall in einem einzigen Provinzwahllokal, von denen es allein im kleinen Bergheim mehr als 45 gibt, der in der Presse auf bundesweite Prominenz gepuscht wurde. Das entschuldigt den Vorfall nicht, aber in den Wahlvorständen sitzen keine Nobelpreiträger und höchstend die Hälfte bereitet sich gut vor.



      Als Beobachter in Köln sah ich bei der vorletzten Wahl eine Vorsitzende, die einen Stimmzettel mit nur Zweit- aber ohne Erstimme für beide Stimmen für ungültig erklären wollte, und bei der letzten eine Chaostruppe, die um Mitternacht alle Stimmzettel unsortiert und ungezählt in den Koffer warf und nach Hause ging. (Ehrlich, sowas kann ich mir nicht ausdenken.) Diesmal wurden nur die Zettel jeweils von Einzelpersonen ohne Vieraugenprinzip nach Parteien sortiert. Da kann leicht ein ungeliebter in den großen Haufen verschwinden und dort mitgezählt werden. Ich will das keinem der korrekt und verantwortungsvoll wirkenden Helfer unterstellen, aber unkorrekt und regelwidrig war es schon.

    • @Beowulf:

      Bin ich ganz bei dir, was soll man sagen, der Rassismus ist mittlerweile wieder vollständig in der Gesellschaft angekommen. Auf Arbeit begegnet mir das täglich, von Verantwortlichen wird alles klein geredet. Finde ich furchtbar traurig und enttäuschend, wohin sich alles entwickelt.

      Ist auch längst kein deutsches Problem mehr, Frankreich, England, USA, Schweiz ..... das ist ein Weltweites Problem.

  • Wieso "Die Wahlhelferin"? Ein Wahlvorstand besteht aus acht Personen von denen stets mindestens vier gleichzeitig im Raum anwesend sein müssen. Nicht alle Wahlhelfer sind angemessen vorbereitet (ich war zwanzig Jahre lang bei jeder Wahl dabei) und jeder macht einmal Fehler, aber alle vier oder acht?



    Übrigens dient die Pflicht zum offenen Gesicht vor allem dazu, anhand des Ausweises die Identität kontrollieren zu können. Natürlich wird das in der Praxis nur an Stichproben passieren, nach meiner Beobachtung aber tatsächlich oft gar nicht. Als ich noch jung und impulsiv war, wollte ich einmal mit einer fremden Wahlbenachrichtigung wählen, um das bloßzustellen. Ist lange her und ich hab's doch nicht getan. Trotzdem wäre es sehr leicht und etwas mehr Kontrolle täte gut. Man kann Pflichten auch einfach einmal nachkommen. Sogar hier in Köln wäre das rein theoretisch möglich, auch wenn es noch nie vorgekommen ist.