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Fatales Gefälle

In armen Ländern stockt die Impfkampagne auf niedrigem Niveau. So breiten sich Varianten von Covid-19 in vielen Regionen ungebremst weiter aus

Hierzulande werden wahrscheinlich Impfstoffe im Umfang von 150 Millionen Dosen bis Ende des Jahres in den Orkus gelangen, während aktuell in vielen Ländern Afrikas nicht mal annähernd 5 Prozent der Bevölkerung gegen Covid-19 geimpft worden sind. Das macht Mareike Haase, Referentin für internationale Gesundheitspolitik von Brot für die Welt, schlichtweg wütend. Daher fordert sie eine globale Impfgerechtigkeit. „Die Welt braucht endlich eine umfassende, temporäre Freigabe der Patente und geistigen Eigentumsrechte – eine Spende übrig gebliebener Impfdosen wird nicht ausreichen, um die Pandemie global einzudämmen“, so Haase weiter. Aber zwischen ihrer Forderung und der gegenwärtigen Realität klafft eine brutale Lücke auf. Während die reichen Staaten eine dritte Impfung schon zeitnah planen, können es sich viele Länder Afrikas und des Globalen Südens noch nicht einmal leisten, ihren Menschen überhaupt ein Impfangebot zu unterbreiten.

Das hat fatale Folgen – nicht nur wegen der negativen Rückkoppelungen für die globale Pandemie, sondern eben auch für die Ökonomie und damit auch für den fairen Handel. Das trifft am Ende – mal wieder – die Ärmsten der Armen. Wobei es lange so schien, als ob die Region südlich der Sahara von der Pandemie nicht so stark betroffen sein würde wie andere Regionen auf der Welt. Doch ist diese Einschätzung seit der Deltavariante gänzlich widerlegt: Die Länder von Tansania bis Senegal sind aktuell mehr denn je betroffen. Auch weil die Impfquote zum Beispiel in einem Land wie der Elfenbeinküste mit rund 25 Millionen Einwohnern nach Angaben des Coronavirus Resource Center der Johns Hopkins Universtität extrem niedrig ist: Erst 1,3 Millionen Impfdosen sind verabreicht worden.

Für Haase manifestiert sich an solchen Beispielen „ein grundlegender Systemfehler im gesamten Medikamentenbereich“. Laut der Politikwissenschaftlerin braucht es vollkommen neue Ansätze, „um eine globale und zugleich gerechte Impfstrategie etablieren zu können“. Wenn nämlich das Impftempo in den ärmsten Ländern nicht erhöht werden würde, dann gehen nach Berechnungen der People’s Vaccine Alliance, zu der auch Brot für die Welt gehört, noch 57 Jahre ins Land, um allen einen umfassenden Schutz zu gewähren. Deshalb fordert Haase die sofortige Freigabe von Impfstoffpatenten.

Spendenaktion verhindert

Darüber hinaus wäre es aus der Sicht vieler NGOs auch enorm wichtig, eine rasche Freigabe der geistigen Eigentumsrechte auf Tests und therapeutische Maßnahmen wie Beatmungsgeräte und Medikamente zu erwirken, um Schlimmeres zu verhindern. Zumal die Weltgesundheitsorganisation (WHO) befürchtet, dass 2021, das zweite Jahr der Pandemie, weitaus tödlicher verlaufen wird als das erste. Weswegen viele Hilfsorganisationen darauf pochen, dass der Impfstoff und viele andere Medikamente ebenso langfristig nicht nur in den reichen Ländern hergestellt sein sollten, sondern eben auch in den Ländern des Globalen Südens. Nur so können sich Länder wie Malawi oder Liberia von der Abhängigkeit emanzipieren und bezahlbare Medikamente beziehen.

Apropos Liberia. Wie groß Absurdistan in Zeiten von Corona sein kann, manifestiert sich in der Verhinderung einer Spendenaktion, die das Deutsche Institut für Ärztliche Mission e. V. (Difäm) mit Sitz in Tübingen initiieren wollte. Die christliche Organisation, die mit 32 Partnern in 20 Ländern medizinisch aktiv ist, beabsichtigte ein Pilotprojekt, bei dem man ein paar Tausend Impfdosen, die im Raum Tübingen drohten vernichtet zu werden, in das westafrikanische Land Liberia transferieren wollte. Doch machte dem Difäm ausgerechnet das Ministerium von Jens Spahn einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Die Impfdosen seien Eigentum Deutschlands und aus vertragsrechtlichen und haftungsrechtlichen Gründen sei eine Weiterleitung ins Ausland nicht möglich, kolportiert Gisela Schneider, Difäm-Direktorin, die abweisende Antwort aus dem Bundesgesundheitsministerium. Schneider, die als Ärztin über viele Jahre in afrikanischen Ländern tätig war, schüttelt über so ein Vorgehen nur noch den Kopf. Auch ihre Kolleginnen in Liberia verstehen die Welt nicht mehr. Dabei postuliert der scheidende Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU): „Impfstoffe sind ein globales Gut. Wir müssen sicherstellen, dass auch die am härtesten getroffenen Menschen in den Entwicklungsländern ausreichend geimpft werden.“ Anspruch und Wirklichkeit … Dierk Jensen

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